idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
11.06.2013 13:43

Das Ende der Verdrängung

Johannes Scholten Pressestelle
Philipps-Universität Marburg

    „Vor uns liegt eine bedeutende materielle und mentale Investition für Gegenwart und Zukunft“ – für den Publizisten Dr. h.c. Ralph Giordano ist „Die Rosenburg“, eine Bestandsaufnahme der NS-Vergangenheit des Bundesjustizministeriums (BMJ), „im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn ein wahres Schwergewicht“. Das Buch ist am Montag, dem 10. Juni 2013, in Beisein von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Berlin vorgestellt worden.

    Herausgeber sind der Marburger Strafrechtsprofessor Dr. Christoph Safferling und der Potsdamer Professor für Neuere Geschichte Dr. Manfred Görtemaker. Seit 2012 leiten sie gemeinsam die Unabhängige Wissenschaftliche Kommission beim BMJ zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit (UWK-BMJ). Die „Rosenburg“ war von 1950 bis 1973 der Bonner Sitz des Bundesjustizministeriums; im gleichnamigen Buch wird nun der Frage nach personellen Kontinuitäten beim Übergang vom „Dritten Reich“ zur Bundesrepublik Deutschland ebenso nachgegangen wie zentralen Themen der Rechtspolitik, zum Beispiel der Verfassungsentwicklung nach 1948/49, der Gesetzgebung in der NS-Zeit wie in der Bundesrepublik und auch der strafrechtlichen Aufarbeitung der NS-Justizverbrechen in der Nachkriegszeit.

    Von Anfang an wurde die Öffentlichkeit durch Symposien in den Prozess der Aufarbeitung miteinbezogen – damit sei ein Pfad beschritten worden, der vom Üblichen abweiche, betonte Leutheusser-Schnarrenberger bei der Buchpräsentation. Das Konzept des offenen Diskurses sei für alle Seiten von Vorteil; die Forscher hätten durch Reaktionen der Öffentlichkeit neue Impulse erhalten, sagte die Ministerin.

    „Wir suchen die Öffentlichkeit, wir suchen die politische Diskussion“, stimmte Safferling zu. Seinen Marburger Standort, fernab nicht nur vom Potsdamer Kollegen, sondern gerade auch vom Bundesjustizministerium, sieht er dabei nicht als Nachteil: „Ein bisschen Abstand von der Berliner Macht ist vielleicht auch nicht verkehrt.“ Safferling zieht aus der intensiven Beschäftigung mit der Geschichte der bundesdeutschen Justiz die Konsequenz, „radikale Aufklärung“ zu betreiben – vor allem gegenüber seinen Studierenden, da man als Wissenschaftler immer eine kritische Distanz zum Gesetzgeber wahren müsse.

    Das Projekt wird die Kommission weiter rund zwei Jahre lang beschäftigen. Zu den Fragen, die noch genauer untersucht werden müssen, gehört laut Mitherausgeber Görtemaker, welchen Einfluss die personelle Kontinuität auf die gesetzgeberische Arbeit in der Bundesrepublik hatte. Man wolle keine Einzelfälle heraussuchen, sondern sehr genau hinschauen, erklärte der Historiker.

    Eine solche Genauigkeit hätte sich der 90-jährige Giordano schon früher gewünscht. In seiner Rede zitierte er einen zentralen Satz aus „Die Rosenburg“: „Das westdeutsche Justizwesen ist in den drei Jahrzehnten nach dem Krieg in ganz erheblichem Maße von einstigen Parteigängern des NS-Regimes bestimmt worden.“ Ecksätze wie dieser, „die schnörkellos eine historische Schande beim Namen nennen“, hätten ihn veranlasst, die Aufgabe der Buchpräsentation zu übernehmen, denn er sei in dem Werk auf einen Ton gestoßen, auf den er lange vergeblich gehofft habe: „Konfrontation mit konkreten Handlungen; politische und moralische Unbestechlichkeit, innere Positionen, die unberührt sind vom Dunst der Täter- und Mittäterschaft – das Ende der Verdrängung.“
    (Pressetext: Sabine Best)

    Bibliografische Angaben:
    Manfred Görtemaker, Christoph Safferling (Hg.): Die Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Vergangenheit – eine Bestandsaufnahme, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht), 1. Auflage 2013, ISBN 978-3-525-30046-6, 373 Seiten, 49,99 Euro

    Weitere Informationen:
    Dr. Albrecht Kirschner / Florian Hansen, Geschäftsstelle der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit
    E-Mail: uwkbmj@staff.uni-marburg.de
    Internet: http://www.uwk-bmj.de
    Verlagsankündigung: http://www.v-r.de/de/title-0-0/die_rosenburg-1010833/


    Bilder

    Auf dem Podium im Berliner im Bundespresseamt (von links): Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger neben den Leitern der Kommission, Professor Dr. Manfred Görtemaker (Potsdam) und Professor Dr. Christoph Safferling (Marburg) sowie Ulrike Schermuly, Pressesprecherin des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht
    Auf dem Podium im Berliner im Bundespresseamt (von links): Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser ...
    (Foto: Habig/BMJ)
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geschichte / Archäologie, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Auf dem Podium im Berliner im Bundespresseamt (von links): Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger neben den Leitern der Kommission, Professor Dr. Manfred Görtemaker (Potsdam) und Professor Dr. Christoph Safferling (Marburg) sowie Ulrike Schermuly, Pressesprecherin des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).