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06.08.1998 00:00

Disziplin des Brückenschlags: Interview mit Tropenmediziner

Bärbel Broer M. A. Stabsstelle Presse und Kommunikation
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

    Sommerzeit - Reisezeit. In die Urlaubsfreude mischt sich oft ein gewisses Unbehagen: Ist genügend Vorsorge gegen "exotische" gesundheitliche Risiken getroffen worden? Dr. Burkhard Rieke, Leiter der seit einem Jahr bestehenden Tropenmedizinischen Ambulanz der Heinrich-Heine-Universität, bietet in solchen Fällen kompetente Beratung an. Mehr Informationen über tropische Krankheiten und notwendigen Impfschutz scheinen auch bitter nötig: Immerhin stieg die Zahl der Malaria-Neuerkrankungen in Deutschland in den ersten Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 50 Prozent an. Die Pressestelle der Heinrich-Heine-Universität sprach mit dem Tropenmediziner.

    Pressestelle: Was sind die originären Aufgaben der Tropenmedizin?
    Dr. Rieke: Tropenmedizin ist nicht nur für den vielreisenden europäischen Manager oder Ferntouristen da, sondern dient auch dazu, die medizinische Versorgung in tropischen Ländern zu verbessern. Ich verstehe Tropenmedizin als Disziplin des Brückenschlags.
    Pressestelle: Noch befinden wir uns in der Reisehochsaison: Welche Beratung kann der Tropen-Urlauber in Anspruch nehmen?
    Dr. Rieke: Es gibt heute schon die Möglichkeit, sich Impfschutz-Empfehlungen faxen zu lassen oder im Internet abzurufen. Diese Angebote sind durchaus brauchbar. Beratung durch den tropenmedizinisch erfahrenen Arzt können sie jedoch nicht ersetzen - so müssen beispielsweise Unverträglichkeiten individuell geklärt werden.
    Pressestelle: Wie sieht die reisemedizinische Beratung in ihrer Ambulanz genau aus?
    Dr. Rieke: Meistens muß ich zunächst klarstellen, daß ich keine pauschalisierten Impfschutz-Empfehlungen geben kann, wenn ich nur das Land genannt bekomme. Denn die Risiken für den Rucksacktouristen, der durchs Hinterland oder sogar durch Sumpfgebiete reist, sind ganz andere, als die des First-Class-Hotelgastes, der sich nur am Pool aufhält. Wenn Reiseroute und -bedingungen genau feststehen, ist auch gezielter Impfschutz möglich. Ich verschreibe nur das Notwendigste, aber das geht nicht ohne ein individuelles Gespräch.
    Pressestelle: Welche allgemeinen Ratschläge können sie trotz dieser Einschränkung geben?
    Dr. Rieke: Als ersten Schritt empfehle ich allen Reisenden, ihren Basisimpfschutz aufzufrischen. Denn leider hat sich die Impfdisziplin gerade in den alten Bundesländern sehr verschlechtert. Bei den über 30jährigen ist höchstens die Hälfte ausreichend gegen Tetanus, Polio und Diphtherie geschützt. Dieser nachlässige Umgang mit ernsten Risiken ärgert mich - zumal diese Impfungen sogar kostenlos sind. Die Krankenkasse bezahlt sie. Die Impfungen gegen tropische Krankheiten dagegen kosten richtig Geld.
    Pressestelle: Sie haben Auslandsaufenthalte in Ghana hinter sich und nun steht ihnen ein Indien-Aufenthalt bevor. Wie sieht die Gesundheitsarbeit in solchen Ländern aus?
    Dr. Rieke: Hauptprobleme in den ländlichen Gebieten sind die fehlende Krankheitsprävention etwa durch sichere Wasserversorgung oder Latrinenbenutzung und der schlechte Zugang zu medizinischer Behandlung. Die nationalen Gesundheitsbudgets betragen vielleicht nur sieben bis zehn Dollar pro Kopf, von denen noch viel in der Hauptstadt hängenbleibt. So sind viele Krankenhäuser sehr schlecht ausgestattet, erhalten kaum Medikamente und die Mitarbeiter selten Gehälter. Das Resultat ist eine 10 bis 30mal höhere Kindersterblichkeit oder eine Lebenserwartung von vielleicht nur 50 Jahren.
    Pressestelle: Was werden Sie in Indien tun?
    Dr. Rieke: Ein funktionierendes kirchliches Krankenhaus dort hat sich entschlossen, die Sonographie einzuführen. Die erste Phase der Anwendung werde ich mitbegleiten.
    Pressestelle: Und was kann die westliche Medizin umgekehrt von den Tropenbewohnern lernen?
    Dr. Rieke: Bei meinen indischen Kollegen werde ich mich beispielsweise nach neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Lepra-Bekämpfung informieren. Daneben können wir speziell vom traditionellen Wissen über Heilpflanzen noch einiges lernen.
    Pressestelle: Welche Verbesserungen könnten sie sich für ihr Fach vorstellen?
    Dr. Rieke: Im Medizinstudium sollten schon frühzeitig die Inhalte der Tropenmedizin vermittelt werden - im Augenblick hat kaum die Hälfte aller deutschen Medizinstudenten Zugang zu solchem Wissen.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Sportwissenschaft
    überregional
    Forschungsprojekte, Personalia
    Deutsch


     

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