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09.05.2003 12:51

Botanischer Garten der Universität Münster wird 200 Jahre alt

Brigitte Nussbaum Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    "Mutwillige Knaben, Bettler und Herumstreicher" mussten außen vor bleiben, als 1803 Freiherr von Stein die Gründung eines Botanischen Gartens in Münster anregte. Für "anständige und sonette Bürger" aber sollten die Tore des Gartens offen stehen. Auch 200 Jahre nach seiner Gründung gehört der Botanische Garten der Westfälischen Wilhelms-Universität zu den großen Publikumsmagneten. Obwohl er im Lauf der Zeiten vielfach sein Gesicht gewandelt hat, hat er bis heute nichts von seiner Attraktivität eingebüßt. Zahlreiche Veranstaltungen, Ausstellungen und Führungen beleuchten in den nächsten Wochen Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Gartens. Offiziell eröffnet werden die Jubiläumsveranstaltungen mit einer Feierstunde am 13. Mai ab 11.15 Uhr im Hörsaal des Botanischen Instituts im Schlossgarten 3.

    Zur "Kenntnis fremder und ausländischer Bäume, Sträucher und Gewächse" und einer gründlichen Erklärung der Kräuterkunde sollte die Anlage dienen. Am 27. Oktober 1803 genehmigte die zuständige Königlich-Preußische Commission vorläufig die Anlage des Gartens und beauftragte mit der Planung den Mediziner Prof. Dr. Franz Wernekinck, der an der Medizinischen Fakultät der Universität Münsterden Lehrstuhl für Naturwissenschaften inne hatte. Der ursprünglich barocke Schlossgarten innerhalb der Gräfte wurde fast vollständig für den Botanischen Garten zur Verfügung gestellt. Alte Pläne lassen vermuten, dass sich dieser früher bis zur Westseite des Schlosses erstreckte, wo heute nur noch Rasen zu finden ist.

    Am 5. November 1803 wurde der erste Spatenstich ausgeführt. 938 Karren Modder und viele Dutzend Fuder an Pferde- und Kuhmist wurden herangekarrt, um den Boden zu verbessern. Neben Gewächshäusern wurden vier zentrale Bereiche eingerichtet: eine "Botanische Partie", die "Ökonomisch Technologische Partie", die "Medicinal Partie" und das "Arboretum".

    Doch der Ausbau des Gartens mit seinen Gewächshäusern und später sogar einem Aquarium verlief nur schleppend. Denn die preußische Administration bevorzugte den Botanischen Garten in Berlin. Um die desolate Finanzsituation zu verbessern, setzte man auf den Verkauf von Pflanzen, Sträuchern und Obstbäumen. Der daraus entstehende Handel hatte über viele Jahrzehnte Bestand. Darüber hinaus wurden Stellplätze in den Gewächshäusern in den Wintermonaten an Privatpersonen vermietet, anfangs nicht genutzte Gartenparzellen kurzzeitig verpachtet und Buschen, gebündeltes Knüppel- oder Astholz, verkauft.

    Zwar sollte der Garten vor allem ein reichhaltiges Repertoire an "ausländischen" Pflanzen zeigen, doch Wernekincks Interesse galt der Erforschung der westfälischen Flora. 1818, nachdem die Universität zur Akademischen Lehranstalt zurückgestuft und der Botanische Garten der Philosophischen Fakultät zugeordnet wurde, änderten sich die Schwerpunkte. Von den fremdländischen Pflanzen sollten nur jene behalten werden, die für die Vorlesungen der Chirurgen und Tierärzte erforderlich waren beziehungsweise jene Merkmale aufwiesen, die zur Erklärung der Terminologie gebraucht wurden und die einheimischen Pflanzen fehlten. Nicht mehr spezifisch wissenschaftlichen Zwecken, sondern vor allem dem Anschauungsunterricht für Mediziner diente der Garten nun.

    Mit seinen Vorstellungen nahm Prof. Wernekinck teilweise die heutige Struktur des Gartens vorweg: "Ein wesentlicher Punkt scheint nämlich zu sein, dass die Pflanzen, sei's nun in Samen oder Setzlingen, wo es immer nur möglich aus der freien Natur in den Garten gebracht werden, damit alles rein und ursprünglich zusammentrete." Heute wachsen Heide mit Moor, ein Alpinum, der Mittelmeergarten auf jenen Böden, die der natürlichen Vegetation entsprechen, wachsen jene Pflanzen zusammen, die auch in der freien Natur anzutreffen sind.

    Doch der Weg dahin war weit. 1826 übernahm der Jurist Prof. Dr. Clemens Maria Franz Freiherr von Bönninghausen die Leitung des Botanischen Gartens. Ein ausgeprägtes Interesse für die Botanik und intensive floristische Studien qualifizierten ihn für die Aufgabe. Vor allem den Pflanzen Westfalens galt sein Interesse, über sie veröffentlichte er das erste grundlegende Werk.

