Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), der Universität Leicester und der Universität Vigo haben erstmals nachgewiesen, dass die kinetische Energie von Teilchen in granularen Gasen, etwa Staubwolken, temporär steigen kann, obwohl dem System stetig Energie entzogen wird. Damit präzisieren sie das vor 35 Jahren formulierte Haff’sche Gesetz, nach dem die granulare Temperatur in geschlossenen Systemen stetig abnimmt. Die mit neuartigen Simulationsverfahren gewonnenen Forschungsergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.*
Granulare Gase sind Systeme, die in geringer Dichte makroskopische Teilchen enthalten. Beispiele sind kosmischer Staub, die Planetenringe um Saturn, Uranus und Neptun, aber auch aufgewirbelte irdische Staubwolken.
Im Grunde können sie wie molekulare Gase, etwa Helium, beschrieben werden – mit einem wichtigen Unterschied: Granulare Partikel kollidieren nicht elastisch miteinander. „In isolierten granularen Gasen ohne externe Energiezufuhr nimmt die Bewegungsenergie der Teilchen aufgrund der Zusammenstöße stetig ab, deshalb sinkt auch die granulare Temperatur“, erklärt Prof. Dr. Thorsten Pöschel vom Lehrstuhl für Multiscale Simulation of Particulate Systems der FAU. „Dieses Kühlgesetz, auch Haff’sches Gesetz genannt, ist seit 1983 bekannt und eine der zentralen Erkenntnisse der Kinetik granularer Gase.”
Adhäsion verändert Eigenschaft
Das Haff’sche Gesetz der granularen Kühlung lässt jedoch einen Aspekt unberücksichtigt: Insbesondere in Systemen mit sehr kleinen Teilchen im Mikrometerbereich kommt es durch verschiedene Kräfte, beispielsweise durch Oberflächenadhäsion oder elektrostatische Ladungen, zu Zusammenhaftungen der Partikel. „Aufgrund dieser Aggregationen wachsen die Teilchen und verändern ihre Eigenschaften. Zugleich sinkt ihre Zahl im System und damit auch die Zahl der Freiheitsgrade für die Teilchenbewegung“, sagt Thorsten Pöschel. „Unsere Vermutung war, dass sich dadurch temporär die granulare Temperatur erhöhen kann, obwohl bei jedem Stoß mechanische Energie verloren geht.“
Neue Simulationsmethoden präzisieren altes Gesetz
Genau diesen kontraintuitiven Effekt konnte Pöschel gemeinsam mit dem Physiker Nikolai V. Brilliantov von der Universität Leicester (Großbritannien) und dem Informatiker Arno Formella von der Universität Vigo (Spanien) in aufwändigen Simulationen nachweisen. Dafür haben die Forscher etablierte Methoden angewandt und weiterentwickelt, etwa die analytische Mathematik für die Kinetik der Gaseigenschaften und die Monte-Carlo-Simulation – ein stochastisches Verfahren auf der Basis der Wahrscheinlichkeitstheorie. Pöschel: „Mit einem neuartigen System kinetischer Gleichungen und entsprechender Skalierungslösungen ist es uns erstmals gelungen, die Dynamik der Teilchenaggregation in granularen Gasen zuverlässig abzubilden. Wir haben das Haff’sche Gesetz keinesfalls revidiert, aber einen wichtigen Effekt nachgewiesen, der bislang unberücksichtigt blieb.“
Die Ergebnisse der Wissenschaftler könnten dabei helfen, die grundlegenden Eigenschaften granularer Gase besser zu verstehen – sei es bei irdischen Effekten wie der Rußagglomeration in Rauchgasen oder bei astrophysikalischen Phänomenen wie kosmischem Staub in planetaren Ringen. Sie wurden unter dem Titel „Increasing temperature of cooling granular gases“ in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
*doi: 10.1038/s41467-017-02803-7
Kontakt:
Prof. Dr. Thorsten Pöschel
Lehrstuhl für Multiscale Simulation of Particulate Systems
Tel.: 09131 85-20865
thorsten.poeschel@fau.de
Granulares Gas
Thorsten Pöschel
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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