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21.03.2003 13:13

Aktueller Eingriff ins Umweltrecht

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Am 13. Juni soll in der Europäischen Union eine Einigung über die Richtlinie zur Umwelthaftung erzielt werden. Das ist die Absicht der amtierenden griechischen Ratspräsidentschaft. Doch noch prägen Unstimmigkeiten und Unklarheiten zwischen den 15 Mitgliedsländern die Debatte. Am 3. und 4. April widmet sich das 8. Leipziger Umweltrechts-Symposion dem Thema.

    Die 900 Prospekte, die das Institut für Umwelt- und Planungsrecht gedruckt hat, gehen zur Neige. Die Einladungen zum 8. Leipziger Umweltrechts-Symposion sind inzwischen an die "üblichen Verdächtigen" in den drei Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gegangen: Juristen, Vertreter aus kommunalen und Wirtschaftsverbänden, Rechtsberater, Wissenschaftler. "Wir rechnen mit etwa hundert Interessenten", erklärt Prof. Dr. Martin Oldiges. Der Geschäftsführende Direktor des Institutes erwartet die Tagung am 3./4. April mit Spannung: Mit dem Termin liegt das Symposion - wenn auch von den Leipziger Juristen eher unbeabsichtigt - noch vor der Verabschiedung der EG-Richtlinie über die Umwelthaftung. Die wird für den 13. Juni erwartet. An diesem Tag, an dem der zweite und letzte EU-Umweltrat unter der amtierenden griechischen Ratspräsidentschaft stattfindet, soll eine politische Übereinkunft erzielt werden.
    Die war im vorigen Jahr erwartet worden; in diesem Falle hätte sich das 8. Leipziger Umweltrechts-Symposion mit den Auswirkungen und Konsequenzen der neuen EU-Richtlinie für das deutsche Recht beschäftigt. Doch Auseinandersetzungen um Details und Interpretationen ließen den ursprünglichen Plan scheitern. Bereits seit dem Erscheinen des EU-Weißbuches im Februar 2000 steht das Thema "Umwelthaftung" offiziell in der Europäischen Union zur Debatte; zuvor liefen informelle Konsultationen über mehrere Jahre. Seit nunmehr einem Jahr liegt der Entwurf für die Richtlinie vor - jetzt müssen sich der Rat und das Parlament der EU über das Papier abstimmen. Für die Leipziger Tagung öffnet die Verzögerung ein neues Fenster: Statt die Folgen der EU-Richtlinie zur Umwelthaftung zu erörtern, rückt nun der laufende politische Diskurs ins Blickfeld. "Wir haben die Chance", unterstreicht Prof. Oldiges die neue Ausrichtung, "sowohl Alternativen zu erwägen als auch eigene Ideen einzubringen." Und sollte das Brüsseler Procedere noch über den Juni 2003 hinweg andauern, dann erreicht auch der Tagungsband - der in gewohnter Weise im Nomos-Verlag Baden-Baden erscheinen wird - ein hohes Maß an zeitlicher und praktischer Nähe zu den gegenwärtigen Verhandlungen in der EU. Bei der Tagung im April 2003 geht es im Kern um die Frage: Wie wirkt sich die kommende EU-Richtlinie auf die bisherigen nationalen Rechtssysteme zur Umwelthaftung, aber auch zum Umweltschutz aus? Zumal die Frage steht: Ist die Prävention mit der Umwelthaftung sinnvoller zu gewährleisten als mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen; oder ist es sinnvoller, bestimmte Kriterien und Regeln zu vereinbaren und deren Einhaltung zu schützen? Kurzum: Welchen Stellenwert kommt der Umwelthaftung im Gesamtzusammenhang des Umweltschutzes zu?
    Doch auch wenn die EU-Staaten im Grundsatz Einigkeit erzielt haben, dass das Prinzip der Umwelthaftung eingeführt werden soll, bleiben offene Punkte. Zum einen steht für die Mitgliedsstaaten die Abgleichung zwischen nationalem und EU-Recht an. Beispielsweise regelt in der Bundesrepublik derzeit das Umwelthaftungsgesetz die Haftung für individuelle Schäden; dies entspricht dem normalen zivilrechtlichen Schadensersatzrecht. Bei diesem Ansatz wird die Wiederherstellung des ungeschädigten Zustandes als öffentlich-rechtliche Pflicht angesehen: der Staat verlangt vom Schädiger, dass er den Schaden repariert -- sei es an individuellen Gütern und an Allgemeingütern. Dabei werden in Deutschland bislang Boden und Wasser geschützt. Aus Sicht des neuen EU-Rechts klafft hier eine Lücke: Die Umwelthaftungs-Richtlinie sieht vor, neben Boden und Wasser auch die biologische Vielfalt der Art zu schützen. Schäden in diesen drei Bereichen stünden nunmehr als Schäden am "Allgemeingut", als so genannte Öko- bzw. Umweltschäden unter juristischer Beurteilung. In diesem Sinne führt die EU-Richtlinie nach den Worten von Prof. Oldiges zu einem "Paradigmenwechsel": "Das neue Recht reicht viel weiter als die Ansätze, die es bisher auf nationaler Ebene gibt."
    Zum anderen sind eine Fülle an Detailfragen strittig. Einige dieser Themen greift Prof. Martin Oldiges exemplarisch auf. So muss die so genannte Naturalrestitution geklärt werden. Diese Form der Schadensersatzes zielt im Grundsatz darauf ab, die gestörte Umwelt wieder zu vitalisieren, zum Beispiel durch Ausgleichsleistungen oder aber auch durch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Sofern eine solche "Reparatur" dem natürlichen Prozess von 30 und mehr Jahren überlassen werden muss oder sofern ein irreparabler Schaden entstanden ist, stellen sich diffizile Probleme: Soll in einem solchen Falle der Schädiger unbelangt bleiben? Lautet die Antwort "Nein", ist zu entscheiden, dass eine andere Form des Schadensersatzes als die der Naturalrestitution zu leisten ist. Hier liegt der Gedanke an finanzielle Regelungen nahe, mit dem zugleich die Frage nach der monetären Bewertung von Umweltschäden und damit de facto von Umweltgütern auf die Tagesordnung rückt.
    Zudem wird auf dem Symposion die EU-Richtlinie unter verschiedenen praktischen Aspekten beleuchtet: So darf die Haftung ein Maß nicht überschreiten, damit weder die Versicherung des Risikos von Umweltschäden verhindert noch der Verursacher in die Insolvenz getrieben wird. Und es stellen sich Fragen wie die nach der Beseitigung von Schäden, sofern der Verursacher dazu nicht in der Lage ist. "Diese Probleme versuchen wir, zu beleuchten", betont Prof. Oldiges. Dazu sind nicht allein Wissenschaftler geladen. Die Runde wird ebenso von Referenten aus der anwaltlichen und gerichtlichen Praxis, aus der Versicherungs- und Mineralölwirtschaft sowie aus Behörden und Vereinen des Umweltschutzes geprägt.
    Daniela Weber

    Weitere Informationen: Prof. Martin Oldiges
    Telefon: 0341 97 35130
    E-Mail: upr@uni-leipzig.de
    Internet: www.uni-leipzig.de/upr


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Meer / Klima, Politik, Recht, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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