    Mit Prof. Dr. Theodor Nitschke übernahm 1867 erstmals ein Botaniker die Leitung des Gartens. In sein Direktorat fallen der Neubau des Palmenhauses und vor allem die Anlage der Insel im Teich. Er konnte darüber hinaus durchsetzen, dass "im hiesigen königlichen Garten ferner weder Pflanzen noch Blumenbouquets verkauft werden durften" - dadurch verlor die münstersche Blumengilde einen lästigen Konkurrenten. Nitschke war es auch, der den Botanischen Garten in seine Lehrveranstaltungen einband und anregte, ein Lehrgebäude zu errichten. Verwirklicht wurde es unter Prof. Dr. Oskar Brefeld, der die Pilzforschung ausbaute und das Institut zum damaligen Zentrum der mykologischen Forschung machte. Erstmals wurden auch Pflanzenkrankheiten vorgeführt.

    Wissenschaftlichen Weltruhm brachte ab 1909 Prof. Dr. Carl Correns nach Münster mit, der zu den Wiederentdeckern der Mendel'schen Gesetze gehört. Für seine genetischen Untersuchungen wurden viele Rasenflächen in Versuchsbeete umgewandelt. Erstmals wurde der Garten damit für wissenschaftliche Untersuchungen verwendet, auch wenn Correns beklagte, dass er zwar schön, aber zu klein für seine Zwecke sei. Fünf Jahre später folgte Correns dem Ruf als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Institutes für Biologie nach Berlin.

    Der Erste Weltkrieg hinterließ auch im Botanischen Garten seine Spuren. Die Orangerie wurde während der Sommermonate in eine Trinkhalle für erholungsbedürftige Soldaten umgewandelt und auch von den Bürgern Münsters genutzt. Durch den regen Publikumsverkehr und gelegentliche Kurkonzerte wurden der Lehr- und Gartenbetrieb erheblich gestört. Im Garten wurde eine neue Abteilung "wild wachsende Pflanzen" angelegt, um die wenig bekannten Gemüsepflanzen von Weg- und Wiesenrändern einzuführen und ihre Nutzung anzuregen.

    Erst Ende der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erholte sich der Botanische Garten von den Folgen des Krieges, viele Gewächshäuser konnten saniert werden. Der Neubau des Palmenhauses allerdings verzögerte sich, denn der Provinzialkonservator von Westfalen regte an, den Botanischen Garten an eine andere Stelle zu verlagern: "Man wird sich der Verschandelung des Schlossgartens besonders dann bewusst, wenn man daran denkt, wie er einst angelegt war (...) Stattdessen jetzt die verwirrende Wegführung und die ungeregelte, den Hauptblick versperrende Bepflanzung, ganz zu schweigen von den hässlichen Schuppen und Gewächshäusern, die jeder Ehrfurcht vor dem prachtvollen Denkmal westfälischer Barockkunst spotten".

    Der Zweite Weltkrieg beendete die Diskussion um den Standort. Das Botanische Institut wurde am 18. November 1944 durch eine Luftmine völlig zerstört, die Glasabdeckung der Gewächshäuser und die Heizungsrohre durch Bombensplitter zerschlagen, Bäume und Sträucher herausgerissen. Noch heute zeigt der atypische Wuchs mancher Bäume, dass sie damals verwundet wurden, denn durch die Kappung der Krone verzweigen sich die Äste heute stärker als normal. Fast alle Warmhauspflanzen starben ab, weil die Gewächshäuser nicht mehr geheizt werden konnten. Glücklicherweise konnten viele Setzlinge gerettet werden.

    Vom alten Baumbestand zeugen unter anderem noch immer die Blutbuche hinter dem Teich von 1855 und eine Winterlinde im Eingangsbereich rechts des Weges, gepflanzt 1795. Ansonsten hat sich das Gesicht des Gartens in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Themenbereiche zeigen die Pflanzen in ihren natürlichen Lebensräumen. Naturnah bedeutet, dass auch die Eingriffe des Menschen nachvollzogen werden wie im Kalk-Buchenwald, der durch Beweidung zum Kalk-Mager-Rasen wird. Der erst im vergangenen Jahr eröffnete Zentralbereich vermittelt Einblicke in die Verwandtschaftsverhältnisse der Pflanzen, die Pelargonien-Sammlung, im Volksmund als Geranien bekannt, ist in ihrer Vollständigkeit fast einmalig. Sie wurde über Jahrzehnte hinweg vom wissenschaftlichen Leiter des Gartens, Prof. Dr. Focke Albers, zusammengetragen.

    Rund 35000 Besucher, so schätzt Gartenleiter Herbert Voigt, kommen jedes Jahr in den Botanischen Garten, lassen sich beraten oder genießen einfach nur "das grüne Herz der Universität", einst angelegt auch zur "Erholung und Vergnügen des Publikums und zur fröhlichen Ergötzung".


    Bilder

    Zum Jubiläum enstand diese Radierung von Andreas Raub mit dem Wahrzeichen des Botanischen Gartens, dem westfälischen Veilchen.
    Zum Jubiläum enstand diese Radierung von Andreas Raub mit dem Wahrzeichen des Botanischen Gartens, d ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geschichte / Archäologie, Informationstechnik
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Studium und Lehre
    Deutsch


     

    Zum Jubiläum enstand diese Radierung von Andreas Raub mit dem Wahrzeichen des Botanischen Gartens, dem westfälischen Veilchen.


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