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28.03.2002 15:03

Literatur, Erinnerungsdiskurse und der Holocaust

Pernille Jaeger Public Relations und Kommunikation
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main)

    Hamburger Literaturwissenschaftler Braese übernimmt Gastprofessur für internationale Holocaustforschung

    FRANKFURT. Der Hamburger Literaturwissenschaftler Stephan Braese wird im Sommersemester die zweite Gastprofessur für interdisziplinäre Holocaustforschung wahrnehmen. Der Forscher ist in den vergangenen Jahren durch bedeutende Publikationen zur deutschen Nachkriegsliteratur und ihre Auseinandersetzung mit Holocaust und Nationalsozialismus hervorgetreten. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen: "Die andere Erinnerung - Jüdische Autoren in der westdeutschen Nachkriegsliteratur" (2001), "Das teure Experiment - Satire und NS-Faschismus" (1996) und als Herausgeber "Bestandsaufnahme - Studien zur Gruppe 47" (1999).

    Braese hat seine Gastprofessur unter den Titel "Literatur, Erinnerungsdiskurse und der Holocaust" gestellt. Er wird eine Vorlesung und zwei Seminare anbieten. Die Vorlesungsreihe "Sprechen und Schweigen", die am 9. April (Dienstag) um 18 Uhr im Casino auf dem Campus Westend beginnt und jeweils dienstags von 18 bis 20 Uhr stattfindet, beschäftigt sich mit Literatur und Holocaust in historiographischer und theoretischer Perspektive. Der einzigartige Charakter der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gegen die europäischen Juden stellte Schriftsteller vor ein tiefgreifendes, scheinbar nicht auflösbares Darstellungsproblem. Es sei "barbarisch, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben", so das viel zitierte Diktum von Adorno. Welche Begriffe und Theorien zum Verhältnis zwischen Literatur und Holocaust wurden in Westdeutschland und den USA entwickelt? Welche grundlegenden Konditionen deutscher Nachkriegskultur und -gesellschaft haben auf diese Entwicklung eingewirkt? Braese will in seiner Vorlesung auch die Wahrnehmung dafür schärfen, in welchem Maße die heutige Redeweise über Holocaust und Kultur von den "Verstehensanstrengungen" der Literatur beeinflusst wurde. Die Vorlesung richtet sich an die Studierenden der Frankfurter Universität, aber auch an die interessierte Öffentlichkeit.

    "Unmittelbar zu den Verbrechen. Deutschsprachige Nachkriegsliteratur und der Holocaust" überschreibt der Hamburger Literaturwissenschaftler sein erstes Seminar, das jeweils mittwochs von 14 bis 16 Uhr im IG Hochhaus, V4,EG, Raum 454 stattfindet (Beginn 10. April). Wie sollten die Deutschen mit dem Wissen um die Verbrechen leben, das von den Alliierten in Bild, Schrift und Ton publik gemacht wurde? Insbesondere von den Schriftstellern wurden in den Nachkriegsjahren Orientierungen erwartet. Unmittelbarkeit zu den Verbrechen bedeutete für die deutschen Autoren historische, in manchen Fällen biographische Nähe zu Tat und Tätern. Wie haben Autoren wie Alfred Andersch, Heinrich Böll, Günter Grass, Uwe Johnson und Ingeborg Bachmann auf diese Konditionen literarisch geantwortet? Braese will Chancen und Risiken einer Literatur beleuchten, die noch in historischer Unmittelbarkeit zu den Verbrechen stand.

    Das zweite Seminar "Modi des Gedenkens" (donnerstags von 10 bis 12 Uhr, IG Hochhaus, Q3, 1.OG, Raum 1.311, Beginn 11. April) wendet sich Abbildern der Shoah in Kunst, Medien und öffentlicher Debatte von 1979 bis 2000 zu. Dabei geht es u.a. um die US-Fernsehserie Holocaust (1979), aber auch um den Berliner Denkmalstreit aus den neunziger Jahren. Das Seminar zielt darauf, aus der Fülle der in den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelten Formen des Gedenkens einige herauszugreifen und im Kontext einer Bestandsaufnahme aktueller Gedenkpolitik kritisch zu diskutieren.

    Die Schaffung einer Gastprofessur für interdisziplinäre Holocaustforschung geht auf die gemeinsame Initiative des Fritz Bauer Instituts und der Johann Wolfgang Goethe-Universität zurück und wird vom Land Hessen finanziert. Als Erster wurde im vergangenen Jahr Philippe Burrin, Professor für internationale Geschichte an der Universität Genf, berufen. Burrin hat sich mit der Erforschung des französischen Faschismus sowie der Geschichte Frankreichs unter der deutschen Besatzung einen Namen gemacht. Er hat sich u.a. mit der französischen Mitschuld an der Deportation und Vernichtung der in Frankreich lebenden Juden beschäftigt.

    Nähere Informationen: Manuela Ritzheim, Fritz Bauer Institut, Telefon 069/798 322 33, Fax 069/798 32241, E-Mail m.ritzheim@fritz-bauer-institut.de; im Internet: www.fritz-bauer-institut.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Sprache / Literatur
    überregional
    Personalia, Studium und Lehre
    Deutsch


     

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