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05.02.2003 00:00

Krebs oder Kinder -Pharmazeutin untersucht die Wirksamkeit von Estrogenen

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Fördert die tägliche Dosis Estrogen durch das Einnehmen der Antibaby-Pille das Wachsen von Krebszellen? Das mag sein, denn es gibt Krebszellen, die von diesem Hormon abhängig sind. Doch Estrogene haben auch ihre positive Wirkung und kommen deshalb in der medizinischen Therapie gezielt zum Einsatz: Sie senken den Cholesterinspiegel, schützen die Nerven im Gehirn und erhöhen die Festigkeit der Knochen. Eine Studie an der Freien Universität Berlin (FU) hat sich jetzt intensiv mit der Wirksamkeit von Estrogenen beschäftigt und herausgefunden, dass es strukturell sehr verschiedene Estrogene gibt. Manche Estrogene, die bisher in der pharmazeutischen Forschung keine Beachtung gefunden haben, eignen sich als Grundlage für die Entwicklung von Arzneimitteln mit einer spezifischeren Wirkung und einem geringeren Nebenwirkungsspektrum - auch in der Krebstherapie. Kathrin Keilitz erhielt für ihre Studie, die als Dissertation am Institut für Pharmazie entstand, den mit 5000 Euro dotierten Ernst-Reuter-Preis der Freien Universität Berlin.

    Estrogene gehören zur Klasse der weiblichen Sexualhormone, die für zahlreiche Effekte im Körper verantwortlich sind - positive wie negative. In der Therapie werden Estrogene beispielsweise in der Behandlung von Beschwerden in den Wechseljahren eingesetzt. Doch die dauerhafte Einnahme von Estrogenen - wie zum Beispiel durch Kontrazeptiva - ist nicht unbedenklich, denn die Hormone rufen auch unerwünschte Wirkungen hervor: Sie beschleunigen z.B. das Wachstum solcher Krebszellen, die von Estrogenen abhängig sind. Umso bedeutender ist es, estrogenwirksame Substanzen mit einer gewebespezifischen Wirkung zu entwickeln, die langfristig den pharmazeutischen Einsatz von bisher eingesetzten Estrogenen ersetzen.

    Estrogene vermitteln größtenteils ihre Wirkung über die Bindung an ein körpereigenes Makromolekül, den Estrogenrezeptor. Dieser geht mit estrogenwirksamen Substanzen unterschiedliche Wechselwirkungen ein. Einige dieser Substanzen weisen ein selektiveres Wirkungsspektrum auf als das körpereigene Estrogen und wirken zum Teil sogar diesem Estrogen entgegen (antiestrogene Wirkung).

    In ihrer Studie hat Kathrin Keilitz die Rezeptoraffinität und die estrogenrezeptorvermittelte Wirkung einer Vielzahl unterschiedlicher Verbindungen untersucht. Die Pharmazeutin hat die Verbindungen synthetisiert und zellbiologisch getestet und dadurch eine neue Klasse hormonell wirksamer Verbindungen entdeckt. Diese Verbindungen haben eine dreidimensionale Struktur, die sich grundlegend von der des körpereigenen Estrogens unterscheidet und die der Grund dafür ist, dass die Verbindungen anders mit dem Estrogenrezeptor interagieren. "Mit computergestützten Methoden konnten wir ein theoretisches Bindungsstellenmodell erstellen. Dieses Modell zeigt, dass die strukturell neuartigen Estrogene im Estrogenrezeptor anders verankert sind als das körpereigene Estrogen", sagt Kathrin Keilitz. Es sei deshalb zu erwarten, dass eine Weiterentwicklung dieser neuen Estrogene zu Arzneimitteln mit noch spezifischeren Wirkungen und einem geringeren Nebenwirkungsspektrum führen könne.

    In der Behandlung von Krebserkrankungen spielt die Chemotherapie eine bedeutende Rolle. Sie ist aber in der Regel mit schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden. Ein Ansatz, dem entgegenzuwirken, besteht darin, zellwachstumhemmende Zytostatika selektiv in Tumorzellen anzureichern. Da der Estrogenrezeptor das Wachstum hormonabhängiger Tumoren steuert, haben verschiedene Arbeitsgruppen - darunter Wissenschaftler der Freien Universität Berlin und der Universität Regensburg - versucht, ihn als Transporter für Zytostatika, insbesondere von Cisplatinderivaten, zu verwenden. "Dadurch soll eine selektivere Wirkung der Chemotherapie und gleichzeitig eine Abschwächung der unerwünschten Nebenwirkungen, wie z.B. Nieren- und Nervenschädigung oder Haarausfall, erzielt werden", sagt Keilitz. Anhand modifizierter Cisplatinverbindungen haben Wissenschaftler untersucht, ob diese Substanzen durch die Bindung an den Estrogenrezeptor gezielter in estrogenabhängigen Brustkrebszellen angereichert und in den Zellkern transportiert werden. "Die Platinverbindungen schädigen Tumorzellen, wenn sie ungebunden in der Zelle vorliegen", erklärt Kathrin Keilitz. "Sobald aber eine Bindung an den Estrogenrezeptor durch strukturell minimale Veränderungen der Substanzen ermöglicht wird, wirken die Platinverbindungen nicht mehr zellschädigend und sind somit nicht mehr als Chemotherapeutika einsetzbar."

    Ein weiteres Problem während der Tumortherapie ist die Resistenzentwicklung der Tumoren. Wissenschaftler suchen deshalb ständig nach neuen Substanzen. Eine interessante neue Wirkstoffklasse konnte Keilitz im Rahmen ihrer Studie erschließen: Kobaltverbindungen, die in der Chemotherapie bislang nicht angewendet werden. Die Pharmazeutin hat diese zunächst synthetisiert und auf ihre krebshemmende Wirkung analysiert. Zwei verschiedenen Tumorzelllinien haben gezeigt, dass diese Kobaltverbindungen zum Teil eine ausgesprochen hohe tumorzellschädigende Wirkung besitzen. "In Ihrer Wirkung übertrafen einzelne Vertreter dieser Verbindungsklasse die derzeit in der Therapie verwendeten Platinverbindungen", verkündet Kathrin Keilitz. Einige dieser Substanzen seien folglich mögliche Kandidaten für neue Arzneistoffe zur Krebstherapie. Präklinische Studien hierzu sind derzeit in der Planung.

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Dr. Kathrin Keilitz, Tel.: 0041 / 61 / 975 11 85, E-Mail: keilitz.kathrin@rcc.ch


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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