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07.07.1998 00:00

Innenansichten aus den "Kraftwerken" der Zelle

Ulrike Nell Public Relations und Kommunikation
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main)

    Struktur und Dynamik eines Atmungsketten-Enzyms erstmals dargestellt

    Unter Beteiligung von Privatdozent Dr. Thomas A. Link vom Institut für Biochemie I des Universitätsklinikums Frankfurt bestimmten Wissenschaftler erstmals die vollständige Eiweißstruktur des sogenannten Cytochrom bc1-Komplexes. Dieses Enzym ist Bestandteil der Atmungskette in den Mitochondrien, einem Elektronentransportsystem, mit der Organismen die für die Zelle lebensnotwendige Energie herstellen. In der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins SCIENCE* beschreiben die Forscher eine Konformationsänderung des Cytochrom bc1-Komplexes, wie er für ein Redoxsystem dieser Art bisher nicht bekannt war.

    Über neunzig Prozent der benötigten Energie werden in den Zellen höherer Lebewesen von den Mitochondrien bereitgestellt, die daher auch als "Kraftwerke der Zelle" bezeichnet werden. Die Mitochondrien wandeln dabei die Energie, die aus der Oxidation von Nahrungsstoffen stammt, in Adenosintriphosphat (ATP), die "Währung" des Energieumsatzes, um. Diese Energieübertragung findet in der Atmungskette statt, so bezeichnet in Anlehnung an den physiologischen Prozeß der Atmung, bei der Sauerstoff verbraucht wird. In der Atmungskette übertragen mehrere Enzymkomplexe die Energie in Form von Elektronen auf Sauerstoff. Die bei dieser kontrolliert und stufenweise ablaufenden Knallgasreaktion freigesetzte Energie wird für die Bildung von ATP eingesetzt.

    Die Funktion der Enzyme der Atmungskette ist seit vielen Jahren Gegenstand intensiver Forschung. Vor drei Jahren wurde die erste Struktur eines Enzyms der Atmungskette, der Cytochrom c-Oxidase, die Elektronen auf Sauerstoff überträgt, zeitgleich von den Arbeitsgruppen um S. Yoshikawa (Japan) und Hartmut Michel (Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt) veröffentlicht.

    Jetzt wurde die Struktur des Cytochrom bc1-Komplexes aufgeklärt. Nachdem im letzten Jahr bereits eine Teilstruktur dieses Enzyms von den Arbeitsgruppen um C.-A. Yu (Stillwater, Oklahoma) und J. Deisenhofer (Dallas, Texas) beschrieben worden war, wurden in diesem Jahr vollständige Strukturen von der Gruppe von E.A. Berry und S.-H. Kim (Berkeley) sowie in einer Zusammenarbeit der Gruppen von S. Iwata (Uppsala) und B.K. Jap (Berkeley) unter Beteiligung von Thomas A. Link vom Universitätsklinikum Frankfurt publiziert*.

    Es zeigte sich, daß ein Teil des Proteins im Verlauf der Reaktion eine Drehung um fast 60 Grad durchführt. Ein solches Verhalten wurde für ein Redoxenzym bisher nicht beobachtet, obwohl Konformationsänderungen bei anderen Enzymen durchaus bekannt sind. Weiterhin ist in der von Iwata et al. beschriebenen Struktur ist zum ersten Mal zu erkennen, wie die Bindung der Vorläuferstufen der mitochondrialen Proteine an das Enzym erfolgt. Der Cytochrom bc1-Komplex ist nicht nur bei der Energiewandlung beteiligt, sondern auch bei der Reifung und dem Zusammenbau mitochondrialer Proteine.

    Die Untersuchung der Energiewandlung in Mitochondrien und Bakterien ist ein Schwerpunkt der biochemischen Forschung in Frankfurt, die unter anderem im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 472 "Molekulare Bioenergetik" von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt wird. An diesem SFB sind Wissenschaftler des Universitätsklinikums, des Biozentrums sowie des Max-Planck-Institutes für Biophysik beteiligt. Beim Menschen führen Defekte im System der mitochondrialen Atmungskette zum Krankheitsbild der mitochondrialen Myopathien, bei denen schwerste Funktionsstörungen der Muskeln beziehungsweise des Nervensystems auftreten.

    * Complete Structure of the 11-Subunit Bovine Mitochondrial Cytochrome bc1 Complex: A Bifunctional Mitochondrial Membrane Protein
    So Iwata, Joong W. Lee , Kengo Okada, John Kyongwon Lee, Momi Iwata, Bjarne Rasmussen, Thomas A. Link, S. Ramaswamy, Bing K. Jap
    Science Vol. 281, 3. Juli 1998, Seite 64 -71

    Weitere Auskünfte:
    Privatdozent Dr. Thomas A. Link, Institut für Biochemie I, Universitätsklinikum Frankfurt, Telefon 069/6301-6451


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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