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05.08.2003 14:37

Neue Theorie zur Steuerung der Aufmerksamkeit im Gehirn

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Forschungsprojekt von Prof. Matthias Müller setzt neue Zeichen in der Grundlagenforschung zum Gehirn und bringt damit Spotlight-Theorie ins Wanken

    Wie wird Aufmerksamkeit im Gehirn gesteuert? Fast drei Jahrzehnte lang war die sogenannte "Spotlight-Theorie" Antwort auf diese Frage. Die Theorie basiert auf der Annahme, dass die visuelle Aufmerksamkeit des Menschen wie ein Lichtkegel funktioniert und nur auf ein Objekt gerichtet werden kann. Jetzt gerät die Spotlight-Theorie jedoch ins Wanken. Im Rahmen eines Forschungsprojektes von Prof. Matthias Müller konnte nachgewiesen werden, dass der Mensch seine visuelle Aufmerksamkeit durchaus auf mehrere Objekte gleichzeitig richten kann. Diese Erkenntnis fand in wissenschaftlichen Kreisen schlagartig viel Beachtung und wurde sogar in einer der letzten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" publiziert.

    Prof. Müller ist seit 1. April 2003 Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre an der Universität Leipzig. Die Idee zu seinem Projekt entstand im Laufe seiner bisherigen wissenschaftlichen Forschungsarbeit, wo ihm immer wieder Zweifel an der Spotlight-Theorie aufkamen. Seine Skepsis veranlasste Prof. Müller zu dem Forschungsprojekt.

    Er wollte widerlegen, dass Aufmerksamkeit als "Spotlight of Attention", als bewegbarer Lichtkegel oder auch Zoomlinse fungiert und damit nur auf ein Objekt gerichtet sein kann und alles andere in den Hintergrund treten lässt. Ebenso zweifelhaft erschien ihm die Aussage, dass der Mensch mehrere Objekte durch schnelle Augenbewegung in einem Abstand von ca. 200 ms nur nacheinander erfassen kann.

    Bei seinen Untersuchungen ging Prof. Müller vielmehr von der Annahme aus, dass der Mensch seine Aufmerksamkeit auf mehrere Objekte gleichzeitig richten kann und es damit möglich ist, etwa ein mittiges Objekt zwischen zwei anderen Objekten bewusst zu ignorieren. Dies würde der Spotlight-Theorie widersprechen.

    In seiner Untersuchung wurden die neuronalen Mechanismen im menschlichen Gehirn untersucht, die die visuelle Aufmerksamkeit steuern. Durch die Messung der Gehirnströme konnte man feststellen, worauf die Probanten ihre Aufmerksamkeit richteten.

    In Prof. Müllers Experiment wurden verschiedene Objekte auf einem Bildschirm dargestellt, die sich links und rechts eines mittig angebrachter Fixierungspunkt, der auch gleichzeitig die Mitte des Sehfeldes darstellte, befanden. Von diesem ausgehend wurden links und rechts in einem Blickwinkel von 4° bzw. 9° jeweils zwei Symbole zeitgleich für kurze Zeit dargeboten. Im Hintergrund flackerten weiße Quadrate mit einer Frequenz von 15,2 Hz (Position 1), 8,7 Hz (Position 2), 20,3 Hz (Position 3) und 12,2 Hz (Position 4) für etwas mehr als 3 Sekunden. Die Probanten sollten zwei der vier Positionen aufmerksam beobachten und immer dann einen Knopf drücken, wenn zwei gleiche Symbole in diesen Positionen gleichzeitig aufflackerten. Dabei lagen die Symbole nicht immer direkt nebeneinander, sondern teilweise auch in einer linken und rechten Position, mit einem anderen Symbol in der Mitte. Über die ganze Zeit, wurden die Gehirnströme der Probanten gemessen. Wurde dem flackernden Symbol an den entsprechenden Orten die Aufmerksamkeit geschenkt, war dies nachweisbar da das Beachten eines solchen Reizes mit höheren Gehirnantworten verbunden war im Vergleich dazu wenn dieser Reiz nicht beachtet wurde. Auf diese Art konnte genau festgestellt werden, ob es den Probanten gelungen war, zwei Symbolen bei gleichzeitiger Nichtbeachtung eines sich zwischen diesen Symbolen befindlichen Symbols gleichwertige Aufmerksamkeit zu schenken. Und dies war in der Tat der Fall. Die Probanten waren in der Lage, zwei Objekten Aufmerksamkeit zu widmen, während sie ein mittiges ignorierten.

    Außerdem konnten die Untersuchungen die Annahme der Spotlight-Theorie ausschließen, dass die Aufmerksamkeit des Beobachters von einem Punkt zum nächsten wandert. Die Augen blieben die ganze Zeit innerhalb des Blickfeldes und durften nicht bewegt werden. Außerdem wurden die Symbole so kurz dargeboten, dass die Zeit nicht ausgereicht hätte, identische Symbole an diesen Orten zu identifizieren, wenn der Lichtkegel hin und her bewegt worden wäre.

    Prof. Müller konnte sein Projekt erfolgreich abschließen und wesentliche Annahmen der Spotlight-Theorie widerlegen. Doch die Arbeit geht weiter, so Matthias Müller: "Die Theorie wackelt, aber sie ist noch nicht umgeworfen!"

    Kathrin Winkler

    weitere Informationen:
    Prof: Matthias Müller
    Telefon: 0341 - 97 35 960
    E-Mail: m.mueller@uni-leipzig.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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