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14.08.2003 00:00

Bäume im Stress. Wochen der Glut forderten ihre Opfer

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Unter der wochenlangen Sonnenglut haben auch die Pflanzen gelitten. Anlass für ein Gespräch mit Dr. Matthias Gilbert, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Botanik der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie der Universität Leipzig. Gilbert war beteiligt an einem Forschungsprojekt zur Messung von Stressfaktoren bei Pflanzen.

    Direkt vor dem Institut steht ein junger Ahorn. Die im Inneren noch grünen Blätter haben einen mehrere zentimeterbreiten braunen Rand und rascheln schon gefährlich. Herbst im August?

    "Nein, das ist nicht der Herbst", so Gilbert mit sorgenvollem Blick auf die Blätter. "Das hier ist der Notstand. Wochenlang kein Wasser und extreme Temperaturen, das ist für jeden Baum lebensgefährlich. Hinzu kommt ja noch, dass die meisten Straßenbäume von so winzigen Baumscheiben umgeben sind, dass selbst ein gelegentlicher Guss kaum Feuchtigkeit an die Wurzeln bringt. Aber die Pflanzen litten nicht nur unter dem hitzebedingten TrockenStress, sondern auch an verstärkter Strahlungsintensität und an Ozon. Unter Sommer Smog Bedingungen ist das verstärkt gebildete Ozon eines der stärksten Pflanzenschadgase in Bodennähe."

    Wenn sich die Blätter im September oder Oktober verfärben, dann ist dies ein ganz anderer, ein planmäßig ablaufender physiologischer Prozess. Der mit der Tageslänge abnehmende Lichteinfall, leitet die hormonell gesteuerten Prozesse zum Laubfall ein. Der für die Photosynthese wichtige grüne Blattfarbstoff Chlorophyll wird abgebaut, rote und gelbe Farbstoffe treten in den Vordergrund. Später dann wird das Wasser-Leit-Gewebe verkorkt. Die Blätter vertrocknen und fallen ab.

    Was aber lief in den vergangenen Wochen ab? Solange die Pflanzen grüne Blätter haben, betreiben sie Photosynthese, die ihrer Energie- und Nährstoffversorgung dient. Die Photosynthese ist ein biochemischer Prozess, bei dem mit Hilfe von Sonnenlicht aus energiearmen anorganischen Stoffen energiereiche organische Stoffe aufgebaut werden. Aber dazu braucht die Pflanze auch Wasser. "Ab wann ein Wasserdefizit die Nährstoffproduktion unter das lebensnotwendige Level drückt ist in der freien Natur schwer zu sagen", so Gilbert. "Ebenso wenig kann man sichere Prognosen aufstellen, ob ein unter starken Stressbedingungen scheinbar abgestorbener Baum wieder austreiben wird. Auch ist dieser 'Überlebenswille' nicht ganz ungefährlich für die Pflanze. Denn frische, sozusagen im zweiten Anlauf entstandene Triebe sind bis zum Winter möglicherweise nicht alle genügend lignifiziert, also verholzt, um dem Frost zu widerstehen." Und der könnte, glaubt man der Bauernregel, die nach heißen Hundstagen einen grimmigen Winter prophezeit, hart werden. Auch hier sind die Bäume im Nachteil, die sich nicht ihrer Natur gemäß auf die Fröste vorbereiten konnten. So vermögen einige Arten, unter normalen Umständen, eine Art Frostschutzmittel akkumulieren, das in den Geweben der Bäume Winterschäden vermeidet.

    Mit Blick auf pilzliche und tierische Schädlinge hat die lange Trockenperiode unterschiedliche Auswirkungen auf die Bäume. Pilzarten, die für die Keimung ihrer Sporen auf der Blattoberfläche feuchtes Klima brauchen, hatten wochenlang schlechte Karten. Hinzu war es ihnen nahezu unmöglich, wie üblich durch die Spaltöffnungen, die dem Blatt zum Wasserdampf- und Kohlendioxidaustausch dienen, ins Blattinnere einzudringen. Die blieben nämlich wegen der Trockenheit soweit wie möglich geschlossen. Etwas problematischer hingegen ist der Insektenbefall. Sind die Pflanzen geschwächt, erzeugen sie weniger Abwehrstoffe, die Insekten den Appetit verderben oder ihr Eindringen in die Pflanze verhindern. So vermehren sich Borkenkäfer in unseren Wäldern besonders stark in trockenen warmen Sommern, wenn die Bäume unter hitzebedingtem Trocken-Stress stehen.

    Bleibt noch eine ganz praktische Frage an den Stress-Experten: Wie lange lohnt es, einen Baum zu gießen? "In der Regel, solange er noch grüne Blattbestandteile hat." Allerdings, gibt Gilbert zu bedenken: "Wenn das gesamte Laub vertrocknet ist, wird es eine Gewissenfrage. Es kann passieren, dass man dann durch Wassergaben den ruhenden aber noch lebendigen Baum erst zu erneutem Austrieb anregt und er später für den Winter keine Reserven mehr hat. Ich persönlich würde den Baum dann einfach stehen lassen, aber keinesfalls roden. Das Urteil wird erst im kommenden Frühling verkündet."

    Marlis Heinz

    weitere Informationen:
    Dr. Matthias Gilbert
    Tel.: 0341 - 97 3 85 24
    E-Mail: mgilbert@rz.uni-leipzig.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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