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16.10.2002 10:55

Schulklasse ist der falsche Ort

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Sexualerziehung als regulärer Unterricht in der Schulklasse kann nicht erfolgreich sein. Professor Dr. Gerhard Glück vom Seminar für Pädagogik der Universität zu Köln bescheinigt in einer Bilanz der schulischen Sexualerziehung den bisher in den Schulen verfolgten Konzepten das Scheitern. Die Schulklasse als Zwangsgemeinschaft ist nach Ansicht des Kölner Pädagogen der falsche Ort für Sexualerziehung. Er fordert daher ein völlig neues Konzept des Sexualunterrichts.

    Schulklasse ist der falsche Ort
    Sexualerziehung kann nur in Kleingruppen erfolgreich sein

    Sexualerziehung als regulärer Unterricht in der Schulklasse kann nicht erfolgreich sein. Professor Dr. Gerhard Glück vom Seminar für Pädagogik der Universität zu Köln bescheinigt in einer Bilanz der schulischen Sexualerziehung den bisher in den Schulen verfolgten Konzepten das Scheitern. Die Schulklasse als Zwangsgemeinschaft ist nach Ansicht des Kölner Pädagogen der falsche Ort für Sexualerziehung. Er fordert daher ein völlig neues Konzept des Sexualunterrichts.

    Bis heute wird die im Zeitraum von 1968 bis 1974 von den damaligen Kultusministern beschlossene Verankerung der Sexualerziehung im regulären Unterricht nicht umgesetzt. Statt fächerübergreifender Sexualerziehung, wie sie im damaligen Beschluss empfohlen wurde, fließt die Aufklärung nur sporadisch in den Biologie- und den Religionsunterricht ein. Andere Fächer sind an der Umsetzung so gut wie nicht beteiligt. Und die Fragen, die Heranwachsende wirklich beschäftigen, wie Liebe, Freundschaft und die individuelle Annäherung an Sexualität, spielen weiterhin kaum eine Rolle. Eine Hinführung zu einer positiven Sexualität kann nach Auffassung des Pädagogen so ebensowenig gelingen wie eine Hilfestellung bei Problemen mit der sich entwickelnden Sexualität.

    Die Gründe für die gescheiterte schulische Sexualerziehung sieht Professor Glück zuallererst in der Fehlannahme, ein so heikles Thema könne zwangsverpflichtend behandelt werden. Sexualerziehung kann nach Ansicht des Pädagogen nur in frei gewählten Gruppen erfolgreich verlaufen, in denen die Schülerinnen und Schüler mit vertrauten Freunden und Klassenkameraden zusammen kommen. Der Unterricht soll dabei aus dem Schulalltag mit seinem Leistungsdruck ausgegliedert und von anderen Lehrkräften als den Fachlehrern der Schüler geleitet werden. Als Notengeber stellten diese eher Gegner als Vertrauenspersonen für die Schüler dar. Zum anderen sind deutsche Lehrer meist nicht ausreichend für die Sexualpädagogik ausgebildet. Es gibt nur wenige Weiterbildungsangebote in diesem Bereich und die vorhandenen behandeln hauptsächlich die Gefahrenthemen wie AIDS, Missbrauch und Verhütung. Die Gefahrenthemen stellen dann auch den primären Unterrichtsinhalt dar. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen ist zwar notwendig, darf aber, so Professor Glück, auf keinen Fall der Hauptaspekt einer Sexualerziehung sein, die Kinder und Jugendliche eigentlich auf ein gelungenes Sexualleben vorbereiten möchte.

    Kritisch sieht der Kölner Schulpädagoge auch das Fehlen eines verbindlichen Lehrplans für die Sexualerziehung. Es existieren für dieses Fach keine festen Stundenvorgaben, wie sie für jeden anderen Fachunterricht üblich sind. Auch wird die tatsächliche Umsetzung des Sexualunterrichts von den obersten Schulbehörden nicht kontrolliert. Solange der Status dieses so wichtigen Unterrichts so wenig geregelt ist, muss er in den Schulen zwangsläufig vernachlässigt werden, so der Pädagoge.

    Statt des unverbindlichen Konzepts einer fächerübergreifenden Sexualpädagogik schlägt Professor Glück die Einführung von Arbeitsgemeinschaften zu verschiedenen Themen aus dem Bereich "Beziehungen und Liebe, Sexualität und Sinnlichkeit" vor. Diese sollen vom Pflichtunterricht abgekoppelt und von den Schülern frei wählbar sein. Ausgebildete Sexualpädagogen, die die jeweiligen Schüler nicht in anderen Fächern unterrichten, sollen die AGs leiten. Die Schulen können dabei nach diesem Modell sowohl auf externe Fachkräfte zurück greifen als auch eigene Lehrerinnen und Lehrer zu Fachkräften fortbilden. Als zeitlichen Rahmen schlägt der Pädagoge drei kompakte Unterrichtseinheiten zu jeweils 10-15 Stunden in der Sekundarstufe I vor. Die rein biologische Aufklärung soll dabei ebenso wie die Prävention Gegenstand des Biologie-Unterrichts bleiben. Aufgabe der Sexualkunde-AGs ist es, ein geeignetes Forum für die Diskussion persönlicherer Fragen der Heranwachsenden zur Sexualität zu bieten.

    Schwierigkeiten bei der Anerkennung dieses neuen Konzepts in der Schulpädagogik deuten sich aber bereits an: Bei der Vorstellung seines Entwurfs vor den obersten Schulbehörden stieß Professor Glück zunächst auf Ablehnung. Wie im Gesetz fest gelegt müsse die Sexualerziehung nach Meinung der Zuständigen für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend und im allgemeinen Schulunterricht verankert bleiben - unabhängig davon, ob sie dann tatsächlich umgesetzt wird oder nicht.

    Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias

    Für Rückfragen steht Ihnen Professor Gerhard Glück unter der Telefonnummer 0221-470 4902, der Faxnummer 0221-470 5046 und der E-Mail-Adresse gerhard.glueck@uni-koeln.de zur Verfügung.
    Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web
    (http://www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/index.html).


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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