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10.07.2002 11:07

Vom "Gibson-Girl" zum "Wimpel"

Brigitte Nussbaum Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Geschichte und Bedeutung der Werbung im 1. Weltkrieg

    Vor hundert Jahren begann Karl August Lingner mit Odol erstmals eine keimtötende Mundspüllösung zu vermarkten. "Dabei hatte er unter anderem mit der geringen Bereitschaft seiner Zeitgenossen zu kämpfen, in der täglichen Mundhygiene ein Problem zu sehen", so Privatdozent Dr. Stefan Haas von der Universität Münster. Doch dank einer geschickten Werbekampagne gelang es Lingner, die Tinktur in der Schwanenhalsflasche zu einem noch heute bekannten Markenprodukt zu machen und damit auch zum Gegenstand der Forschungen des Historikers, zu dessen Schwerpunkten Kommunikationsgeschichte und Geschichte der Werbung gehören.

    Nicht nur Odol, auch "Leibnitz-Cakes", "4711" und "Persil" wurden den Kunden durch eine Werbung vorgestellt, die nicht nur das Produkt als solches präsentierte, sondern ihm auch gleich einen Sinn in Form der Werbebotschaft mit auf den Weg gab. Mit dem Kriegsausbruch im August 1914 änderten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Auftragslage der Werbetreibenden brach beinahe zusammen - dennoch schafften sie es, sich den neuen Bedingungen anzupassen und so zu überleben. Beworben wurden jetzt "Liebesgaben" wie Schokolade, Zigaretten und Textilien, die Angehörige den Soldaten an der Front schicken sollten. Auf den Plakaten war die Kriegssituation nicht wegzudenken, so war dort etwa die Manoli-Zigaretten rauchende Garde abgebildet. Im Winter 1914/15 erließ die Polizei eine Verordnung zur "Sprachreinigung", bei der es darum ging, Produktnamen zu germanisieren. Und so kam es, dass die Zigaretten "Flammender Orient" der "Deutschen Jagd" und das "Gibson-Girl" dem "Wimpel" weichen musste. Weil das Geld für neue Plakate fehlte, wurde der alte Produktname einfach gestrichen und die neue Version darüber geschrieben. Auf diese Weise wurde außerdem sichergestellt, dass der Kunde "seine" Marke wiedererkannte und sich an Qualität und Geschmack nichts verändert hatte. Die Werbetreibenden passten sich also den Kriegsbedingungen an, indem sie die Produkte mit einer nationalen Bedeutung versahen.

    "Ein weiteres Betätigungsfeld war die Verunglimpfung von Wirtschaftsprodukten der Kriegsgegner", erzählt Haas, "das galt sowohl für die deutsche Werbeindustrie, wie auch für die anderen kriegsbeteiligten Nationen". So schickten etwa die Engländer Aspirin, 4711 und andere bewährte deutsche Markenprodukte in Zeitungsannoncen wieder zurück nach Hause. Kampagnen wie diese waren natürlich keine Alleingänge der Werbetreibenden - sie wurden von staatlichen und Militärbehörden koordiniert. "Dabei waren die Werbetreibenden von der nationalen Euphorie angesteckt", berichtet Haas, "die Werbung wollte an dem intellektuellen Kulturkampf mit den verfeindeten Nationen teilnehmen." So forderte ein an der russischen Front tätiger Reklamefachmann, dass auf Werbeanzeigen Bilder aus dem "trauten deutschen Familienleben mit heiteren Kinderfiguren und sauberen Höfen gezeigt werden sollten". Er stellte sich vor, so Haas, den Einheimischen die Bilder mit den Worten: "Seht mal, Ihr dreckiges Volk, so sieht es bei uns aus in unserem lieben deutschen Vaterland" zu erklären.

    Schon im November 1918 bereiteten sich die deutschen Werbetreibenden auf die Zeit nach dem Weltkrieg vor. Sie verteilten eine Flugschrift mit dem Titel: "Die Friedensvorbereitung des deutschen Kaufmanns beginnt", mit der Werbung für die Werbung gemacht wurde: "Was für die Pflanze der Dünger, für die Maschine der Dampf, für den Menschen der Atem, das ist für jedes Geschäft (...) die Reklame" - eine Philosophie, die auch heutzutage noch sehr modern anmutet ...


    Bilder

    "Made in germany" war im ersten Weltkrieg unerwünscht. Die englischen Werber setzten auf einheimische Waren.
    "Made in germany" war im ersten Weltkrieg unerwünscht. Die englischen Werber setzten auf einheimisch ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Medien- und Kommunikationswissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    "Made in germany" war im ersten Weltkrieg unerwünscht. Die englischen Werber setzten auf einheimische Waren.


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