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17.03.2016 09:46

Wenn ChemikerInnen Lego spielen

Stephan Brodicky Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Neue ökonomische Wirkstoffsynthesen durch Kombination von organischer und theoretischer Chemie

    Stickstoffhaltige Verbindungen sind von großem Wert für die pharmazeutische und agrochemische Industrie sowie die Materialwissenschaft. Einem interdisziplinären Team um Nuno Maulide und Leticia González von der Fakultät für Chemie ist es gelungen, verschiedene Produktklassen dieser so genannten Heterozyklen durch modulare Kombination einfacher Bausteine – wie einzelne Legosteine – selektiv herzustellen. Die neue Methode erzeugt keine unerwünschten Nebenprodukte und benötigt nur einen simplen, billigen Katalysator. Die Studie erscheint aktuell in Nature Communications.

    Zyklische organische Stickstoff-Verbindungen, so genannte Heterozyklen, sind eine große Verbindungsklasse mit außergewöhnlich diversen Anwendungsgebieten. Fast jedes zweite Medikament, das für die klinische Anwendung zugelassen wird, enthält dieses grundlegende Strukturmotiv. "Sogar die Basen in unserer DNS, dem genetischen Code aller Lebewesen, gehören zu den stickstoffhaltigen Heterozyklen. Sie spielen also eine wichtige Rolle in der organischen Chemie", erklärt der organische Chemiker Nuno Maulide, Leiter der Studie. Seine Arbeitsgruppe hat in Zusammenarbeit mit der theoretischen Chemikerin Leticia González und ihrem Team eine allgemeine und besonders einfache Methode entwickelt, um eine große Anzahl verschiedener Heterozyklen zu synthetisieren.

    "Wir haben nach einem Weg gesucht, wie wir zwei oder drei Reaktanden modular zusammenfügen können. Man kann sich das so vorstellen, als ob sich einzelne Menschen händehaltend in geometrischen Formen aufstellen – in unserem Fall als Hexagon", sagt Nuno Maulide. Reaktionen, die so ablaufen, nennt man Cycloadditionen: Sie sind in der Lage, in einfachen Schritten zu einer dramatischen Steigerung der molekularen Komplexität zu führen, was die entstehenden Produkte so wertvoll macht. “Aber es gibt beim Design solcher Reaktionen auch viele Probleme”, gibt Nuno Maulide zu bedenken. So wie man auch bei einer ringförmigen Menschenkette verschiedene Resultate haben kann, abhängig davon, ob die Menschen (A, B, C) alle in eine Richtung oder teilweise nach innen oder nach außen blicken. Wenn man diese Analogie auf Moleküle erweitert, gibt es natürlich Millionen Moleküle A, Millionen Moleküle B und Millionen Moleküle C, die alle miteinander reagieren können. "Es bedarf einiges an Entwicklung und Design, unliebsame Kombinationen wie A-A-B, A-A-C, B-C-C, und so weiter zu eliminieren. Wenn die Chemie doch bloß einfach wäre!", sagt der portugiesische Chemiker mit einem Lächeln.

    Die Theorie gibt die Antwort

    Um den Einfluss verschiedener Faktoren auf den Reaktionsablauf besser zu verstehen, wurden die Reaktionsverläufe mit Methoden der Quantenchemie simuliert. Dabei wird versucht, mittels Computersimulationen wertvolle Informationen über den Verlauf der Reaktionen zu gewinnen, mit deren Hilfe die Arbeit im Labor in eine bestimmte Richtung gelenkt werden kann. Das Geheimnis des untersuchten Prozesses liegt in der sequentiellen Aktivierung der einzelnen Reaktanden, die jeweils eine hochenergetische Zwischenstufe generieren. "Es sind genau diese Zwischenstufen, die man nicht sehen, am Computer aber rechnen kann", sagt Leticia González, seit 2011 Theoretische Chemikerin an der Universität Wien. "Und genau die Zwischenstufen sind von entscheidender Bedeutung. Jede einzelne bestimmt in weiterer Folgen den restlichen Prozess. Es ist fast so, als würden die Reaktionspartner vom Vorgängerprozess einzeln in der richtigen Reihenfolge aufgerufen werden", erklärt die aus Madrid stammende Chemikerin.

    Der Bonus der Selektivität

    Mit den Informationen aus der Theoretischen Chemie war es den PraktikerInnen aus dem Team um Nuno Maulide möglich, den Katalysezyklus bei der Synthese einer bestimmten Klasse von Heterozyklen, den Isochinolinen, zu perfektionieren.

    "Überraschenderweise war es möglich, durch nur kleine, gezielte Veränderungen der Reaktionsbedingungen von ein und demselben Reaktanden zu unterschiedlichen Produkten zu kommen. Mit den Bausteine A, B und C konnten wir statt der Sequenz A-B-C auch beliebig die Sequenz A-B-B herstellen. Das ermöglichte uns, auch so genannte Pyrimidine herzustellen – einfach durch die Wahl anderer Rahmenbedingungen", sagt Maulide. Dieses Konzept der "Chemoselektivität" ist das Markenzeichen hocheffizienter und praktikabler chemischer Reaktionen.

    Die Reaktion, die Maulide und González entdeckt haben, benötigt keine Schwermetallkatalysatoren, erzeugt keine unerwünschten Nebenprodukte (Stichwort “Atomökonomie”, das Konzept nach dem alle Atome der Ausgangsmaterialien auch im Produkt enthalten sind) und ist ein weiterer Schritt zu einer umweltfreundlichen Synthesechemie. Durch die Kombination der experimentellen mit der theoretischen Chemie ist uns ein immenser Vorteil entstanden, der diese Entdeckung auszeichnet", freuen sich González und Maulide.

    Publikation in "Nature communications"
    "Metal-free intermolecular formal cycloadditions enable an orthogonal access to nitrogen heterocycles": Lan-Gui Xie, Supaporn Niyomchon, Antonio J. Mota, Leticia Gonzalez and Nuno Maulide
    Nature Communications 2016.
    DOI: 10.1038/NCOMMS10914

    Wissenschaftliche Kontakte
    Univ.-Prof. Dr. Nuno Maulide
    Institut für Organische Chemie
    Universität Wien
    1090 Wien, Währinger Straße 38
    T +43-1-4277-521 55
    M +43-664-602 77-521 55
    nuno.maulide@univie.ac.at

    Univ.-Prof. Dr. Leticia Gonzalez
    Institut für Theoretische Chemie
    Universität Wien
    1090 Wien, Währinger Straße 17
    T +43-1-4277-527 50
    M +43-664-602 77-527 50
    leticia.gonzalez@univie.ac.at

    Rückfragehinweis
    Mag. Alexandra Frey
    Pressebüro der Universität Wien
    Forschung und Lehre
    1010 Wien, Universitätsring 1
    T +43-1-4277-175 33
    M +43-664-602 77-175 33
    alexandra.frey@univie.ac.at

    Offen für Neues. Seit 1365.
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    Supaporn Niyomchon, Leticia González und Nuno Maulide von der Fakultät für Chemie der Universität Wien.
    Supaporn Niyomchon, Leticia González und Nuno Maulide von der Fakultät für Chemie der Universität Wi ...
    Copyright: Universität Wien
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Chemie, Medizin, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Supaporn Niyomchon, Leticia González und Nuno Maulide von der Fakultät für Chemie der Universität Wien.


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