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31.03.2003 15:08

Genscher, Gorbatschow und ein Jubiläum

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Interview mit dem Dekan der Leipziger Juristenfakultät, Prof. Dr. Martin Oldiges, zur bevorstehenden Ehrenpromotion des früheren deutschen Außenministers, zu der Michail Gorbatschow die Laudatio hält.

    Herr Prof. Oldiges, Sie haben für die nächsten 6 Wochen zwei Termine in Ihrem Terminkalender dick angekreuzt...

    Prof. Oldiges: Angekreuzt, das ist wohl die höchst mögliche Form der Untertreibung. Als Dekan bin ich fast täglich damit befasst, dass unsere beiden herausragenden Veranstaltungen - die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Hans-Dietrich Genscher mit der Laudatio von Michail Gorbatschow am 6. Mai und die Feier anlässlich des 10. Jahrestages der Wiedererrichtung der Juristenfakultät an der Universität Leipzig am 25. April - zu einem guten Gelingen kommen.

    Zehnjähriges Bestehen - an einer fast 600-jährigen Universität ist das doch nicht unbedingt ein Großereignis...

    Prof. Oldiges: Lassen Sie mich zunächst aus persönlicher Sicht antworten. Als Gastprofessor aus Bielefeld, der seine erste Vorlesung drei Tage nach der Wiedervereinigung in Leipzig gehalten hat, und Mitglied der Gründungs- und Evaluierungskommissionen bin ich stolz darauf, dass wir es geschafft haben, die Kontinuität der Juristenausbildung hier zu wahren - trotz Auflösung der damaligen Sektion Rechtswissenschaft im Dezember 1990 durch die Landesregierung. Von den 18 Hochschullehrern, die sich einer fachlichen Prüfung stellten, haben wir neun für eine Übernahme empfohlen; nach Entscheidung der Personalkommission, die auf Verstrickung mit der alten Macht zu achten hatte, blieben dann noch drei übrig. Dabei muss gesagt werden, dass wir bei unseren Evaluierungen immer klar zum Ausdruck gebracht haben, dass nicht etwa das Vertreten von marxistischen Positionen oder eben nicht den Maßstab bildete, sondern allein der wissenschaftliche Gehalt.

    Jurisprudenz ist also eine Wissenschaft? Ich erkühne mich zu dieser Frage, weil dies genau der Gegenstand des Festvortrags ist...

    Prof. Oldiges: In der Tat wird der frühere Richter des Bundesverfassungsgerichtes Prof. Dr. Dieter Grimm, jetzt Rektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin, zu diesem Thema sprechen. Ich bin selbst gespannt, wie die Antwort ausfallen wird. Klar ist, dass die eine, oft zitierte skeptische Position von dem preußischen Staatsanwalt von Kirchmann vertreten wird, der 1849 gesagt hat, dass ein Federstrich des Gesetzgebers genügt, und schon werden ganze juristische Bibliotheken Makulatur. Andererseits kann man schon von Wissenschaftlichkeit sprechen, wenn unter dem Begriff der Dogmatik der Versuch unternommen wird, die Vielfalt der Rechtsnormen in Systeme zu bringen, um von dorther den Normengehalt zu erschließen und die Normen anwendungsfähig zu machen.
    Interessant ist die Fragestellung auch vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte, als zunächst die nationalsozialistische Ideologie und dann die sozialistische "in den Farben der DDR" die Rechtsprechung und Rechtslehre überlagerten.

    Nun zur Ehrenpromotion des deutschen Außenministers a. D. Wurde der nicht schon genügend geehrt...

    Prof. Oldiges: Insofern nein, weil erstens Hans-Dietrich Genscher bisher von keiner deutschen Fakultät mit einem Ehrendoktor geehrt wurde und weil zweitens die Leipziger Juristenfakultät gewissermaßen "zuständig" ist, hat er doch hier studiert und am 5. Oktober 1949 sein Referendarexamen bestanden. Entscheidend für diese Ehrung war für uns, dass er für die deutsche Wiedervereinigung eine gesicherte völkerrechtliche Grundlage geschaffen hat. Fakultät und Universität sind stolz darauf, dass einer ihrer Absolventen eine so bedeutende Rolle in der Geschichte unseres Vaterlandes gespielt hat. Dabei sonnen wir uns bei dieser oder anderer Gelegenheit nicht in dem Ruhme solcher bedeutenden Männer und Frauen, sondern verbinden mit ihnen eine Vorbildwirkung für Nachfolgende, der man am besten dient, indem man sie hervorhebt.
    Und natürlich ist es auch ein Ereignis für die Universität, dass sein Verhandlungspartner aus jener Umbruchszeit, der Vater von Perestroika und Glasnost, der in aller Welt geschätzte Michail Gorbatschow als Laudator gewonnen wurde, der seine Laudatio ganz persönlich halten will und deshalb unter das schlichte Motto "Hans-Dietrich Genscher" stellt.

    Mit Prof. Oldiges sprach
    Volker Schulte


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
    Deutsch


     

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