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22.11.2016 10:15

Gut kombiniert: Modell und Experiment für tiefere Einblicke

Dr. Ulrich Marsch Corporate Communications Center
Technische Universität München

    Ärzte möchten sich bei einer Vorsorgeuntersuchung ein Bild vom Gesundheitszustand des Patienten machen, ohne diesen aufzuschneiden. Ähnlich geht es Ingenieuren, die eine Brücke auf Stabilität prüfen wollen, ohne sie dazu einreißen zu müssen. Verfahren der so genannten zerstörungsfreien Prüfung spielen eine große Rolle bei der Gewährleistung von Qualität und Sicherheit. Entsprechend groß ist das Interesse an verfeinerten Methoden. Durch die Kombination von Rechenmodell und Experiment haben Forscher der Technischen Universität München (TUM) ein Verfahren entwickelt, das einen präziseren Blick ins Innere ermöglicht.

    Messungen mit Ultraschall gehören zu den meistverwendeten Techniken der zerstörungsfreien Prüfung. Das Prinzip gleicht der Echoortung von Fledermäusen, bei der die Tiere durch ihre Ultraschalllaute Informationen über ihre Umgebung, mögliche Hindernisse oder Beutetiere gewinnen. Dabei lokalisiert die Fledermaus die Richtung des Objekts, indem sie erkennt, an welchem Ohr das Echo als erstes registriert wird. Je geringer die Zeitdifferenz ist, mit der die Signale an beiden Ohren der Fledermäuse ankommen, desto kleiner ist der Winkel zwischen der Richtung des ausgesendeten Echos und des Objekts. Trifft das Echo an beiden Ohren zur selben Zeit und gleich stark ein, befindet sich das angepeilte Objekt exakt in Rufrichtung.

    Auch die gängigen Verfahren der zerstörungsfreien Prüfung mit Ultraschall lokalisieren Fehler in Strukturen nach diesem Prinzip. Gemessen wird die Geschwindigkeit, Wellenlänge und der Zeitunterschied, mit denen die Wellen oder ihre Reflektion bei den an der Oberfläche des Prüfobjekts angebrachten Sensoren ankommen. Diese Messungen werden mit Daten eines intakten Referenzobjekts abgeglichen, um Abweichungen festzustellen. "Durch diese Standardverfahren kann man zwar grundsätzlich Schäden identifizieren und lokalisieren“, sagt Prof. Ernst Rank, Leiter des Lehrstuhls für Computation in Engineering. „Doch liefern sie nur begrenzte Details über ihre genaue Position, Ausmaß oder Orientierung.“

    Wo die ganze Welle zählt

    Zur Lösung des Problems erstellten die Wissenschaftler zunächst ein mathematisches Modell der Materialeigenschaften der im experimentellen Teil ihres Projekts verwendeten Aluminiumplatten. Mit Hilfe dieses Modells berechneten sie die Ausbreitung der Ultraschallwellen und ihre Reflektion. Die virtuell ermittelten Messwerte verglichen sie anschließend mit Resultaten aus realen Experimenten, bei denen Ultraschallwellen durch echte Aluminiumplatten geschickt wurden.

    Sie stellten fest, dass sich die Messwerte der virtuellen und echten Sensoren unterschieden. Denn Besonderheiten innerhalb der Struktur können zu einer spezifischen Streuung oder Brechung der Ultraschallwellen führen. Die Forscher wandten einen Trick an, um diese Fehlerquelle zu beheben: Die an den Sensoren gemessene Differenz aus realen und simulierten Wellen wird als Signal wieder eingespeist und daraus ein verbessertes Modell berechnet. Bei diesem Wellenforminversion genannten Verfahren geht es also darum, den gesamten Informationsgehalt des gemessenen Wellenfeldes auszuschöpfen.

    Großer Aufwand – lohnende Ergebnisse

    Wegen der sehr großen Menge verwendeter Daten galt dieses, in den 1980er Jahren von dem spanischen Geophysiker Albert Tarantola entwickelte, Verfahren lange Zeit als praktisch undurchführbar. Erst durch die Entwicklung neuartiger Algorithmen und Fortschritte in der Computertechnologie der vergangenen Jahre konnte die sehr rechenintensive Anwendung der Wellenforminversion realisiert werden. „Man kann sich natürlich fragen, ob sich dieser erhöhte Rechenaufwand lohnt", sagt der Informatiker und Mathematiker Robert Seidl. "Doch, wenn man die Vorteile unseres Verfahrens sieht, kann die Antwort nur positiv ausfallen."

    Eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Zukunft wird es sein, die Wellenforminversion auf reale Strukturen aus Bauwesen und Maschinenbau anzuwenden und zu validieren. Dies soll in einem Forschungsprojekt geschehen, bei dem das Team um Prof. Rank mit dem Lehrstuhl für Zerstörungsfreie Prüfung um Prof. Christian Große zusammenarbeitet.

    Publikation:
    Robert Seidl, Ernst Rank: “Iterative time reversal based flaw identification”, Computers & Mathematics with Applications, Volume 72, Issue 4, August 2016, Pages 879–892; http://dx.doi.org/10.1016/j.camwa.2016.05.036

    Kontakt:
    Technische Universität
    Dipl.-Math. Robert Seidl
    robert.seidl@tum.de
    +49 (89) 289 – 23204
    https://www.cie.bv.tum.de/de/


    Weitere Informationen:

    https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/kurz/article/33536/


    Bilder

    Simulationsergebnis: Identifizierung von drei Stäben in einem Betonwürfel.
    Simulationsergebnis: Identifizierung von drei Stäben in einem Betonwürfel.
    Quelle: Grafik: Lehrstuhl für Computation in Engineering / TUM


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Bauwesen / Architektur, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Simulationsergebnis: Identifizierung von drei Stäben in einem Betonwürfel.


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