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06.05.2003 15:21

Verlust der Privatsphäre

Brigitte Nussbaum Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Münsterscher Rechtswissenschaftler zu Überwachung durch Polizei

    Die Digitalisierung von Festnetz- und Handy-Anschlüssen hat nicht nur für Nutzer und Anbieter ungeahnte neue Möglichkeiten ergeben. Auch die Polizei profitiert von den technischen Revolutionen, bislang allerdings noch immer im zwar nicht rechtsfreien, aber ungeordneten Rechtsraum. Dies beklagt der Strafrechtler Prof. Dr. Jürgen Welp von der Universität Münster, zu dessen Kernthemen die Strafprozessordnung gehört.

    Dort, in Paragraf 100a/100g, ist geregelt, wann die Polizei im Rahmen von Ermittlungen in die Intimsphäre der Bürger eingreifen und Telefonanrufe registrieren beziehungsweise abhören darf. Ein Katalog von Straftaten legt einen genauen Rahmen fest, innerhalb dessen Abhörmaßnahmen genehmigt werden. Während früher in Zeiten der elektro-mechanischen Stellgeräte nur Gebühren, aber nicht einzelne Verbindungsdaten abgefragt werden konnten, erlaubt die Digitalisierung seit rund zehn Jahren einen detaillierten Einzelnachweis. Praktisch sowohl für die Kunden als auch für die Anbieter, um mögliche Streitfälle zu klären, praktisch aber auch für die Polizei, die nun ein ganz neues Instrument der Strafverfolgung in die Hand bekommen hat. Allerdings können so nur jene Telefongespräche registriert werden, die ein Verdächtiger selbst von seinem Anschluss aus anruft.

    Um auch Anrufe zu überprüfen, werden mithilfe der "Zielwahl-Suche" alle Datensätze , das heißt, jedes einzelne Gespräch, das in Deutschland geführt wurde, mehrmals täglich daraufhin durchforstet, ob die Nummer des Verdächtigen angerufen wurde. "Da stellt sich natürlich die Frage der Verhältnismäßigkeit", so Welp, der das Fernmeldegeheimnis "völlig durchlöchert" sieht: "Die Intimsphäre geht völlig verloren, auf Seiten des Staates entsteht eine gewaltige Machtkonzentration, die die Vertraulichkeit des Mediums zerstört."

    Vollkommen unsystematisch geregelt ist die Frage, wer bei welchem Verdacht über welches Mittel abgehört werden darf. So nimmt der "Große Lauschangriff", das heißt, das Abhören der Wohnung mittels Mikrofonen, Geistliche, Parlamentarier, Strafverteidiger und Journalisten aus, die Zahl der Straftaten, auf Grund derer ein Lauschangriff genehmigt werden darf, ist relativ begrenzt. Deutlich weiter gefasst ist der Katalog bei der Überprüfung der Verbindungsdaten, hier sind lediglich Bagatelldelikte ausgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat erst kürzlich in diesem Bereich das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten ausgehebelt, indem es feststellte, dass deren Verbindungsdaten "bei schweren Straftaten" - ohne diese zu definieren - überprüft werden düften. Gesetzlich ungeregelt ist die inhaltliche Telefonüberwachung. Hiervon sind laut Bundesgerichtshof bislang nur Strafverteidiger ausgenommen. Bislang musste für eine Telefonüberwachung stets der Verdacht gegen eine bestimmte Person vorliegen. Neuartige Techniken erlauben es der Polizei, sämtliche Handygespräche in einem gewissen Umkreis abzuhören, sobald der Verdacht auf eine schwere Straftat vorliegt.

    Während bei dem bisherigen Vorgehen Daten genutzt werden, die bereits vorhanden sind, gehen die neuesten Vorstöße beispielsweise aus Bayern in Richtung Internet deutlich darüber hinaus. Die Registrierung aller Verbindungsdaten im Internet, wie gefordert, ist aber laut Welp nicht verfassungskonform: "Angesichts von Flatrates gibt es weder für Nutzer noch für den Provider einen Grund, die einzelnen Verbindungen aufzuzeichnen."


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Informationstechnik, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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