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23.01.2013 11:16

Kann eine strengere Waffengesetzgebung in den USA die Mordrate senken?

Blandina Mangelkramer Kommunikation und Presse
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Im Dezember 2012 hat die Ermordung von zwanzig Kindern und sechs Erwachsenen in der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown/Connecticut Fassungslosigkeit hervorgerufen, aber auch die öffentliche Auseinandersetzung um das Waffenrecht in den USA neu entfacht. Professor Dr. Franz Streng, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Kriminologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), bezieht Stellung zu den Auswirkungen restriktiver Waffengesetze und den Aussichten von Präsident Obama, stärkere Begrenzungen durchzusetzen.

    Die große Brisanz des Themas „Schusswaffe“ gerade in den USA lässt sich an Daten der amerikanischen Polizeilichen Kriminalstatistik (FBI: Uniform Crime Reports) verdeutlichen. Seit Jahrzehnten werden in den USA rund 65 Prozent aller Morde mittels Nutzung von Schusswaffen begangen. Im Jahre 2011 etwa waren es genau 67,7 Prozent. Damit liegen die USA gleichauf etwa mit Brasilien und El Salvador. Der Bundesstaat Louisiana liegt mit sogar 82,9 Prozent etwa auf der Ebene von Kolumbien. Die Bedeutung dieser Zahlen wird besonders plastisch, wenn man die Situation in Deutschland zum Vergleich heranzieht. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik 2011 des Bundeskriminalamts wird derzeit bei nur etwa 6 Prozent aller vorsätzlichen Tötungen geschossen. Die positiven Folgen der seit jeher restriktiven deutschen Waffengesetzgebung sind also unverkennbar.

    Diese drastischen Unterschiede zwischen den USA und Deutschland lassen sich nicht mittels der Behauptung relativieren, es komme doch vor allem auf das „Dass“ der Taten und nicht auf das „Wie“ im Sinne des genutzten Werkzeugs an. Denn Schusswaffen ersetzen nicht einfach andere Waffen oder Vorgehensweisen, die sonst beim Töten genutzt worden wären. Die Verfügbarkeit von Schusswaffen leistet einen eigenständigen Beitrag zur Begehung von Gewaltkriminalität. Schusswaffen sind durch „kulturelles Lernen“ mit Aggressionen verknüpft und können daher als Auslöser von Gewalttaten wirken. Sie sind technisch gefährlicher als die meisten anderen Angriffsmittel, was leicht zu Opferhäufungen führt. Als Fernwaffen lassen sie instinktiven oder moralischen Tötungshemmungen mangels hemmungsaus­lösender Opfernähe wenig Wirkungsmöglichkeit. Auch überfordert die Möglichkeit, sich mittels Waffe wirkungsvoll gegen andere durchzusetzen, viele Menschen in Konfliktsituationen – und dies gilt gerade für wenig selbstbewusste Menschen, die glauben Waffen zu benötigen, um sich sicher zu fühlen.

    Für die USA ließ sich belegen, dass parallel zur regionalen Häufigkeit des Waffenbesitzes auch der Anteil der Schuss­waffen an den Tötungswerkzeugen – bzw. der Anteil des Erschießens an den Begehungsar­ten – variiiert. Je größer der Schusswaffen-Anteil war, desto höher fiel in der fraglichen Region dann auch die absolute Zahl der vorsätzlichen Tötungen aus. Verglich man etwa Staaten oder Städte mit gleicher allgemeiner Kriminalitätsbelastung oder Gewaltkriminalität, aber un­terschiedlicher Verbreitung von Schusswaffen, dann war die Zahl der vorsätzlichen Tötungen in den schusswaffenreichen Regionen oder Städten regelmäßig drastisch höher als in den eher schusswaffenarmen. Bei diesem Vergleich war allerdings zu beachten, dass die Schusswaffendichte auch mit einer spezifischen Mentalität zusammenhängen dürfte, die wiederum gewalttätige Problemlösung begünstigen kann (vgl. Streng, Schusswaffen-Kriminalität, in: Kriminalistik 1977, 197 ff.).

    Es ist zu befürchten, dass der derzeitige Vorstoß von Präsident Obama, wenigstens die Verbreitung von militärischen Sturmgewehren und von Multilader-Magazinen mit mehr als zehn Schuss Kapazität einzudämmen, wenig effektiv sein wird. Unter politischem Aspekt fällt ins Gewicht, dass die National Rifle Association (NRA) ein außergewöhnlich einflussreicher Interessenverband ist, der erhebliche Unterstützung nicht nur in den Reihen der Republikaner fand und weiter findet. Zudem hat die Rechtsprechung des Supreme Court zum Second Amendment der amerikanischen Verfassung die Position der Waffenlobby in den letzten Jahren sehr gestärkt. Schnelle Erfolge im Sinne einer Umkehr dieser Entwicklung sind kaum zu erwarten. Denn das traditionell starke Misstrauen der Amerikaner gegenüber den Regierenden, von denen man sich nicht wehrlos machen lassen will, ist in den letzten Jahren nicht schwächer geworden. Zudem ist durch zusätzliche Verunsicherung in der Folge von Nine-Eleven, von wirtschaftlichem Abschwung und von starker Zuwanderung das Bedürfnis angewachsen, sich notfalls mit der Waffe in der Hand verteidigen zu können. Man kann aus europäischer Sicht diese neuere Variante des amerikanischen Pionier-Mythos „mit der Waffe in der Hand“ nur mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen.

    Schließlich ist auch die technische Seite der Medaille zu beachten. Unter den im Jahr 2011 in den USA als Mordwaffen genutzten 8.583 Schusswaffen waren 6.220 (= 72,5 Prozent) Faustfeuerwaffen (Pistolen und Revolver), deren Gefährlichkeit durch Obamas Vorstoß letztlich kaum tangiert wird. Denn das Verbot von Multilader-Magazinen kann leicht durch Mitführen mehrerer Ersatzmagazine ausgeglichen werden. Ein mögliches Verbot des Erwerbs von Sturmgewehren beträfe hingegen nur einen kleinen Teil der möglichen Tatkonstellationen. Immerhin würde eine Nutzung dieser äußerst gefährlichen automatischen Waffen bei Schul-Amokläufen erschwert. Ein noch deutlich effizienteres Verbot schon des Besitzes dürfte sich politisch aber von vorneherein nicht durchsetzen lassen.

    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Franz Streng
    Tel.: 09131/85-29280
    Kriminologie@jura.uni-erlangen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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