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20.06.2016 13:18

Jugendliche mit Essanfällen nehmen Nahrungsreize anders wahr

Susann Huster Stabsstelle Universitätskommunikation/Medienredaktion
Universität Leipzig

    Forscher der Universität Leipzig konnten erstmals belegen, dass Jugendliche, die unter Essanfall-Störungen leiden, Bilder von Nahrungsmitteln anders wahrnehmen als gesunde Probanden. Sie schenken Bildern mit Essen mehr Aufmerksamkeit als Bildern mit neutralen Reizen. Die erhöhte Aufmerksamkeit kann ausschlaggebend für den Kontrollverlust beim Essen sein. Die aktuellen Studienergebnisse wurden jetzt im Journal of Psychiatric Research veröffentlicht.

    Die Wissenschaftlergruppe um Prof. Dr. Anja Hilbert vom Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) AdipositasErkrankungen an der Medizinischen Fakultät Leipzig legte Jugendlichen mit Essanfall-Störungen Bilder mit verschiedenen Motiven vor. Im Vergleich zu gesunden Probanden schenkten die Jugendlichen mit Essanfall-Störungen, dem sogenannten BED (Binge-Eating Disorder), den Bildern mit Nahrungsmitteln mehr Aufmerksamkeit. Diese erhöhte Aufmerksamkeit kann ausschlaggebend für die Auslösung und Aufrechterhaltung von Essanfällen sein. Die Patienten verlieren die Kontrolle über das Essen.

    In einer experimentellen Studie wurden Blickbewegungen und Reaktionszeiten von Jugendlichen mit BED im Alter von 12 bis 20 Jahren untersucht. Die Probanden sahen auf einem Monitor für jeweils drei Sekunden mehrere Bildpaare von Nahrungsreizen und neutralen Bildern (Naturbilder oder Alltagsgegenstände). Die Bilder waren in Form und Farbe ähnlich. "Das Besondere an dieser Untersuchung ist, dass wir die Blickbewegungen der Probanden präzise aufzeichnen können und ein direktes Maß der visuellen Aufmerksamkeit erhalten", betont Prof. Dr. Hilbert. Die Ergebnisse zeigen, dass Jugendliche mit BED intensiver auf Nahrungsreize reagieren. Sie haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit von diesen Bildern zu lösen. Die Kontrollgruppe bestand aus sogenannten "statistischen Zwillingen": Jugendliche mit BED und Jugendliche ohne BED im gleichen Alter, mit gleichem Geschlecht und dem gleichen Gewichts- und sozioökonomischen Status schauten sich dieselben Bilder an. Es stellte sich heraus, dass Jugendliche mit BED deutlich schneller als ihr statistischer Zwilling einen Nahrungsreiz unter Nicht-Nahrungsreizen entdecken können.

    "Anhand unserer Ergebnisse wird deutlich, dass die veränderten Aufmerksamkeitsprozesse im Zustand der Sättigung ein Merkmal gestörten Essverhaltens sein können und aus evolutionärer Sicht dysfunktional sind", erklärt Ricarda Schmidt, Diplom-Psychologin im wissenschaftlichen Team von Prof. Hilbert. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass wichtige kognitive Funktionen zur Verhaltenskontrolle durch diesen Aufmerksamkeitsunterschied beeinträchtigt werden und enthemmtes Verhalten, wie es in Essanfällen auftritt, fördern.

    Derzeit werden am IFB neue Behandlungsansätze erforscht, die die Veränderung dieser neuropsychologischen Defizite in den Vordergrund stellen. So wird unter anderem untersucht, ob ein Neurofeedback-Training bei erwachsenen Probanden mit BED wirksam zur Reduktion von Essanfällen ist. In diesem Training sollen die Probanden lernen, ihre Hirnaktivität gezielt zu verändern und beim Anblick von Nahrungsbildern einen Zustand der bewussten Entspannung und Kontrolle zu erreichen.
    Das IFB AdipositasErkrankungen ist ein gemeinsames Forschungszentrum der Universität und des Universitätsklinikums Leipzig. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

    Originaltitel der Veröffentlichung im "Journal of Psychiatric Research":

    "Visual attentional bias for food in adolescents with binge-eating disorder." DOI 10.1016/j.jpsychires.2016.05.016


    Weitere Informationen:

    Prof. Dr. Anja Hilbert
    Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) AdipositasErkrankungen, Professur für Verhaltensmedizin
    Telefon: +49 341 97-15360
    E-Mail: anja.hilbert@medizin.uni-leipzig.de


    Weitere Informationen:

    http://www.ifb-adipositas.de
    http://www.journalofpsychiatricresearch.com/article/S0022-3956(16)30107-8/abstract


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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