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07.04.2016 09:17

Wann wird ein Neutronenstern zum Schwarzen Loch?

Dr. Anne Hardy Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

    Frankfurter Astrophysiker haben eine einfache Formel für die maximale Masse von Neutronensternen gefunden und damit eine über Jahrzehnte offene Frage beantwortet.

    FRANKFURT. Neutronensterne, die Überreste verglühter Sterne, gehören zu den kompaktesten Objekten im Universum. Ihr starkes Gravitationsfeld zieht unweigerlich immer mehr Masse an. Doch diesem Prozess sind Grenzen gesetzt. Ist eine kritische Masse erreicht, kollabiert der Neutronenstern zu einem Schwarzen Loch. Wie groß die Masse maximal werden darf, war eine seit Jahrzehnten offene Frage. Astrophysiker der Goethe-Universität haben jetzt eine einfache Formel dafür gefunden.

    Um den Kollaps hinauszuzögern, können Neutronensterne zu rotieren beginnen. So kann die Fliehkraft noch eine Weile die zunehmende Gravitationskraft kompensieren. Dabei muss sich der Stern umso schneller drehen, je mehr Masse er anhäuft, bis er schließlich auseinander bricht. Somit ist die absolute Obergrenze für die Masse eines Neutronensterns durch die maximale Masse bei schnellst-möglicher Rotation gegeben.

    Diese Masse aus Grundprinzipien zu berechnen, ist nicht möglich, weil die Zustandsgleichung, die Auskunft über Temperatur- und Druckverhältnisse der Elemente im Stern gibt, unbekannt ist. Doch Astrophysiker der Goethe-Universität haben für dieses Problem eine elegante Lösung gefunden. Wie sie in den renommierten „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society” berichten, kann man die maximale Masse eines schnell rotierenden Neutronensterns aus der maximalen Masse der entsprechenden nicht-rotierenden Konfiguration ableiten.

    „Es ist erstaunlich, dass ein komplexes System wie ein rotierender Neutronenstern durch eine so einfache Relation beschrieben werden kann“, erklärt Luciano Rezzolla, Professor für Theoretische Astrophysik an der Goethe-Universität. „Wir wissen jetzt, dass der Neutronenstern durch schnellst-mögliche Rotation höchstens 20 Prozent seiner maximalen nicht-rotierenden Masse zulegen kann“, erläutert er.

    Die Wissenschaftler haben Zehntausende Modelle für Neutronensterne berechnet. Ausschlaggebend für ihre Entdeckung war, dass sie die Daten unter dem richtigen Blickwinkel betrachteten: Sie fanden eine Normierung, dank der sich die Neutronensterne unabhängig von ihrer Zustandsgleichung auf universelle Weise beschreiben lassen.

    “Das Ergebnis lag direkt vor unserer Nase, aber wir mussten erst die richtige Perspektive wählen, um es zu sehen”, sagt Cosima Breu, Masterstudenitn an Institut für Theoretische Physik. Sie hat die Analyse im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit ausgeführt.

    Das universelle Verhalten für die maximale Masse ist Teil einer größeren Klasse universeller Beziehungen, die kürzlich für Neutronensterne entdeckt wurden. In diesem Kontext haben Cosima Breu und Luciano Rezzolla auch eine vereinfachte Form gefunden, das Trägheitsmoment eines rotierenden Neutronensterns in Abhängigkeit von seiner Kompaktheit auszudrücken. Sobald es gelingt, Trägheitsmomente experimentell an binären Pulsaren zu messen, wird es mithilfe dieser neuen Methode möglich sein, deren Radius mit einer Genauigkeit von 10 Prozent oder weniger zu bestimmen. Pulsare sind schnell rotierende Neutronensternen, die entlang einer Achse hochenergetische elektromagnetische Strahlung (Gammastrahlung) aussenden. Auf diese Weise können sie mit Weltraumteleskopen geortet werden.

    Das einfache, aber grundlegende Ergebnis eröffnet die Möglichkeit, künftig mehr universelle Beziehungen in rotierenden Sternen aufzuspüren. „Wir hoffen, noch mehr ähnlich aufregende Ergebnisse zu finden, wenn wir das weitgehend unerforschte Gebiet der differentiell rotierenden Neutronensterne erkunden. Bei diesen Sternen rotiert die Masse im Zentrum schneller als die Oberfläche“, schließt Rezzolla.

    Publikation: Cosima Breu, Luciano Rezzolla: Maximum mass, moment of inertia and compactness of relativistic, in: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society http://mnras.oxfordjournals.org/content/early/2016/03/14/mnras.stw575

    Interview mit Cosima Breu und Luciano Rezzolla auf Goethe-Uni online: http://tinygu.de/Neutronensterne

    Bildmaterial zum Download finden Sie hier: www.uni-frankfurt.de/60794123

    Informationen: Prof. Luciano Rezzolla, Institut für Theoretische Physik, Campus Riedberg, Tel,: (069) 798 47871, rezzolla@th.physik.uni-frankfurt.de.

    Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geisteswissenschaften. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist sie Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main. Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft in GOETHE-UNI online (www.aktuelles.uni-frankfurt.de)

    Herausgeber: Die Präsidentin
    Abteilung PR & Kommunikation,
    60629 Frankfurt am Main
    Redaktion: Dr. Anne Hardy, Referentin für Wissenschaftskommunikation Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main Telefon (069) 798 – 1 24 98, Telefax (069) 798 – 763 12531, E-Mail hardy@pvw.uni-frankfurt.de
    Internet: www.uni-frankfurt.de


    Bilder

    Simulation der Gravitationswellen von einem kollabierenden Neutronenstern.
    Simulation der Gravitationswellen von einem kollabierenden Neutronenstern.
    Bild: Luciano Rezzolla
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Simulation der Gravitationswellen von einem kollabierenden Neutronenstern.


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