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25.09.2015 10:52

Geringqualifizierte ArbeitnehmerInnen mit Migrationshintergrund haben Einkommensvorteile

Gabriele Rutzen Presse und Kommunikation
Universität zu Köln

    Geringqualifizierte ArbeitnehmerInnen mit Migrationshintergrund haben Einkommensvorteile

    Sie werden oft als Integrationsversager und gesellschaftliche Verlierer dargestellt, eine neue Studie der Universität zu Köln zeigt jedoch: Migranten mit geringer beruflicher Qualifikation haben oft ein höheres Einkommen als gleich-qualifizierte Arbeitnehmer ohne Migrationshintergrund. Sie arbeiten besonders häufig in Berufen, für die sie formal nicht ausgebildet sind. „Arbeitgeber schätzen Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund als besonders ehrgeizig, belastbar und verlässlich“ schließt Merlin Schaeffer, Professor für Demographie und soziale Ungleichheit am Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der WiSo-Fakultät der Universität zu Köln.

    Gemeinsam mit Jutta Höhne (Referatsleiterin am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut – Hans Böckler Stiftung) und Céline Teney (Professorin für Soziologie an der Universität Bremen) verglich Merlin Schaeffer anhand der Daten des Mikrozensus 2005-2011 die Einkommen von Einheimischen mit denen von Migranten, die in Deutschland die Schule besucht haben. Damit die Ergebnisse wirklich vergleichbar sind, untersuchten sie nur jenen Teil des Einkommens, der statistisch weder auf individuelle Eigenschaften wie etwa Alter, Geschlecht und Familienstand, noch auf das regionale Lohnniveau und eine Reihe weiterer arbeitsmarktrelevanter Bedingungen zurückgeführt werden kann.

    Die Studie belegt deutliche Einkommensvorteile für geringqualifizierte Frauen und Männer mit Migrationshintergrund, insbesondere für Gruppen mit typischerweise bildungsfernen Herkunftsfamilien. So verdienen in Deutschland geborene Schulabbrecher mit türkischem Hintergrund den statistischen Modellen der Wissenschaftler zufolge ungefähr 2,20 Euro mehr pro Stunde als Einheimische ohne Schulabschluss. Sie verdienen mehr, weil sie Tätigkeiten ausüben, die eigentlich ein höheres Bildungsniveau verlangen, etwa als Maschinenführer, Anlagenbediener oder Baugeräteführer. Für Menschen mit italienischem und griechischem Hintergrund fallen die Ergebnisse ähnlich aus. Geringqualifizierte ohne Migrationshintergrund schaffen den Schritt in anspruchsvollere Beschäftigung hingegen nur selten.

    „Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass das Potential der in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Debatte unterschätzt wird“, so das Fazit von Merlin Schaeffer. „Gerade Schulabbrecher leisten oftmals weit mehr als ihnen allgemein zugetraut wird.“

    Die Befunde der drei Soziologen erklären sich vor dem Hintergrund der Forschung zu Bildungserfolgen von Kindern mit Migrationshintergrund: „Die Kinder von Einwanderern setzen sich trotz ihrer weniger guten schulischen Leistungen hohe Bildungsziele und sind ausgesprochen motiviert, ihren sozialen Status zu verbessern“, erklärt Merlin Schaeffer. Einwanderer sind überdurchschnittlich ehrgeizig, willensstark und ambitioniert. Wer die Auswanderung in ein anderes Land auf sich nimmt, tut dies meist mit dem festen Vorsatz, sich ein besseres Leben aufzubauen. Die Ambitionen der eingewanderten Eltern spiegeln sich in den hochgesteckten Zielen ihrer Kinder wider. Zugleich können Einwanderer ihren Kindern jedoch häufig nicht genügend bei den Hausaufgaben und bei der Entscheidung über die Schullaufbahn zur Seite stehen, weil es ihnen selbst an Sprachkenntnissen, Bildung und materiellen Ressourcen fehlt und ihnen das deutsche Schulsystem nicht vertraut ist.

    Aufgrund dieser Benachteiligung können die Kindern von Einwanderern oft nicht die Bildungszertifikate erwerben, die ihren hohen Ambitionen, ihrem Fleiß und ihrem Durchhaltevermögen entsprechen würden. Die formalen Zeugnisse von geringqualifizierten Migranten sind also weniger Ausdruck von fehlender Leistungsbereitschaft oder Unzuverlässigkeit als jene von Geringqualifizierten ohne Migrationshintergrund.
    Ein Land, das wie Deutschland mitten im demographischen Wandel steht und zunehmendem Fachkräftemangel begegnen muss, sollte den Ergebnissen zufolge bessere Voraussetzungen schaffen, um die Potentiale von Kindern mit Migrationshintergrund frühzeitig zu erkennen und Benachteiligungen im Bildungssystem entgegenzuwirken.

    Die Studie ist im European Sociological Review erschienen:
    Income Advantages of Poorly Qualified Immigrant Minorities: Why School Dropouts of Turkish Origin Earn More in Germany
    Merlin Schaeffer; Jutta Hohne; Celine Teney
    European Sociological Review 2015;
    doi: 10.1093/esr/jcv091
    http://esr.oxfordjournals.org/cgi/reprint/jcv091?
    ijkey=GDAfFZLkygI1rgs&keytype=ref

    Bei Rückfragen: Professor Dr. Merlin Schaeffer
    0221/470-89160
    schaeffer@wiso.uni-koeln.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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