idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
13.01.2017 11:14

Vorhersage entlastet das Gehirn

Johannes Scholten Pressestelle
Philipps-Universität Marburg

    Sinneswahrnehmungen kosten unser Hirn weniger Energie, wenn wir die Vorkommnisse, die wir wahrnehmen, selbst hervorrufen. Das zeigt eine Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Forschungscampus Mittelhessen, die ihre Ergebnisse im Wissenschaftsmagazin „PLOS ONE“ veröffentlicht haben. Die Autorinnen und Autoren vermuten, dass es für verschiedenartige Sinnesreize Vorhersagemechanismen gibt, die im Kleinhirn lokalisiert sind.

    Wer eine Handlung ausführt, erwartet bestimmte Wirkungen, die sich durch Sinnesempfindungen wahrnehmen lassen: Beim Anklopfen sehen wir die Bewegung der Hand, spüren den Druck gegen die Fingerknöchel und hören gleichzeitig das Klopfgeräusch. „Um erfolgreich mit der Umwelt zu interagieren, ist es unverzichtbar, die eigenen Handlungen und die durch sie hervorgerufenen Sinneseindrücke wahrzunehmen“, erläutert der Marburger Heisenberg-Professor Dr. Benjamin Straube, der Erstautor des wissenschaftlichen Aufsatzes. Die Folgen der eigenen Handlungen sind in hohem Maße vorhersehbar; ihre Verarbeitung erfordert daher weniger Energie als die von anderen Ereignissen, die ohne unser Zutun stattfinden.

    „Bisher wurden Vorhersage-Mechanismen auf neuronaler Ebene nur für einzelne Sinneseindrücke untersucht, etwa für sichtbare, hörbare oder tastbare Reize“, ergänzt Koautor Professor Dr. Tilo Kircher von der Philipps-Universität Marburg. Da die Welt außerhalb wissenschaftlicher Laboratorien in der Regel mehrere Sinne gleichzeitig stimuliert (wenn man beispielsweise in die Hände klatscht und das Ergebnis sieht, fühlt und hört), stellt sich die Frage, ob und wie wir multisensorische Konsequenzen vorhersagen. „In der aktuellen Studie untersuchen wir erstmals die neuronalen Prozesse, die mit der Wahrnehmung verschiedenartiger Sinneseindrücke einhergehen, die durch eigene Handlungen hervorgerufen werden“, erklärt Mitverfasserin Professorin Dr. Katja Fiehler von der Justus-Liebig-Universität Gießen.

    Die beteiligten Forscherinnen und Forscher führten ausgeklügelte Experimente durch und setzten dabei Bildgebungsverfahren ein, mit denen sich nachweisen lässt, wie viel Sauerstoff die roten Blutkörperchen im Hirn enthalten – ein Maßstab für die Hirntätigkeit. Während ein Magnetresonanz-Tomograf Aufnahmen vom Hirn der 21 Probandinnen und Probanden anfertigte, empfingen diese hörbare oder sichtbare Reize oder eine Kombination aus beidem, nämlich Punkte auf einem Bildschirm und Töne über Kopfhörer.

    Im aktiven Zustand lösten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Reize selbst durch Knopfdruck aus und mussten erkennen, ob die Signale verzögert erschienen. Im passiven Zustand mussten sie erkennen, ob es sich um einzelne oder kombinierte Sinnesreize handelt, ohne dass sie diese selbst auslösten.

    Die unterschiedlichen Aufgabenstellungen wirkten sich auf die Hirntätigkeit aus: Lösten die Beteilig-ten die Signale selbst aus, so sank die Sauerstoffkonzentration des Blutes in Hirnregionen, die Zentren zur Verarbeitung visueller und akustischer Reize umfassen. „Offenbar muss das Gehirn weniger arbeiten, wenn wir das Auftreten eines Tons oder Punkts auf dem Bildschirm vorhersagen können“, konstatiert Straube. „Diese Vorhersage-Mechanismen sind wahrscheinlich im linken Kleinhirn lokalisiert.“

    Dr. Benjamin Straube hat eine Heisenberg-Professur für Translationale Neurobildgebung an der Philipps-Universität Marburg inne; Professor Dr. Tilo Kircher leitet die Marburger Universitäts-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Dr. Katja Fiehler ist Heisenberg-Professorin für Allgemeine Psychologie mit dem Schwerpunkt „Wahrnehmung und Handlung“ an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Neben den Arbeitsgruppen aus Marburg und Gießen sind weitere Wissenschaftler aus Halle und Toronto in Canada an der Studie beteiligt, die unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft durch ihren mittelhessischen Sonderforschungsbereich „Kardinale Mechanismen der Wahrnehmung“ (SFB 135) finanziell gefördert wurde.

    Der Forschungscampus Mittelhessen ist eine gemeinsame Einrichtung der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Philipps-Universität Marburg und der Technischen Hochschule Mittelhessen zur Stärkung der regionalen Verbundbildung insbesondere in der Forschung und der Nachwuchsförderung.

    Originalveröffentlichung: Benjamin Straube & al.: Predicting the multisensory consequences of one’s own action: BOLD suppression in auditory and visual cortices, PLOS ONE 2017, DOI: http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0169131

    Weitere Informationen:
    Ansprechpartner:
    Professor Dr. Benjamin Straube,
    Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Philipps-Universität Marburg
    Tel.: 06421 58- 66429
    E-Mail: straubeb@staff.uni-marburg.de

    Medienkontakte:
    Justus-Liebig-Universität Gießen
    Pressestelle
    Ludwigstr. 23
    35390 Gießen
    T: 0641 99-12041
    E: pressestelle@uni-giessen.de
    I: http://www.uni-giessen.de

    Philipps-Universität Marburg
    Wissenschaftsredaktion
    Biegenstr. 10
    35037 Marburg
    T: 06421 28-25866
    E: pressestelle@uni-marburg.de
    I: http://www.uni-marburg.de

    Forschungscampus Mittelhessen
    Geschäftsstelle
    Senckenbergstraße 3
    35390 Gießen
    T: 0641 99-16480/-81
    E: eva-maria.aulich@fcmh.de


    Bilder

    Die Hirnaktivität lässt sich farbig darstellen, wenn man das Hirn mittels Magnetresonanz-Tomografie durchleuchtet.
    Die Hirnaktivität lässt sich farbig darstellen, wenn man das Hirn mittels Magnetresonanz-Tomografie ...
    (Abb.: Benjamin Straube ; das Bild darf nur für die Berichterstattung über die zugehörige Veröffentlichung verwendet werden)
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Die Hirnaktivität lässt sich farbig darstellen, wenn man das Hirn mittels Magnetresonanz-Tomografie durchleuchtet.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).