Wo Menschen in Gruppen zusammen kommen, gibt es zwangsläufig früher oder später Probleme. Der Nachwuchswissenschaftler Michael Ziemons, Mitarbeiter am Institut für Sozialpädagogik, Weiterbildung und empirische Pädagogik der Universität Münster, hat dieses Phänomen jetzt im Rahmen einer Untersuchung erforscht und kommt zu dem Ergebnis: "Krisen sind wichtig und eine große Chance für jede Gruppe!".
Probleme und Streit als gefährlich und schädlich für die Gruppe anzusehen, sei ein großer Fehler. Ziemons: "So kommt es zu einem Rumpelstilzchen-Effekt! Solange das Problem nicht beim Namen genannt wird, hat es Macht und kann zerstörerisch wirken. Erst dann werden Krisen zur Gefahr". Wie im Märchen vom Rumpelstilzchen würden Krisen in Gruppen nur dann zum Problem, wenn sie unterschwellig wirken könnten. Zur Chance für eine Gruppe werde eine Krise aber dann, so Ziemons, wenn man sie offen anspreche, ihr auf den Grund gehe und sie beim Namen nenne.
Dafür lohne es sich, Zeit zu investieren: "Auch die Prinzessin im Märchen hatte eigentlich etwas anderes zu tun, als dem kleinen Wesen hinterher zu spionieren. Gewinnen konnte sie nur, weil sie ihre Arbeit liegen ließ, um den Namen 'Rumpelstilzchen' in Erfahrung zu bringen", überträgt Ziemons das Märchen auf menschliches Verhalten in Gruppen. Oft nehme man sich nicht die Zeit, Störungen auf den Grund zu gehen, denn schließlich habe man wichtigeres zu tun, als sich um sich selbst zu kümmern.
Die Untersuchung von Michael Ziemons beschränkt sich nicht darauf, Krisen zu untersuchen und zu beschreiben: Erforscht und ausprobiert wurden auch Wege aus der Krise und konkrete Handlungsanleitungen für Gruppenleiter. "Es ging uns darum, die Leute nicht einfach mit einer Empfehlung allein zu lassen, sondern auch konkrete Schritte zu zeigen, wie mit Krisen so umgegangen werden kann, dass sie zu Chancen werden". Ziemons, der auch Vorstandsmitglied im 'Ruth-Cohn-Institut für TZI Rheinland-Westfalen' in Düsseldorf ist, hat dazu die "Themenzentrierte Interaktion" (TZI), eine Haltung und Methode aus der
pädagogischen Psychologie, in die Erwachsenenpädagogik übertragen. "So lassen sich hervorragend und systematisch alle Arten von Krisen in Gruppen praxisnah und lösungsorientiert darstellen", beschreibt der Pädagoge die Vorteile dieser Vorgehensweise.
Dabei war es für die Untersuchung von großer Bedeutung, nicht nur theoretische Schritte zu vollziehen. Immer wieder fließen Beispiele und Erfahrungsberichte mit ein, werden Praxisbeispiele aus Bildungseinrichtungen im Münsterland herangezogen, etwa aus der Jugendbildungsstätte Gilwell St. Ludger in Haltern oder dem Bischöflichen Jugendamt in Münster. So wird etwa anschaulich eine Gruppensituation am 11. September 2001 beschrieben, als eine Gruppe in einem dreitätigen Seminar durch die schrecklichen Nachrichten aus den USA aufgeschreckt wurde. "Obwohl es anfangs schien, als müsse das Seminar abgebrochen werden, gelang es, diese von außen hereinbrechende Krise in das Seminar zu integrieren - ich habe selten so einen intensiven Kurs erlebt", fasst Ziemons seine Erfahrungen zusammen.
Die gesamte Untersuchung wurde in einem Buch veröffentlicht: "Lernen an Krisen in der Erwachsenenbildung" heißt es und ist soeben im Schneider-Verlag Hohengehren erschienen. "Man kann das Buch als eine erwachsenenpädagogische Krisendidaktik bezeichnen", so Prof. Dr. Arnold von der Universität Kaiserslautern in seinem Vorwort. Prof. Dr. Ursula Sauer-Schiffer, Hochschullehrerin für Methodik und Didaktik der Erwachsenenbildung und außerschulische Jugendbildung an der Universität Münster, die das Entstehen des Werkes wissenschaftlich begleitet hat, freut sich: "Entstanden ist eine Hilfe für jeden, der mit und in Gruppen arbeitet".
Michael Ziemons: Lernen an Krisen in der Erwachsenenbildung. Schneider Verlag Hohengehren. Baltmannsweiler 2003, ISBN 3-89676-728-3.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Pädagogik / Bildung
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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