"Auf welchem Gleis geht mein Zug morgen ab?" Die Frage ist einfach genug, die Information leicht zugänglich. Trotzdem gerät das angesprochene automatische System vielleicht in Verwirrung, weil Züge nach seinen Vorgaben nur von, nicht auf einem Gleis abfahren können oder weil das einprogrammierte Lexikon kein Synonym für das Wort "Bahnsteig" enthält und "Kreis" das am ähnlichsten lautende Wort ist. Wie Sprachverarbeitungssysteme funktionieren, soll den Studierenden in einer Lehrveranstaltung interaktiv vermittelt werden. Am Lehrstuhl Informatik 8 der Universität Erlangen-Nürnberg haben Kerstin Bücher, Horst Silberhorn und Martin Klarner begonnen, Materialien einer Vorlesung zur Einführung in die Sprachverarbeitung von Prof. Dr. Günther Görz zu ergänzen und multimedial mit Bildern, Animationen und interaktiven Übungsaufgaben aufzubereiten. Das Projekt wird von der Virtuellen Hochschule Bayern unterstützt und soll im Herbst 2003 abgeschlossen sein.
Wer daran arbeitet, Computer Sprache und Sprachverstehen zu lehren, lernt auf neue Weise zu schätzen, wie das Netz der Neuronen im menschlichen Gehirn flüssig gesprochene Mitteilungen augenblicklich und scheinbar mühelos erfasst. Die maschinelle Verarbeitung der Spracheingabe läuft über verschiedene Stufen ab, die eine Vielzahl von Rechenschritten erfordern. Vom Aufgreifen der kleinsten bedeutungstragenden Laute über das Unterscheiden einzelner Wörter und die Rückfrage im Wortschatz, über Abfrage und Vergleich grammatikalischer Regeln bis hin zur Bedeutungsanalyse soll alles in Echtzeit geschehen, also ohne auffällige Verzögerungen, die dem menschlichen Gesprächspartner ärgerliche Wartezeiten zumuten.
Gesprochene oder geschriebene Sprache zu "verstehen", heißt herauszufinden, was in der Sprachsituation oder im Textzusammenhang mit einer bestimmten Äußerung bzw. einem Satz tatsächlich gemeint ist. Sprachverarbeitungssysteme müssen dazu die innere Struktur der Zeichenkette analysieren, die bei gesprochener Sprache von einem automatischen Erkenner geliefert wird. Dazu teilen sie einen Satz in "Kanten" und "Knoten" und dringen durch fortgesetzte, baumartig verzweigte Zergliederung bis zu den einzelnen Wörtern und damit der Bedeutung der Aussage vor. Der umgekehrte Weg ist ebenfalls möglich: aus den einzelnen Wörtern Stück für Stück den Gesamtzusammenhang aufzubauen. Alle diese Verarbeitungsschritte können Studierende nicht nur kennenlernen, sondern selbst ausprobieren, wenn das interaktiv nutzbare Lehrmaterial fertiggestellt ist. Sie können beispielsweise neue Wörter ins Lexikon eintragen, Grammatikregeln modifizieren und präzisieren oder versuchen, neue Regeln für ein Dialogmodell zu entwerfen. Erfolg oder Misserfolg geben sofort die Rückmeldung, inwieweit der Lehrstoff tatsächlich beherrscht wird.
Die Einführung in die Grundlagen, Methoden und Anwendungen der maschinellen Sprachverarbeitung kann im Hauptstudium des Diplomstudiengangs Informatik sowie im Rahmen des Bachelor-Studiengangs Computerlinguistik belegt werden. Berufschancen im Bereich maschinelle Sprachverarbeitung sind ausgezeichnet, wie Kerstin Bücher vom Lehrstuhl Informatik 8 betont, da bei der Entwicklung technischer Geräte mehr und mehr Wert auf die natürlich-sprachliche Interaktion zwischen Mensch und Maschine gelegt wird.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Günther Görz, Kerstin Bücher M.A.
Lehrstuhl Informatik 8
Tel.: 09131/85 -28713
Kerstin.Buecher@informatik.uni-erlangen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Informationstechnik, Sprache / Literatur
regional
Forschungsprojekte
Deutsch
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