idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
12.05.2017 11:08

Supraleitfähigkeit und Ferroelektrizität können kooexistieren

Anneliese Odenthal Presse und Kommunikation
Universität zu Köln

    Konkurrierende Materiezustände interagieren in chemisch modifiziertem Strontiumtitanat

    Supraleitfähigkeit und Ferroelektrizität sind zwei Materiezustände, die im Allgemeinen wenig miteinander zu tun haben. In supraleitenden Materialien verschwindet der elektrische Widerstand unterhalb einer so genannten Sprungtemperatur vollständig, was diese Stoffe besonders interessant für technische Anwendungen macht.

    Ferroelektrizität resultiert aus einer strukturellen Instabilität eines Materials, so dass unterhalb einer bestimmten Temperatur eine Veränderung der Kristallstruktur stattfindet. Hierbei bildet sich eine elektrische Polarisation, welche durch ein elektrisches Feld umgekehrt werden kann. Bislang war unklar, ob diese beiden Zustände überhaupt gemeinsam in einer Verbindung auftreten können und, falls ja, wie sie sich gegenseitig beeinflussen.

    Ein deutsch-französisches Team konnte nun experimentell zeigen, wie Ferroelektrizität und Supraleitfähigkeit gleichzeitig im selben Material koexistieren. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass die Anwesenheit von Ferroelektrizität die supraleitende Phase sogar stabilisiert und deren Sprungtemperatur anhebt. Sie verwendeten für ihr Experiment Strontiumtitanat (SrTiO3), ein transparentes, elektrisch isolierendes Material mit annähernd kubischer Kristallstruktur. Erst die Dotierung – das Einbringen von Fremdatomen – mit Kalzium und das Einbringen von Sauerstofffehlstellen generiert diesen exotischen Grundzustand. Beteiligt an der Studie war ein Team um die Professoren Dr. Joachim Hemberger und Dr. Thomas Lorenz vom II. Physikalischen Institut der Universität zu Köln sowie das Laboratoire Physique et Etude de Matériaux der Universität Paris. Die Studie wurde in Nature Physics veröffentlicht. Das Projekt wurde im Rahmen der Exzellenzinitiative der Universität zu Köln im Kompetenzbereich III „Quantum Matter and Materials“ gefördert und profitierte von Kooperationen innerhalb des Sonderforschungsbereichs 1238 „Control and Dynamics of Quantum Matter“.

    Das untersuchte Übergangsmetall-Oxid SrTiO3 wird als Quanten-Paraelektrikum bezeichnet, denn es ist fast ferroelektrisch, aber eine makroskopische ferroelektrische Ordnung wird durch Quanten-Fluktuationen verhindert. Geringfügige Dotierung mit Kalzium unterdrückt diese Fluktuationen und das System wird ferroelektrisch. Durch leichte Veränderungen im Sauerstoffgehalt lassen sich zudem freie Elektronen erzeugen, so dass SrTiO3 leitfähig und bei tiefen Temperaturen sogar supraleitend wird.

    Die Wissenschaftler um Carl Willem Rischau untersuchten nun den Einfluss einer simultanen Dotierung in dem Material Sr1−xCaxTiO3−δ (0.002 < x < 0.009, δ < 0.001). In ihren Experimenten zeigt sich, dass das auf beide Weisen dotierte Material nicht nur supraleitfähig wird, sondern gleichzeitig auch polare, ferroelektrische Gitterverzerrungen auftreten. Das bedeutet, dass in Sr1−xCaxTiO3−δ der ferroelektrische Zustand mit der Supraleitfähigkeit koexistiert. Außerdem beobachten die Wissenschaftler, dass die supraleitende Sprungtemperatur in Sr1−xCaxTiO3−δ im Vergleich zu den Kalzium-freien Systemen sogar ansteigt. Zwar existieren die supraleitend-ferroelektrischen Mischphasen aktuell nur in einem Temperaturbereich unterhalb von 1 Kelvin (-272°C), aber es besteht die Hoffnung den gefundenen stabilisierenden Einfluss von Ferroelektrizität auf die Supraleitung auch in anderen Systemen etablieren und so ggf. zu höheren Temperaturen vordringen zu können.

    Link: Carl Rischau, Xiao Lin, Christoph Grams, Dennis Finck, Steffen Harms, Johannes Engelmayer, Thomas Lorenz, Yann Gallais, Benoit Fauqué, Joachim Hemberger and Kamran Behnia, A ferroelectric quantum phase transition inside the superconducting dome of Sr1-xCaxTiO3-δ
    Nature Physics, 4085, (2017), http://www.nature.com/nphys/journal/vaop/ncurrent/full/nphys4085.html
    Zusätzlich: Marc Gabay & Jean-Marc Triscone, Superconductivity: Ferroelectricity woos pairing, Nature Physics: News and Views, 4124 (2017), https://www.nature.com/nphys/journal/vaop/ncurrent/full/nphys4124.html

    Kontakt: Professor Dr. Joachim Hemberger
    II. Physikalisches Institut, Zülpicher Str. 77
    50937 Köln
    hemberger@ph2.uni-koeln.de
    Oder
    Professor Dr. Thomas Lorenz
    II. Physikalisches Institut, Zülpicher Str. 77
    50937 Köln
    tl@ph2.uni-koeln.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Chemie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).