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23.01.2018 10:48

Komplexe Parkettmuster, außergewöhnliche Materialien

Dr. Ulrich Marsch Corporate Communications Center
Technische Universität München

    Ein internationales Forscherteam unter Führung der Technischen Universität München (TUM) hat einen Reaktionsweg entdeckt, der exotische Schichten mit halbregulärer Struktur erzeugt. Solche Materialien sind interessant, weil sie häufig außerordentliche Eigenschaften besitzen. Bei dem Verfahren verbinden sich einfachere organische Moleküle zu größeren Bausteinen, die dann komplexe, halbreguläre Muster erzeugen.

    Um eine Fläche mit gleichförmigen Kacheln lückenlos zu pflastern, kommen nur wenige geometrische Grundformen in Frage: Dreiecke, Vierecke und Sechsecke. Mit zwei oder mehr Kachelformen lassen sich wesentlich mehr und deutlich komplexere Muster erzeugen, die immer noch regelmäßig sind, die sogenannten Archimedischen Parkettierungen.

    Auch Materialien können eine solche Parkettierung aufweisen. Diese Strukturen sind häufig mit ganz besonderen Eigenschaften verbunden, zum Beispiel mit außergewöhnlicher elektrischer Leitfähigkeit, spezieller Lichtreflektion oder extremer mechanischer Belastbarkeit. Doch es ist schwierig, solche Strukturen gezielt zu erzeugen. Dafür sind große molekulare Bausteine nötig, die nicht mit den konventionellen Herstellungsprozessen kompatibel sind.

    Komplexes Parkettmuster durch Selbstorganisation

    Bei einer Klasse supramolekularer Netzwerke ist nun einem internationalen Team um die Professoren Florian Klappenberger und Johannes Barth vom Lehrstuhl für Experimentalphysik an der TUM sowie Professor Mario Ruben vom Karlsruher Institut für Technologie ein Durchbruch gelungen: Sie brachten organische Moleküle dazu, sich zu größeren Bausteinen zu verbinden, die selbstorganisiert ein komplexes Parkettmuster bilden.

    Als Ausgangsverbindung nutzten sie Ethynyl-Iodophenanthren, ein handliches organisches Molekül aus drei aneinandergekoppelten Kohlenstoffringen, das ein Iod- und ein Alkin-Ende besitzt. Auf einem Silbersubstrat bildet dieses Molekül zunächst ein regelmäßiges Netz mit großen sechseckigen Maschen.

    Eine Wärmebehandlung setzt dann eine Abfolge chemischer Prozesse in Gang, die einen neuartigen, deutlich größeren Baustein erzeugen, der dann quasi automatisch und selbstorganisiert eine komplexe Schicht mit kleinen sechs-, vier- und dreieckigen Poren bildet. Dieses Muster wird in der Sprache der Geometrie als semireguläre 3.4.6.4 Parkettierung bezeichnet.

    Einfache organische Bausteine bilden komplexe Materialien

    „Unsere an der TUM durchgeführten Rastertunnelmikroskopie-Messungen zeigen deutlich, dass am Molekülumbau viele Reaktionen beteiligt sind, was normalerweise zu zahlreichen Abfallprodukten führt. Hier jedoch werden die Nebenprodukte wiederverwendet, so dass der Gesamtprozess mit großer Atomökonomie, das heißt mit nahezu hundertprozentiger Ausbeute, zuverlässig zum gewünschten Endprodukt führt“, erklärt Prof. Klappenberger.

    Wie es dazu kommt, fanden die Forschenden durch weitere Experimente heraus. „Mit Hilfe röntgenspektroskopischer Messungen am Elektronenspeicherring BESSY II des Helmholtz-Zentrums Berlin konnten wir entschlüsseln, wie sich Iod vom Ausgangsstoff abspaltet, Wasserstoffatome zu neuen Plätzen wandern und die Alkin-Gruppen ein Silber-Atom einfangen“, berichtet Erstautor Yi-Qi Zhang.

    Mit Hilfe des Silber-Atoms binden sich in der Folge zwei Ausgangsbausteine zu einem neuen, größeren Baustein aneinander. Die neuen Bausteine bilden anschließend die beobachtete komplexe Porenstruktur.

    „Wir haben einen völlig neuen Weg entdeckt, um komplexe Materialien aus einfachen organischen Bausteinen herzustellen“, fasst Klappenberger zusammen. „Das ist wichtig, um Materialien mit neuen und extremen Eigenschaften gezielt synthetisieren zu können. Außerdem tragen diese Ergebnisse dazu bei, das spontane Auftauchen (Emergenz) von Komplexität in chemischen und biologischen Systemen besser zu verstehen.“

    ---

    Die Arbeiten wurden gefördert mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (im Rahmen des Exzellenzclusters Munich-Centre for Advanced Photonics sowie des Schwerpunktprogramms SPP 1459, des Transregio TR 88 3MET C5 und des DFG Projekts KL 2294/3) und des European Research Councils (ERC Advanced Grant MolArt). Die Synthese und Charakterisierung der Moleküle wurden in der Karlsruhe Nano Micro Facility durchgeführt.

    Publikation:

    Yi-Qi Zhang, Mateusz Paszkiewicz, Ping Du, Liding Zhang, Tao Lin, Zhi Chen, Svetlana Klyatskaya, Mario Ruben, Ari P. Seitsonen, Johannes V. Barth, and Florian Klappenberger:
    Complex supramolecular interfacial tessellation through convergent multistep reaction of a dissymmetric simple organic precursor,
    Nature Chemistry 2017. DOI: 10.1038/nchem.2924

    Kontakt:

    Prof. Florian Klappenberger
    Technische Universität München
    Lehrstuhl für Experimentalphysik
    James-Franck-Str. 1, 85748 Garching, Germany
    Tel.: +49 89 289 12616 – E-Mail: florian.klappenberger@tum.de


    Weitere Informationen:

    http://www.e20.ph.tum.de/klappenberger-group/research/ Website der Arbeitsgruppe
    https://www.nature.com/articles/nchem.2924 Publikation bei nature chemistry
    https://www.tum.de/nc/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/detail/article/34411/ Pressemitteilung auf der Website der TUM
    https://mediatum.ub.tum.de/1428852 Bildmaterial


    Bilder

    Sogenannte archimedische Parkettierungen sind oft mit sehr speziellen Eigenschaften verbunden, beispielsweise einer ungewöhnlichen elektrischen Leitfähigkeit oder einer speziellen Lichtreflektivität
    Sogenannte archimedische Parkettierungen sind oft mit sehr speziellen Eigenschaften verbunden, beisp ...
    Klappenberger und Zhang / TUM
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    Der neue Baustein (links, rot) besteht aus zwei konvertierten Ausgangsmolekülen, die durch ein Silber-Atom (blau) verbunden sind. Aus ihnen entstehen dann die komplexen, halbregulären Parkettmuster.
    Der neue Baustein (links, rot) besteht aus zwei konvertierten Ausgangsmolekülen, die durch ein Silbe ...
    Klappenberger und Zhang / TUM
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Chemie, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Sogenannte archimedische Parkettierungen sind oft mit sehr speziellen Eigenschaften verbunden, beispielsweise einer ungewöhnlichen elektrischen Leitfähigkeit oder einer speziellen Lichtreflektivität


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    Der neue Baustein (links, rot) besteht aus zwei konvertierten Ausgangsmolekülen, die durch ein Silber-Atom (blau) verbunden sind. Aus ihnen entstehen dann die komplexen, halbregulären Parkettmuster.


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