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25.06.2003 14:34

Reiche Fußballprofis - arme Vereine?

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Neue Finanzierungs- und Organisationskonzepte für den deutschen Profifußball

    Fußball-Clubs schwimmen im Geld. Denkt man. Tatsächlich aber haben zahlreiche Vereine der Ersten und Zweiten Fußball-Bundesliga permanente Finanzierungsprobleme. Der Wunsch der Vereine, auf nationaler und internationaler Wettbewerbsebene mit vielen - durchschnittlich finanzkräftigeren - englischen, italienischen und spanischen Clubs sportlich konkurrieren zu können, erfordert einen hohen Finanzbedarf. Die Personalausgaben für Fußballspieler, insbesondere die Gehälter und Ablösesummen zur Beschaffung von neuen Spielern, stellen dabei den größten Ausgabenblock bei allen Profi-Vereinen. In seiner Studie, die als Dissertation am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Berlin entstand, geht Daniel Schwendowius den Ursachen für die Finanzierungsprobleme vieler Vereine beider Bundesligen nach und fragt, auf welche Weise sich die Möglichkeiten der Innen- und Außenfinanzierung der Vereine langfristig verbessern ließen.

    Zwischen 1993/94 und 1998/99 haben sich die durchschnittlichen Spielergehaltssummen der Clubs der Fußball-Bundesliga von rund zwölf auf 35 Millionen Mark fast verdreifacht. Zwischen den Spielzeiten 1989/90 und 1998/99 sind die durchschnittlichen Spielergehälter und Ablösesummen in der Fußball-Bundesliga prozentual stärker angestiegen als die prozentualen Einnahmesteigerungen der Clubs.

    Der Anstieg der Spielerausgaben lässt sich im wesentlichen auf zwei Ursachen zurückführen. Erstens hat das so genannte Bosman-Urteil von 1995 mit der Aufhebung der Ablösezahlungen für Fußballspieler nach Vertragsablauf und mit der Aufhebung der Ausländerklausel auf den Spielermärkten die Mobilität der Spieler und damit ihre Verhandlungsposition gegenüber den Clubs gestärkt. Zweitens standen durch die hohen Erlössteigerungen der letzten Jahre, vor allem der Fernseherlöse, den Managern finanzielle Mittel zur Verfügung, die viele aus Konkurrenz- und Prestigegründen allzu gern für teure Spielerinvestitionen ausgegeben haben.

    Die hohen Erlössprünge sind aber spätestens nach der Insolvenz der Kirch-Gruppe ausgeblieben. Die traditionell hohe Selbstfinanzierung der Clubs aus dem Umsatz, vor allem aus Zuschauereinnahmen und Fernseherlösen, stößt damit an ihre Grenzen. Darüber hinaus drücken die hohen Finanzierungskosten und Verbindlichkeiten auf die Innenfinanzierungsspielräume und Eigenkapitalquoten der Clubs. Die Clubs der Fußball-Bundesliga schieben mittlerweile einen Schuldenberg von etwa 600 Millionen Euro vor sich her.

    In der Vergangenheit wurden daher Lösungen einer stärkeren Außenfinanzierung durch Börsengänge und Kreditfinanzierung gesucht. Die Bedingungen für einen Gang an die Börse sind allerdings zur Zeit schlecht. Und nach den neuen Eigenkapital-Unterlegungsvorschriften für Banken bei der Vergabe von Unternehmenskrediten (Basel II) wird es auch für Fußball-Clubs zunehmend schwieriger bzw. teurer Fremdkapital aufzunehmen.

