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26.05.1998 00:00

Ein turbulentes Kapitel der Erdgeschichte

Dr.rer.pol. Dipl.-Kfm. Ragnwolf Knorr Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Eine Geschichte, die um die vier Milliarden Jahre in die Vergangenheit reicht, hat die Erde zu erzählen. Die Spuren, die von dieser Zeitspanne berichten, können aufgefunden und gelesen werden - heute besser als je zuvor. Mitte des Jahres 1998 wird ein Schwerpunktprogramm der DFG beginnen, das am Institut für Geologie und Mineralogie der Universität Erlangen-Nürnberg koordiniert wird. Hier wird ein Zeitraum unter die Lupe genommen, der zwischen 400 und 250 Millionen Jahren vor der Jetztzeit liegt. Die Forschungen können unter anderem an ein früheres Schwerpunktprogramm unter Koordination des Instituts für Paläontologie der FAU anknüpfen, das die Entwicklung des Lebens auf der Erde anhand von Sedimenten untersuchte.

    Eine Geschichte, die um die vier Milliarden Jahre in die Vergangenheit reicht, hat die Erde zu erzählen. Die Spuren, die von dieser Zeitspanne berichten, können aufgefunden und gelesen werden - heute besser als je zuvor. Mitte des Jahres 1998 wird ein Schwerpunktprogramm der DFG beginnen, das auf einen Antrag unter Erlanger Federführung zustandekam und von Prof. Dr. Werner Buggisch (Institut für Geologie und Mineralogie der Universität Erlangen-Nürnberg) koordiniert wird. Hier wird ein Zeitraum unter die Lupe genommen, der zwischen 400 und 250 Millionen Jahren vor der Jetztzeit liegt. Die Forschungen können unter anderem an ein früheres Schwerpunktprogramm unter Koordination von Prof. Dr. Erik Flügel (Institut für Paläontologie der FAU) anknüpfen, das die Entwicklung des Lebens auf der Erde anhand von Sedimenten untersuchte und mit dem Jahr 1996 zu Ende ging.

    Der Titel des neuen Forschungsprogramms lautet: "Evolution des Systems Erde während des jüngeren Paläozoikums im Spiegel der Sediment-Geochemie". Das Anfangskolloquium hat im Januar dieses Jahres stattgefunden. Wissenschaftler der Universitäten Erlangen-Nürnberg, Bonn, Köln, Freiberg, Bochum und vieler anderer Hochschulen bringen Teilprojekte ein. Mit Hilfe geochemischer und paläontologischer Verfahren soll rekonstruiert werden, wie Land, Meer und Luft beschaffen waren und wie es um die Biosphäre, das Leben auf der Erde, stand.

    Im Paläozoikum, dem Erdaltertum, vereinigten sich isolierte Landmassen zum Superkontinent Pangäa, wobei Meeresspiegelschwankungen und Bewegungen innerhalb der Erdkruste weiträumige Flachmeere und Seen entstehen ließen. Dies begünstigte den Übergang des Lebens vom Meer zum Land. Zuerst gelang den Pflanzen die Eroberung des neuen Lebensraums, dann den Tieren. Im Oberdevon und Karbon, vor ca. 400 bis 300 Millionen Jahren, erreichte die Pflanzenbesiedlung einen ersten Höhepunkt.

    Brüche und Sprünge in der ansonsten kontinuierlichen Entwicklung zeigen jedoch an, daß die Umweltbedingungen wechselten, und zwar zu manchen Zeiten vergleichsweise abrupt. Die Ursachen sind umstritten. Wiederholt sind Massensterben in der Erdgeschichte mit den komplexen Konsequenzen von klimatischen Änderungen in Verbindung gebracht worden. Für die Forschungsarbeiten im Schwerpunktprogramm wird hier ein wichtiger Ansatzpunkt gesehen.

