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20.10.2016 18:00

Zellulären "Müll" entsorgen – zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Stephan Brodicky Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Utl. Neue Möglichkeiten zur Steuerung von molekularen Prozessen

    Auch Zellen müssen ihren Müll entsorgen. Neue Forschungsergebnisse des Teams um Claudine Kraft von den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien zeigen, wie wichtig dabei das Timing und der Ort sind, um das zentrale Protein für die zelluläre Müllabfuhr zu regulieren. Kann man diese steuern, lassen sich langfristig maßgeschneiderte Medikamente gegen Alzheimer und Krebs entwickeln. Die Studie erscheint aktuell im renommierten Journal "Molecular Cell".

    Für unsere Zellen ist Sauberkeit absolut unverzichtbar. Der dafür verantwortliche Prozess heißt Autophagie. Autophagie ist spätestens seit Anfang Oktober in aller Munde, als der japanische Forscher Yoshinori Ohsumi für seine Forschung in diesem Feld den Nobelpreis für Medizin 2016 erhielt.

    Autophagie sorgt durch ein komplexes Zusammenspiel von Proteinen für den Abbau defekter Zellbestandteile und die Beseitigung von Krankheitserregern, welche die Zelle befallen haben. Zusätzlich ermöglicht Autophagie der Zelle, Nahrungsmangel zu überdauern. Ähnlich wie in einer städtischen Recyclingstation werden dabei zelleigene Bestandteile abgebaut und ihre Bausteine wiederverwendet. Absolut notwendig ist aber, dass die Autophagie präzise reguliert wird: "Für eine Zelle kann eine fehlerhafte Aktivierung der Autophagie tödliche Folgen haben", erklärt Raffaela Torggler, eine der AutorInnen der Studie.

    Schon länger kennen ForscherInnen den zentralen Regulator der Autophagie – das Protein Atg1. Details seiner Funktion wurden bereits 2014 von der Gruppe um Claudine Kraft erforscht. Bisher war jedoch nicht bekannt, wie genau die Aktivität von Atg1 und der Prozess der Autophagie kontrolliert werden, um eine fehlerhafte Aktivierung zu unterbinden. Nun haben die ForscherInnen um Claudine Kraft an den MFPL der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien entdeckt, dass die Aktivierung von Atg1 in Raum und Zeit reguliert werden muss.

    Sowohl der Regulator Atg1 als auch der zu entsorgende "Müll" werden unabhängig voneinander an jenen Ort in der Zelle gebracht, an dem der Müll in einen zellulären "Müllsack" verpackt wird. Nur wenn an diesem Standort Atg1 und der Müll zeitgleich anwesend sind, wird Atg1 aktiviert und die Autophagie eingeleitet. "Wir konnten nachweisen, dass die Zelle nur an diesem Ort die Begegnung von Atg1 und dem Müll erlaubt. Das ermöglicht eine stringente Kontrolle der Autophagie in Raum und Zeit und verhindert so ihre fehlerhafte Aktivierung", so Claudine Kraft.

    In einer normalen Zelle werden Atg1 und der Müll von zwei Koordinatoren an den Verpackungsort gebracht. Werden diese Koordinatoren künstlich entfernt, treffen sich Atg1 und der Müll nicht und die Autophagie kann nicht eingeleitet werden. Daniel Papinski aus dem Team um Claudine Kraft erklärt: "In Zellen ohne diese Koordinatoren konnten wir Autophagie trotzdem aktivieren, indem wir Atg1 und den Müll künstlich zusammengeführt haben. Das bedeutet, dass die Zusammenkunft von Atg1 und dem Müll am richtigen Ort ein entscheidender Schritt bei der Regulierung der Autophagie ist".

    Ein besseres Verständnis solcher grundlegenden zellulären Prozesse erlaubt letztlich auch, damit verbundene Krankheiten – wie im Falle der Autophagie Alzheimer und Krebs – besser zu verstehen. Auf lange Sicht wird man diese so besser behandeln. "Durch unsere Arbeit haben wir wichtige Erkenntnisse über die molekularen Mechanismen der Regulierung von Autophagie erhalten. Nur durch ein detailliertes Verständnis solcher molekularen Abläufe werden wir in der Lage sein, maßgeschneiderte Medikamente zu entwickeln, die bei solchen Krankheiten gezielt Autophagie modulieren", so Claudine Kraft abschließend.

    Publikation in "Molecular Cell"
    Torggler R, Papinski D, Brach T, Bas L, Schuschnig M, Pfaffenwimmer T, Rohringer S, Matzhold T, Schweida D, Brezovich A and Kraft C (2016). Two Independent Pathways within Selective Autophagy Converge to Activate Atg1 Kinase at the Vacuole. Molecular Cell, doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.molcel.2016.09.008

    Wissenschaftlicher Kontakt
    Assoz.-Prof. Dr. Claudine Kraft
    Max F. Perutz Laboratories
    Universität Wien
    Vienna Biocenter
    1030 Wien, Dr.-Bohr-Gasse 9
    T +43-1-4277-528 77
    M +43-664-602 77-528 77
    claudine.kraft@univie.ac.at

    Rückfragehinweise
    Mag. Alexandra Frey
    Pressebüro der Universität Wien
    Forschung und Lehre
    1010 Wien, Universitätsring 1
    T +43-1-4277-175 33
    M +43-664-602 77-175 33
    alexandra.frey@univie.ac.at

    Caterina Purini, MSc
    Max F. Perutz Laboratories
    Communications
    Vienna Biocenter
    1030 Wien, Dr.-Bohr-Gasse 9
    T +43-1-4277-240 14
    M +43-664-602 77-528 77
    caterina.purini@mfpl.ac.at

    Die Universität Wien ist eine der ältesten und größten Universitäten Europas: An 15 Fakultäten und vier Zentren arbeiten rund 9.700 MitarbeiterInnen, davon 6.800 WissenschafterInnen. Die Universität Wien ist damit auch die größte Forschungsinstitution Österreichs sowie die größte Bildungsstätte: An der Universität Wien sind derzeit rund 92.000 nationale und internationale Studierende inskribiert. Mit über 180 Studien verfügt sie über das vielfältigste Studienangebot des Landes. Die Universität Wien ist auch eine bedeutende Einrichtung für Weiterbildung in Österreich. 1365 gegründet, feierte die Alma Mater Rudolphina Vindobonensis im Jahr 2015 ihr 650-jähriges Gründungsjubiläum. http://www.univie.ac.at

    Über die MFPL
    Die Max F. Perutz Laboratories (MFPL) sind ein gemeinsames Forschungs- und Ausbildungszentrum der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien am Vienna Biocenter, einem der größten Life Sciences Cluster in Österreich. An den MFPL sind rund 500 MitarbeiterInnen aus 40 Nationen in durchschnittlich 60 Forschungsgruppen mit Grundlagenforschung und Lehre im Bereich der Molekularbiologie beschäftigt.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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