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18.09.2003 09:47

Gefährliche Gemütlichkeit

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Wenn Kinder mit Lampenöl in Berührung kommen, drohen ihnen gesundheitliche Schäden.

    Während es draußen kühl und finster wird, kommt die Zeit für Gemütlichkeit bei Kerzenschein - oder beim Licht des Öllämpchens. Doch das brennbare Öl ist absolut nicht harmlos. Kinderärzte der Universität Leipzig haben 23 Fälle analysiert, bei denen ihre kleinen Patienten mit Lampenöl in Berührung gekommen sind, und diese Analyse kürzlich veröffentlicht.

    Es gibt verschiedene Wege, auf denen das Öl in den Organismus der Kinder - die meisten Betroffenen sind zwischen einem und drei Jahren alt - gelangen kann: Zumeist versuchen sie, es in den Mund zu nehmen (Ingestion). Doch durch die hohe Flüchtigkeit gelangt der Stoff auch umgehend in die Lunge (Aspiration).

    Dass die Leipziger Universitäts-Kinderklinik zwischen 1992 und 1999 die meisten mit Lampenöl in Berührung gekommenen Patienten behandeln musste, hängt mit der Verfügbarkeit der Substanz zusammen. Erst mit der Vereinheitlichung des deutschen Marktes kamen Lampenöle auch in ostdeutsche Haushalte; vorher gab es in der Klinik keine Fälle von Lampenölaspiration. Zudem trat auf Initiative des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz 1999 eine Verordnung in Kraft, die den Verkauf von gefärbtem bzw. parfümiertem Lampenöl in Einzelhandels-Mengen untersagt. "Mit dem Inkrafttreten dieses neuen Gesetzes", so Dr. Werner Siekmeyer, Leiter der Kinder-Intensivstation, "kam nur noch Lampenöl auf den Markt, das die Neugier der Kinder - und die Kauflust der Erwachsenen - weniger herausfordert. Ungefährlicher ist das weniger attraktive Produkt jedoch keinesfalls. Eltern sollten Lampenöl nach wie vor als gefährliche Chemikalie ansehen und sich genau überlegen, ob sie es in ihrem Haushalt wirklich benötigen." Derzeit läuft eine bundesweite Studie, die überprüfen soll, inwieweit die Verkaufsbeschränkungen - so wie aus Leipziger Perspektive - insgesamt deutliche Rückgänge der Lampenölaspiration bei Kindern bewirkt hat.

    Was widerfährt den Kindern, die den bonbon-bunten (oder inzwischen eben farblosen) Flüssigkeiten zu nahe kamen, daran kosten oder schnuppern wollten? Nicht immer sind sofort irgendwelche Symptome zu erkennen. Manchmal dauert es noch bis zu mehreren Stunden, ehe die ersten Anzeichen auftreten. Auch muss die Menge des Lampenöls, mit dem das Kind in Berührung gekommen ist, nicht groß sein. Bei einem Körpergewicht von 10 Kilogramm, reichen 3 Milliliter verschlucktes oder 800 Milligramm eingeatmetes Öl, um Beschwerden zu verursachen.

    "Doch die meisten der von uns behandelten Kleinkinder zeigten sofort Symptome, die nach 30 Minuten voll ausgeprägt waren", so Dr. Werner Siekmeyer. "Von den 23 Patienten mussten 19 stark husten, 15 hatten Fieber, acht übergaben sich, auch an Übelkeit litten einige. Acht der Betroffenen hatten Atemprobleme." Die Kinder mussten von einem bis zu neun Tagen im Krankenhaus bleiben. Ein kleiner Junge von 15 Monaten wurde fünf Tage lang beatmet. Zwar blieb den Leipziger Kinderärzten das erspart, aber in der medizinischen Literatur wird sogar von Todesfolgen berichtet.

    "Die meisten unserer Patienten hatten nach 12 Stunden das Schlimmste überstanden, aber auch mehrere Jahre nach dem Ereignis können - obwohl das Kind keine Beschwerden hat - noch narbige Veränderungen auf dem Röntgenbild zu entdecken sein", so Siekmeyer. "Es kann also nicht immer von einer völligen Ausheilung ausgegangen werden. Die von uns gefundenen Veränderungen sprechen für eine Beeinträchtigung der Funktion der kleinen Bronchien und können eventuell das Entstehen von chronischen Lungenkrankheiten befördern."

    Die Leipziger Kinderärzte fassen in ihrer Analyse ihre Therapieerfahrungen zusammen. So stellen sie unter anderem fest, dass das Ausmaß einer Schädigung nach 24 Stunden einschätzbar ist und ein in dieser Zeit symptomloser Patient entlassen werden kann. Da die hohe Flüchtigkeit des Öls zu einem Einatmen der Dämpfe führt, wenn sich das Öl im Mund oder Rachen befindet, sind Magenspülungen und das Erzwingen von Erbrechen nicht angeraten.

    "Eltern, die bemerken, dass ihr Kind mit Lampenöl in Berührung gekommen ist", so Dr. Siekmeyer, "rate ich ebenfalls, kein Erbrechen auszulösen, sondern ihr Kind unverzüglich in der Klinik vorzustellen und überwachen zu lassen. Auch wenn noch keine Symptome zu beobachten sind, muss die Gefahr noch nicht abgewendet sein."

    Marlis Heinz

    weitere Informationen:
    Dr. Werner Siekmeyer
    Telefon: 0341 - 97 2 60 04
    E-Mail: siew@medizin.uni-leipzig.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    regional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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