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06.06.2003 11:15

Rolle der Kirchen bei der europäischen Integration

Brigitte Nussbaum Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Theologen der Universität Münster beteiligen sich an EU-Projekt

    Eindrucksvoll bewies die ostdeutsche evangelische Kirche während der Zeit der Wende in der DDR, dass sie - obwohl zahlenmäßig klein - zu den wichtigen Machtfaktoren im Land gehörte. So bot beispielsweise die Leipziger Nikolaikirche Oppositionellen jenes Dach, unter dem sie ihre Proteste äußern konnten. Auch in säkularisierten Staaten haben Kirchen noch immer einen gewichtigen Einfluss. Wie groß dieser ist und welche Rolle die Kirchen beim Prozess der europäischen Integration spielten und spielen können, untersucht ein internationales Forschungsprojekt mit Wissenschaftlern aus Helsinki, Glasgow, Lund, Tartu und Münster. Nach Westfalen fließen insgesamt 190.000 Euro für drei Jahre an das Ökumenische Institut der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.

    Prof. Dr. Thomas Bremer und sein Doktorand Heiko Overmeyer konzentrieren sich dabei auf die ökumenischen Dialoge, die während des Kalten Krieges zwischen der westdeutschen Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) in der Sowjetunion sowie dem Bund der evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) und der ROK zu Stande kamen. Alle zwei bis drei Jahre kam es zu Treffen, an denen Kirchenführer, Theologen und Professoren teilnahmen. Die Delegationen diskutierten theologische Grundlagen für politische Fragestellungen und einigten sich zum Abschluss auf ein gemeinsames Kommuniqué.

    Von besonderer Bedeutung ist für Bremer und Overmeyer die Frage der Friedensethik. Ab Mitte der 70er Jahre wurden Modelle entwickelt, die auf diesem Gebiet Annäherungen der Kirchen in Ost- und Westdeutschland zeigten; gleichzeitig wurden aber auch Unterschiede deutlich. Einig war man sich unter dem Schlagwort "Sicherheit ist unteilbar", dass Sicherheit nur durch weltweite Kooperation auch zwischen den unterschiedlichen politischen Systemen erreicht werden konnte. Das Konzept "Erziehung zum Frieden" als vielleicht wichtigste friedensethische Handlungsoption zumindest des BEK stellte diesen in Opposition zur staatlichen Doktrin der Wehrerziehung. Die Nachrüstungsdebatte beherrschte in den 80ern die Diskussion. Während der BEK schon jede Form der Abschreckung als Sünde einstufte, bezog die EKD eine differenzierte Position: In bestimmten Situationen könne die Drohung mit Atomwaffen zulässig sein.

    "Gerade für die BEK war der Dialog mit der ROK eine hervorragende Gelegenheit, sich mit der Rolle als Kirche in einer sozialistischen Gesellschaft auseinander zu setzen", so Bremer. Im Vergleich zeigte sich, dass die Kirchen in der DDR mehr Freiheiten hatten als in der Sowjetunion. So wurde die evangelische Kirche in der DDR zum Sammelpunkt für jene, die Frieden und Menschenrechte in Bezug auf die eigene Gesellschaft thematisieren wollten.

    Welche Rolle der Staat bei diesen Dialogen spielte, ist bis heute nicht geklärt. "Sicher hat es Versuche der Einflussnahme gegeben, Zeitzeugen bestätigen uns, dass es ihnen nicht möglich war, alles offen auszusprechen", so Overmeyer. "Dennoch nehmen wenigstens die deutschen Zeitzeugen für sich in Anspruch, so gesprochen zu haben, wie es ihrer Haltung entsprach." Und so sei nicht ausgeschlossen, dass die Dialoge den Kirchen viele wichtige Impulse gegeben haben.

    Aus den damaligen Positionen wollen die Wissenschaftler erforschen, welchen Einfluss die Kirchen auf die europäische Integration genommen haben und nehmen könnten. Denn die Palette ist breit gefächert: vom absoluten Laizismus in Frankreich über Kooperationen wie in Deutschland bis hin zu staatskirchlichen Systemen etwa in Skandinavien. Die Kirchen könnten im Prozess des Zusammenwachsens als Vermittler ethischer Werte eines gemeinsamen Europas dienen - so sie sich denn auf diesen Prozess einlassen. Das Beispiel Rumänien, wo sich alle Kirchen für eine Erweiterung der EU einsetzen, ist dafür ein positives Beispiel.


    Weitere Informationen:

    http://fb02.uni-muenster.de/fb02/oekfried/frameset.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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