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23.05.2012 19:00

Entdeckt: Neue Enzyme für ein altes Organell

Johannes Scholten Pressestelle
Philipps-Universität Marburg

    Marburger Biologen haben bislang verborgen gebliebene Varianten altbekannter Proteine entdeckt, die an einen unerwarteten Ort in der Zelle verfrachtet werden. Dabei handelt es sich um zuckerverwertende Enzyme, die normalerweise nur in der Zellgrundsubstanz vorkommen, dem Zytoplasma. Durch einen ungewöhnlichen Mechanismus werden diese Proteine mit einem Transportsignal versehen, das ihnen den Weg in die so genannten Peroxisomen weist. Das Forscherteam um Professor Dr. Michael Bölker von der Philipps-Universität Marburg stellt die bislang unbekannten Varianten in der nächsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature vor, die am 24. Mai 2012 erscheint.

    Das Innere von Zellen untergliedert sich in zahlreiche Organellen, die jeweils ganz spezielle Aufgaben erfüllen; Beispiele hierfür sind die energieliefernden Mitochondrien und die photosynthetisch aktiven Chloroplasten. Zu diesen Organellen zählen auch die Peroxisomen, die am Abbau von Fettsäuren beteiligt sind. Peroxisomale Proteine tragen in der Regel an ihrem Ende eine kurze Signalsequenz mit einer ganz bestimmten Folge von Aminosäuren.

    „Zuckerabbauende Enzyme gehören zu den am besten untersuchten Proteinen“, erklärt Bölker; „sie finden sich normalerweise nur in der Zellgrundsubstanz, dem Zytoplasma. Deshalb war es eine große Überraschung, dass das Glykolyse-Enzym GAPDH in vielen Pilzen in zwei Versionen existiert, von denen eine mit einem peroxisomalen Transportsignal endet.“

    Das Team suchte nach weiteren Proteinen, bei denen peroxisomale Varianten gebildet werden, und fand mit dem Enzym PGK ein zweites Beispiel; auch PGK ist am Zuckerabbau beteiligt. Der Abbau von Zucker durch Glykolyse ist unter Lebewesen eine der am häufigsten genutzten Möglichkeiten, um an Energie zu gelangen. Dieser Prozess läuft innerhalb der Zelle nur in der Zellgrundsubstanz, dem Zytoplasma ab – zumindest war dies bisher die gängige Meinung von Biologen.

    Warum ist die peroxisomale Lokalisierung dieser gut untersuchten Proteine bislang verborgen geblieben? „Die Lokalisierung erfolgt nur partiell“, erläutert Erstautor Johannes Freitag: “Das heißt, dass sich die Enzyme auch weiterhin im Zytoplasma finden.“ Noch wichtiger sei die Tatsache, dass die peroxisomalen Varianten nicht schon in der Gensequenz zu erkennen sind, sondern erst während der Umsetzung der genetischen Information entstehen, und zwar entweder durch das so genannte alternative Spleißen oder durch Überlesen eines Stop-Codons: „Daher sind die abweichenden Formen bei der Analyse der Pilzgenome nicht aufgefallen.“

    Erstaunlicherweise entstehen die peroxisomalen Varianten bei verschiedenen Pilzen auf unterschiedliche Weise: Der Schimmelpilz Aspergillus nidulans erzeugt die peroxisomale Form von GADPH mit demselben Mechanismus, den der Pflanzenschädling Ustilago maydis beim Umbau von PGK einsetzt, und umgekehrt.

    Bölker und seine Mitarbeiter konnten nachweisen, dass die neu entdeckten Varianten in Peroxisomen eine biologische Funktion ausüben. Zerstört man bei Ustilago maydis die Transportsignale durch Mutation, so verbleiben die Proteine im Zytoplasma und die betroffenen Pilzzellen infizieren ihre Wirtspflanze Mais schlechter. „Im Fokus der Forschung wird künftig die Aufklärung der biochemischen Funktion der peroxisomalen Zuckerumsetzung stehen“, kündigt Bölker an.

    Den Forschern ist aufgefallen, dass nur diejenigen glykolytischen Stoffwechselreaktionen auch in Peroxisomen stattfinden, die in beiden Richtungen ablaufen können, so dass Zucker entweder abgebaut oder aber neu aufgebaut werden. „Vielleicht ermöglicht die getrennte Lokalisierung dieser Enzyme, dass sich die gegenläufigen Reaktionen nicht in die Quere kommen“, vermutet Koautorin Julia Ast.

    Michael Bölkers Arbeitsgruppe am Fachbereich Biologie gehört auch dem „LOEWE“-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie der Philipps-Universität an, das Arbeitsgruppen aus Biologie, Chemie, Physik, Mathematik und weiteren Fachgebieten zusammenführt, um ein quantitatives, dynamisches und modellierbares Verständnis der Funktionsweise von Mikroorganismen zu gewinnen.

    Originalveröffentlichung: Johannes Freitag, Julia Ast & Michael Bölker: Cryptic peroxisomal targeting via alternative splicing and stop codon read-through in fungi, Nature 24. Mai 2012

    Weitere Informationen:
    Ansprechpartner: Professor Dr. Michael Bölker,
    Fachgebiet Genetik
    Tel.: 06421 28-21536
    E-Mail: boelker@biologie.uni-marburg.de
    Internet: http://www.uni-marburg.de/fb17/fachgebiete/genetik/genetikI/index_html

    Hintergrundartikel zum Thema:
    Ustilago-Genom entschlüsselt: http://www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2006/20061101ustilago/20061101ustilago
    Brandpilz schaltet Pflanzenabwehr aus: http://www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2011/1010a


    Bilder

    In „Nature“ (von links): Johannes Freitag, Professor Dr. Michael Bölker und Julia Ast berichten über bislang unbekannte Enzymvarianten.
    In „Nature“ (von links): Johannes Freitag, Professor Dr. Michael Bölker und Julia Ast berichten über ...
    (Foto: Philipps-Universität Marburg/AG Bölker)
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    Bei Aspergillus nidulans und vielen anderen Pilzen kann man zuckerabbauende Enzyme wie PGK in den Peroxisomen nachweisen (2. Bild von rechts), indem man sie mit Fluoreszenz-Markierungen versieht; die Peroxisomen lassen sich durch andersfarbige Marker identifizieren (2. Bild von links).
    Bei Aspergillus nidulans und vielen anderen Pilzen kann man zuckerabbauende Enzyme wie PGK in den Pe ...
    (Foto: Philipps-Universität Marburg/AG Bölker)
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    In „Nature“ (von links): Johannes Freitag, Professor Dr. Michael Bölker und Julia Ast berichten über bislang unbekannte Enzymvarianten.


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    Bei Aspergillus nidulans und vielen anderen Pilzen kann man zuckerabbauende Enzyme wie PGK in den Peroxisomen nachweisen (2. Bild von rechts), indem man sie mit Fluoreszenz-Markierungen versieht; die Peroxisomen lassen sich durch andersfarbige Marker identifizieren (2. Bild von links).


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