    "Neuere Finanzierungskonzepte" sind daher eine Alternative für die deutschen Profi-Clubs. Dazu zählen etwa Asset Backed Securities. So hat Schalke 04 - nach dem Vorbild vieler englischer Clubs - eine Anleihe von über 85 Millionen Euro auf dem Kapitalmarkt aufgenommen. Dafür hat sich der Verein verpflichtet, 24 Jahre lang einen Teil seiner Erlöse aus Ticketverkäufen an die Kapitalgeber abzutreten. Weitere moderne Finanzierungsalternativen sind die Mezzanine-Finanzierung (Mischformen zwischen Eigen- und Fremdkapital), Steuersparmodelle durch Cross Border Leasing bei Stadioninvestitionen, Spielerfonds, die Erschließung von Fußball-Märkten im Ausland und kreative Marketingkonzepte, die sich an loyale Fußball-Fans richten (z.B. Vereins-Kreditkarten mit daran gekoppelten Rabattmodellen oder Gewinnspielen).

    Alles schön und gut. Aber auch diese neu aufgenommenen finanziellen Mittel drohen zu versickern. Für eine langfristige Verbesserung der Finanzierungsbedingungen sind daher nach Schwendowius grundlegende organisatorische Reformen auf der Club- und Ligaebene notwendig.

    Finanzierungskonzepte haben in der Vergangenheit überwiegend nur Konzepte zur Steigerung der Einnahmen der Clubs beinhaltet. Umgekehrt muss nunmehr auch der ernsthafte Versuch unternommen werden, die Spielerausgaben zu reduzieren. Wirksame Mechanismen der Kostenreduzierung können dabei nur bei Einbeziehung aller Fußball-Clubs der bedeutenden europäischen Fußball-Ligen zustande kommen. Mit entsprechender Modifikation wären Gehälter-Grenzen, in den US-amerikanischen Profiligen als Salary Caps bekannt, durchsetzbar.

    Bei den Clubs sind die bisherige fehlende Beschäftigung mit Risikomanagement und eine systematische Risikoabsicherung zu bemängeln. Denn Finanzierungsrisiken stecken nicht nur in den Finanzierungsverträgen selber, sondern auch in den Spieler- und Managementverträgen. Ausstiegsklauseln für Spieler oder hohe Abfindungszahlungen für Trainer oder Manager sind nur weniger Beispiele dafür. Mit der geschickten Gestaltung der Spielerverträge über die Vertragslaufzeit, Entgelt-Arrangements und Vertragsklauseln steht einem Fußball-Club daher eine Möglichkeit zur Verfügung, Finanzierungsrisiken zu steuern. Problematisch ist dabei allerdings die Durchsetzung dieser Verträge auf Grund der gestiegenen Spielermacht.

    Der Insolvenzantrag der Kirch-Gruppe hat auch deutlich gezeigt, dass die Finanzierungsstruktur vieler Vereine der Fußball-Bundesliga nicht breit genug gefächert ist. Denn bis zur Hälfte finanzieren sich viele Vereine heutzutage aus TV-Einnahmen. Den meisten Clubs stehen bisher nur wenige Finanzierungsalternativen zur Verfügung. "Diese Alternativen sollten künftig nicht nur für die Spielerfinanzierung bereitgehalten werden, sondern auch für weitere Geschäftsaktivitäten", empfiehlt der Wirtschaftswissenschaftler. Dadurch ließe sich die Eigenkapital-Quote verbessern und werden Kreditsicherheiten geschaffen.

    Schließlich könnte auch die Ligaorganisation künftig stärker gefragt sein, den Clubs in einem stärker ausgeprägten Kooperationsverbund der Vereine Finanzierungskonzepte, Abstiegsversicherungen oder Beratungsleistungen anzubieten. "So wäre zum Beispiel denkbar, dass ein Ligaverband Schulungs-, Fortbildungs- und Weiterbildungsseminare für kaufmännische und sporttechnische Manager anbietet", sagt Daniel Schwendowius.

    Von Ilka Seer

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Dr. Daniel Schwendowius, Tel. 0174 / 312 44 70, E-Mail: dan.soccernet@web.de


    Weitere Informationen:

    http://darwin.inf.fu-berlin.de/2003/21


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Sportwissenschaft, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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