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19.09.2002 14:13

Forschung an Kindern

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Professor Löwenich wird in seinem Vortrag auf spezielle Probleme der Forschung an Kindern eingehen, aber auch besondere ethische Gesichtspunkte diskutieren, wie zum Beispiel die Frage nach der Autonomie des Patienten bei der Durchführung von Studien. Gerade diese sind teilweise stark umstritten

    98. Jahrestagung für Kinderheilkunde :

    Viele interessante Themen werden rund um die 98. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin derzeit in Leipzig besprochen. Der Vortrag 'Forschung an Kindern' von V.v. Löwenich, emeritierter Professor der Frankfurter Universität, spricht eine der am heftigsten diskutierten Kontroversen der modernen Medizin an. Professor Löwenich wird in seinem Vortrag auf spezielle Probleme der Forschung an Kindern eingehen, aber auch besondere ethische Gesichtspunkte diskutieren, wie zum Beispiel die Frage nach der Autonomie des Patienten bei der Durchführung von Studien. Gerade diese sind teilweise stark umstritten und werden auch weiterhin für genügend Diskussionsstoff in der medizinischen Fachwelt, aber auch in der Gesellschaft sorgen.

    Ein erstes Problem, wenn es um Forschung an Kindern geht, ist die Frage der Autonomie des Patienten. Der Grundsatz bei medizinischen Studien besagt generell, dass nur der teilnehmen darf, der selbst seine Zustimmung erteilt. Kinder sind mindestens bis zum Beginn des Schulalters nicht in der Lage, nach Aufklärung ihrer Einbeziehung in Studien zuzustimmen (informed consent). Bei kleinen Kindern können nur die Sorgeberechtigten zustimmen.

    Hält man sich streng an den Grundsatz, dass in medizinische Studien nur einbezogen werden darf, wer nach Aufklärung selbst zustimmt, dann sind Studien an Kindern ebenso wenig möglich wie Studien an Bewusstlosen oder Schwachsinnigen. Diese strenge, man darf sagen fundamentalistische, Auffassung wird gerade in Deutschland vielfach und z.T. leidenschaftlich geäussert. Dies hat dazu geführt, dass die sogenannte Bioethik-Konvention von Deutschland nicht unterzeichnet wurde.

    Bemerkenswerterweise haben die Verfechter eines strikten Verbotes der Forschung an nicht selbst Einwilligungsfähigen dabei geistig Behinderte und auch Bewusstlose im Auge, bemerkenswerterweise aber so gut wie nie Kinder. Von prominenter rechtsphilosophischer Seite wurde geäussert, man müsse in derartigen Situationen eben auf medizinischen Fortschritt verzichten.

    Ist dies aber unter ethischen Gesichtpunkten vertretbar? Darf man bestimmte Gruppen von Mitmenschen vom medizinischen Fortschritt ausschliessen? Ist es mit dem medizinischen Heilauftrag vereinbar, bestimmten Menschen schlechtere Heilungschancen zuzumuten, da die Beachtung ihrer Autonomie als das in diesem Zusammenhang höchste Rechtsgut angesehen wird? Und ist diese Auffassung von Respektierung menschlicher Autonomie überhaupt denkerisch richtig ?

    Das Kind ist kein kleiner Erwachsener, sondern weist Besonderheiten auf, die auch unterschiedlich zu diagnostizieren und zu behandeln sind. Es weist Besonderheiten auf, z.B. seines Stoffwechsels, seiner Verteilungsräume für Medikamente und seiner Eliminationsfähigkeit für verschiedenste Substanzen. Ein Kind ist ein wachsender und sich entwickelnder Organismus. Will man Kinder angemessen diagnostizieren und behandeln, dann kann man nicht von vorne herein mit Analogien zu Erwachsenen arbeiten, sondern braucht Wissen über die Besonderheiten bei Kindern, und nicht nur pauschal bei Kindern, sondern bei Kindern verschiedener Lebensalter. So gibt es in vieler Hinsicht erhebliche Unterschiede zwischen Neugeborenen, älteren Säuglingen und Kleinkindern.
    Ferner gibt es bei Kindern Krankheiten, die man bei Erwachsenen nicht kennt. Wie will man sie aber erforschen, wenn nicht am kranken Kind? Forschung an Kindern ist für Kinder also enorm wichtig. "Ohne immer neue sorgfältig geplante und penibel durchgeführte Studien wären z. B. die noch vor zweieinhalb Jahrzehnten für undenkbar gehaltenen Fortschritte der Krebsbehandlung bei Kindern nicht zustande gekommen.", erklärt Professor Löwenich.

    Die Probleme und Fragestellungen rund um das Thema 'Forschung an Kinder' lassen sich in Konventionen, Deklarationen oder auch Gesetzen festmachen. Aber genügt das? Wie die Erfahrungen aus der Zeit der NS-Medizin zeigen mit Sicherheit nicht. Es fehlte jede Fürsorge für den Probanden, ja sie war in diesen Zeiten geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Doch besonders die Fürsorge für den Patienten, in diesem Fall das Kind, sollte an vorderster Stelle stehen. Klaus Dörner hat in seinem Buch "Der gute Arzt" den Begriff der Fürsorge treffend definiert: "ich mache Deine Sorge zu meiner Sorge." Diese Fürsorge ist nicht gesetzlich verankert. Sie ist vielmehr ein ethisches Postulat von höchstem Rang.

    weitere Informationen: Prof. Volker von Löwenich
    E-Mail: Volker.von-Loewenich@kgu.de

    Adina Schultz


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-leipzig.de/~kikli/dgkj/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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