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25.08.2016 12:41

Mehr Toleranz für unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten von Kindern

Ulrike Jaspers Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

    FRANKFURT. Zum Schulstart in Hessen plädiert Andreas Gold, Professor für Pädagogische Psychologie an der Goethe-Universität, dafür, dass Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen mehr Toleranz für unterschiedliche Lern- und Entwicklungsgeschwindigkeiten von Kindern aufbringen.

    In einem Interview mit dem Magazin „Goethe-Uni online“ macht sich der Psychologe Gold dafür stark, unterschiedliche Lerntempi mit größerer Gelassenheit zu akzeptieren und eine höhere „Langsamkeitstoleranz“ zu entwickeln. „Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass Lehrer meist nicht lange genug abwarten, bis Kinder auf ihre Frage antworten, oft schon nach 3 Sekunden Stille die Antwort selbst geben oder die Frage neu formulieren.“ Mindestens 5 Sekunden Nachdenkzeit seien aber sinnvoll, damit Schülerinnen und Schüler überlegt antworten könnten.

    Sich auf die unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten und Lernfähigkeiten der Einzelnen einzulassen, in einer leistungsheterogen zusammengesetzten Klasse zu unterrichten, ist für die meisten Lehrer zwar nichts Neues, bleibt aber eine besondere Herausforderung. „Gemeinsam Verschiedenes lernen“, formuliert Gold das Ziel, das nur erreicht werden könne, wenn Lehrer Methoden, Lernzeit und Lernziele an die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen ihrer Schüler anpassen.

    In seinem soeben erschienenen Buch „Lernen leichter machen – Wie man im Unterricht mit Lernschwierigkeiten umgehen kann“ beschäftigt sich der Psychologe mit der Förderung von Schülern, die erhebliche Schwierigkeiten beim Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen haben. Immerhin sind das 15 bis 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen. Hinzu kommen die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen – weitere knapp 3 Prozent. In einer Klasse mit 25 Schülern sind somit durchschnittlich vier bis sechs Kinder betroffen. Engagieren müssen sich Lehrer wie Schüler gleichermaßen, um die Schwierigkeiten zu überwinden – dazu Gold: „‚Lernen leichter machen‘ heißt nicht, Kindern die zum Lernen notwendige Eigentätigkeit abzunehmen oder ihnen Abkürzungen anzubieten, die ganz ohne Mühen zum Ziel führen. Es geht vielmehr darum, Wege und Hilfsmittel aufzuzeigen, die sich nutzen lassen, um dorthin zu kommen, wohin andere Kinder auch ohne solche Hilfen gelangen.“

    Der Unterricht müsse kognitiv aktivierend und emotional unterstützend sein. Guter Unterricht zeichnet sich für Gold dadurch aus, dass Schüler zum Denken angeregt und in ihren Lernprozessen individuell unterstützt werden. Auch dass ihre Lernfortschritte kleinteilig beobachtet und sachbezogen rückgemeldet werden, gehört dazu. „Regelmäßige Lernfortschrittsmessungen informieren die Kinder darüber, wo sie stehen und was noch zu tun ist. Und die Lehrerin zieht daraus Rückschlüsse über die Angemessenheit ihres bisherigen Vorgehens und Konsequenzen für ihr weiteres Handeln“, so Gold.

    In dem Buch, das sich an Lehrer aber auch an Eltern wendet, stellt Gold ein abgestuftes Konzept vor: So sollte möglichst schnell festgestellt werden, ob ein Kind im Regelunterricht durch individuell angepasste Maßnahmen zusätzlich unterstützt werden müsse. „Reichen diese nicht aus, müssen intensivere, unterrichtsadditive Fördermaßnahmen veranlasst werden. Erst ganz am Ende der Maßnahmenkette ist eine separate Förderung in besonderen Einrichtungen zu erwägen“, erläutert Gold.

    Ausführlich beschäftigt sich der Psychologe auch mit der Wirksamkeit verschiedener Förderprogramme bei Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwierigkeiten: „Es gibt zwar eine große Anzahl von Förderprogrammen. Aber nur selten ist deren Wirksamkeit in kontrollierten Studien überprüft worden.“ Wirksam seien symptomspezifische Programme, die direkt an den beeinträchtigten Lese-, Rechtschreib- oder Rechenprozessen einsetzen. Nicht wirksam seien dagegen unspezifische Trainings, alternativ-medizinische oder ganzheitliche Verfahren.

    Gold kritisiert, dass es vom Wohnort abhängt, wie pädagogisch und schulrechtlich mit Lernschwierigkeiten umgegangen wird. Individuelle Förderung, Nachteilsausgleich oder Notenschutz werden in den Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt. „Es gleicht einer Landeslotterie, ob man mit dem Notenschutz das große Los ziehen kann und wie häufig eine Legasthenie oder Dyskalkulie überhaupt diagnostiziert werden.“

    Andreas Gold, Lernen leichter machen – Wie man im Unterricht mit Lernschwierigkeiten umgehen kann, Göttingen 2016, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 978-3-525-70194-2, 159 Seiten, 18 Euro.

    Informationen: Prof. Dr. Andreas Gold, Institut für Psychologie, Fachbereich Psychologie und Sport, Campus Westend, Tel. (069) 798-35357, E-Mail: gold@paed.psych.uni-frankfurt.de

    Link zu dem Audio-Interview im Magazin „Goethe-Uni online“ http://tinygu.de/interview-gold


    Weitere Informationen:

    http://tinygu.de/interview-gold


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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