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22.10.2002 16:35

Beziehungsmuster entstehen bereits im Kindesalter

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Auf den Spuren von Sigmund Freud: Leipziger Psychotherapeutin forscht gemeinsam mit Ulmer Kollegen über Beziehungserfahrungen und legt Ergebnisse in Habilitationsarbeit vor.

    Von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, stammt die Erkenntnis, dass der Mensch durch die Erfahrungen in seiner Kindheit, die er bei der Erziehung durch die Eltern und andere vertraute Personen macht, geprägt wird. Die frühkindlich erworbenen Beziehungsmuster wiederholen sich unbewusst in späteren Beziehungen, unter Einbeziehung neuer Erlebnisse.

    Mitunter wirken sich die negativen Erfahrungen so gravierend auf den Menschen aus, dass er psychisch krank wird. Wie die Untersuchungen der Leipziger Psychotherapeutin Frau Dr. Cornelia Albani-Blaser gemeinsam mit ihren Ulmer Kollegen zeigten, steht die Schwere der seelischen Erkrankung in einem direkten Zusammenhang mit dem Ausmaß seiner negativen Beziehungserfahrungen. Das bedeutet: Patienten beschreiben ihre Beziehungsmuster um so negativer, je stärker beeinträchtigt sie sich selbst einschätzen und von ihren Therapeuten eingeschätzt werden.

    Die Klage über zwischenmenschliche Probleme stellt häufig die Ausgangssituation für eine Psychotherapie dar. Es ist Aufgabe der Psychotherapeuten, das Ausmaß einer seelischen Erkrankung zu erkennen. Auf dieser Grundlage kann dann eine gezielte Therapie durchgeführt werden. Wie bei jeder medizinischen Behandlung ist es auch für den Therapeuten wichtig, den Erfolg seiner Bemühungen zu prüfen. Nur so lässt sich die für den Patienten bestmögliche Therapie ermitteln. Wie aber lassen sich zwischenmenschliche Beziehungen messen?

    Eine Möglichkeit besteht darin, dass der Patient über einen Fragebogen, den er selbst ausfüllt, zu seinen Beziehungsstörungen befragt wird. Diese Selbstbeurteilung anhand von Fragebogen erlaubt aber lediglich summarische Einschätzungen von Beziehungsmustern, und oftmals besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Selbst- und Fremdwahrnehmung bezüglich des eigenen Verhaltens.

    Lester Luborsky, ein bedeutender amerikanischer Forscher auf dem Gebiet der Psychotherapie, hat für die Erfassung von Beziehungsmustern die Methode des "Zentralen Beziehungskonfliktthemas" (ZBKT) entwickelt. Im Unterschied zum Fragebogentest werden beim ZBKT-Verfahren Geschichten ausgewertet, in denen der Patient über seine Beziehungen zu anderen Personen berichtet. Erzählungen sind ein gutes Mittel, um Erfahrungen mitzuteilen und Erlebnisse, die sich beim Menschen besonders eingeprägt haben, kehren in solchen Beziehungsgeschichten immer wieder. Auf diese Weise wird erzählend, das heißt narrativ, ein Erlebnis verarbeitet, wobei unbewusst die Erlebnisse, die der Betroffene in seiner Kindheit erfahren hat, mit einfließen.

    Luborsky untersucht solche Beziehungsgeschichten anhand von 3 Fragen: 1. Was will der Erzähler von der anderen Person? 2. Wie reagiert die andere Person? 3. Wie reagiert wiederum der Erzähler? Um Beziehungsgeschichten verschiedener Menschen vergleichen zu können, entwickelte Luborsky eine Liste von Kategorien, denen die jeweils spezifischen Aussagen zugeordnet werden können. So sollte eine Standardisierung erreicht werden. Solche Kategorien zu entwickeln, ist eine komplizierte Aufgabe. Werden die Kategorien zu eng gefasst, besteht die Gefahr, dass wichtige Aussagen "unter den Tisch fallen". Ist die Einteilung nicht konkret genug, kann sie sehr verschieden ausgelegt werden. Je besser also eine Aussage einer Kategorie zugeordnet werden kann, um so konkreter lassen sich die Wünsche und Reaktionen eines Patienten beschreiben. Es ist das Verdienst der Leipziger und Ulmer Arbeitsgruppe um Prof. M. Geyer und Dr. Albani-Blaser (Leipzig) und Prof. H. Kächele und Dr. D. Pokorny (Ulm), diese Kategorien präzisiert zu haben, sodass nun eine sehr viel genauere Auswertung der Patientengeschichten möglich ist.

    Durch die Objektivierbarkeit der Aussagen ist es möglich zu beurteilen, wie sich die Beziehungsmuster der Patienten im Verlauf einer Psychotherapie verändern. Die Leipziger Forschergruppe verglich die Beziehungsmuster von Psychotherapiepatienten vor und nach deren stationärer Psychotherapie. Es zeigte sich, dass Patienten/Patientinnen am Ende einer stationären Psychotherapie ein höheres Maß an eigenen Handlungskompetenzen in Beziehungen beschreiben. Ihre eigenen Reaktionen sind nach der Behandlung von mehr Selbstkontrolle und weniger Enttäuschung geprägt. Veränderung durch eine Psychotherapie zeigt sich also darin, dass sich das erlebte Resultat von Interaktionen verändert. Das heißt, es scheint, dass eine veränderte Realitätsbewältigung möglich ist. Interaktionen werden anders verarbeitet und führen zu positiveren Beziehungserfahrungen.

    Bei der Frage, wie eine therapeutische Veränderung zustande kommt, spielt die Beziehung zwischen Therapeut und Patient eine wichtige Rolle. Die Anwendung der ZBKT-Methode ermöglicht eine sehr differenzierte Analyse der Beziehungsmuster mit spezifischen Beziehungspersonen - unter anderem auch mit dem Therapeuten. Die Untersuchungen von Dr. Albani-Blaser zeigten, dass sich in der therapeutischen Beziehung Aspekte der Beziehungserfahrungen mit den Bezugspersonen aus der Kindheit des Patienten wiederfinden, dass also frühere Beziehungserfahrungen auch gegenwärtige Beziehungen prägen. Aber es ließ sich auch nachweisen, dass Patienten in der therapeutischen Beziehung neue Beziehungserfahrungen machen.

    Die Ergebnisse der Untersuchungen über Beziehungsmuster wurden in der kürzlich verteidigten Habilitationsarbeit von Frau Dr. Albani-Blaser dargelegt.

    H.T.

    weitere Informationen: Dr. Cornelia Albani-Blaser
    Telefon: 0341 97 18 884


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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