    Kühlhaus und Treibhaus

    Als Arbeitsgrundlage gilt die Hypothese, daß es zwei stabile Zustände auf der Erde gibt, die wechselseitig ineinander übergehen: einen Kaltzeitmodus, auch "Icehouse" genannt, und einen Treibhaus- oder Warmzeitmodus, das "Greenhouse", in dem die Biosphäre einen Aufschwung nimmt. Phasen eines verstärkten oder gebremsten Wachstums des organischen Lebens, die Temperaturen, die Zusammensetzung und die Zirkulation der Atmosphäre, die Verteilung von Kontinenten und Ozeanen und der Ausstoß von Gasen aus dem Erdinneren durch Vulkane greifen ineinander und gestalten den Zustand des Gesamtsystems.

    Diese Verflechtung und gegenseitige Steuerung vieler Einflußgrößen in einem sehr komplexen und variablen Netzwerk spiegelt sich in Stoffkreisläufen wider: sind Produktion und Verbrauch ausgeglichen, steht ein Überangebot - etwa von Kohlenstoff oder Sauerstoff - zur Verfügung? Werden Reservoirs gebildet, die für eine Weile aus dem Verkehr gezogen sind? Es ist vorstellbar, daß dabei ein Regelkreis entsteht, in welchem Warm- und Kaltzeit "automatisch" ineinander überleiten und sich gegenseitig ablösen.

    Indirekte Signale

    Wären Meerwasser-Proben aus der Zeit vor 400, vor 350 und vor 300 Millionen Jahren verfügbar, so könnte aus deren physikalischen und chemischen Eigenschaften auf die damaligen Zustände des Systems Erde geschlossen werden. Stattdessen sind fast für den gesamten Verlauf der Erdgeschichte Minerale und organische Ablagerungen überliefert, die in früherem Meerwasser gebildet wurden. Dieses Material liefert indirekte Signale, die als "Proxies" bezeichnet und für geochemische Analysen benutzt werden. Sie liefern beispielsweise Auskünfte über Meerestemperaturen und die Größe der polaren Eiskappen, über die Bildung neuer Ozeane oder die Wachstumsrate des Lebens.

    Paläontologische Untersuchungen beruhen auf dem Studium der Überreste von Organismen, von Abdrücken oder anderen Lebenszeichen. Skelett- oder Schalenbestandteile sind am besten erhalten, doch unter günstigen Bedingungen kann auch die organische Substanz fossiler Lebewesen konserviert sein. Es zeigt sich heute, daß die Ergebnisse der chemischen Forschung mit denen der Paläontologie in Einklang stehen. Die Evolution der Biosphäre ist also von beiden Seiten her zu belegen.

    Spiegel des Erdaltertums

    Die Projekte, die innerhalb des Schwerpunktprogramms geplant sind, teilen sich in drei Themenkreise. Zum einen werden Sedimentgesteine untersucht, die aus chemischen und biochemischen Ablagerungen entstanden sind. Zweitens können Schlußfolgerungen aus der Analyse von Verwitterungsprodukten der Erdkruste gezogen werden. Aufschlüsse zur Evolution des Systems Erde soll zum dritten die organische Geochemie bieten. Ein lange vergangener Abschnitt der Entwicklung von Atmosphäre, Hydrosphäre und Biosphäre soll so im Spiegel wissenschaftlicher Ergebnisse wieder zutage treten.

    Über lange Zeiträume hat die Natur sich entwickelt, ohne daß menschliche Handlungen die Richtung beeinflußten. Der Blick auf frühe Erdzeitalter bietet also einen entscheidenden Vorteil. Wenn solche "unverfälschten" Abläufe nachvollzogen werden können, wird leichter zu beurteilen sein, was an heutigen globalen Vorgängen, speziell an Klimaveränderungen, den Eingriffen des Menschen zuzurechnen ist und was nicht.

    * Kontakt:
    Prof. Dr. Werner Buggisch, Institut für Geologie und Mineralogie, Schloßgarten 5,
    91054 Erlangen, Tel.: 09131/85 -2616, Fax: 09131/85 -9295
    E-Mail: buggisch@geol.uni-erlangen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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