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25.09.2003 11:35

London liegt zwischen Europa und Indien

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Wer nach Indien fährt und nach Europa fragt, wird zumeist auf London verwiesen. Die Hauptstadt der einstigen Kolonialmacht gilt vielen Indern noch immer als das Zentrum der europäischen Macht; auch Wissenschaftlern und Studenten. Um diesen engen Blick zu weiten, engagiert sich die Europäische Union in Indien. An der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu Delhi fördert sie das European Union Studies Programme. Auf europäischer Seite koordiniert Prof. Dr. Hartmut Elsenhans (Lehrstuhl für Internationale Beziehungen am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Leipzig) das Projekt, das jetzt ein Internationales Seminar veranstaltet - erstmals außerhalb Indiens. International Seminar on Political and Social Transition in India and Europe

    Zeit: 29. bis 30. September 2003
    Ort: Villa Tillmann, Konferenzraum, Wächterstraße 30

    Wer in einer indischen Metropole wie Delhi, Bombay, Madras oder Kalkutta einen Brief nach Deutschland aufgeben möchte, dem kann es durchaus passieren, dass der Angestellte am Postschalter erst einmal die Landkarte zur Hand nimmt, um das Zielland zu suchen. Umgekehrt fallen über die Republik Indien zumeist Stichworte wie "britische Kolonie", "Mahatma Gandhi", "Taj Mahal" und "Green Card". Das Bild voneinander ist weitgehend oberflächlich und lückenhaft - in jüngster Zeit wird es hierzulande allenfalls durch Berichte über gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Hindus "erweitert". Doch es gibt auch andere Wege, die Verständnis voraus und reichen Kenntnis weiter. Professor Hartmut Elsenhans von der Universität Leipzig geht einen solchen Weg.

    Seit 1986 pflegt der 61-Jährige Politikwissenschaftler solide Beziehungen nach Südasien, hat sich hohes Ansehen bei den demokratischen Kräften Bangladeshs erworben, sich mit Pakistan und Sri Lanka beschäftigt und in Indien als Gastprofessor (1990 und 2002) gearbeitet. Mehr als ein Drittel seines umfangreichen wissenschaftlichen Werkes ist publiziert worden, unter anderem auch als Übersetzung in Telugu, einer südindische Lokalsprache. Seine Forschungen über Geschichte, Ökonomie und Politik der Nord-Süd-Beziehungen, über Entwicklung und Unterentwicklung, über die Folgen der Globalisierung für Indien zogen Prof. Elsenhans immer wieder in das größte Land des südasiatischen Raumes. Zugleich befasste er sich mit der indischen Perspektive auf Europa. Bislang richtet sich Indiens Fokus auf das ferne Europa fast ausschließlich auf die einstige Kolonialmacht Großbritannien. In diesem Blickwinkel gilt das kontinentale Europa - dessen Staaten sich zunehmend in die Europäische Gemeinschaft einbringen - als Anhängsel der britischen Insel, und London erscheint als das Machtzentrum Europas.

    Angesichts dieser Wahrnehmung, die aus der Geschichte lebt, setzt die Europäische Union auf Projekte zur Förderung und Unterstützung europäischer Studien im Ausland. In Indien läuft beispielsweise das European Union Studies Programme (EUSP) an der Jawaharlal-Nehru-Universität (JNU) Neu Delhi. Seit dem Start im März 2002 wurden vier internationale Seminare ausgerichtet, das fünfte läuft jetzt unter dem Titel "Political and Social Transition in India and Europe" an der Leipziger Universität. Mit dem internationalen Kongress stellt die Jawaharlal-Nehru-Universität erstmals ihr European Union Studies Programme (JNU EUSP) außerhalb Indiens vor. Dabei setzt das JNU EUSP weniger auf einen Vergleich von Gesellschaften und ihrer Prozesse. Vielmehr räumt der Verbund, zu dem neben der JNU die Universität Leipzig, die Pierre-Mendes-Universität Grenoble (Frankreich) und die Universität Amsterdam (Niederlande) gehören, der Vermittlung von Wissen und Kompetenz zu Europa und Europäischer Union höchste Priorität ein. Informationen über die EU, über ihre Grundsätze, Ziele und Programme sowie über ihre Gremien und ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu anderen Gemeinschaften weiterzugeben, das ist das erklärte Ziel. Dahinter steht eine klare Absicht: Den Studierenden und dem wissenschaftlichen Nachwuchs Indiens das kontinentale Europa nahe zu bringen "Wir investieren Wissen in junge Menschen, von denen wir hoffen, dass sie in zehn, fünfzehn Jahren prägend für das Bild Europas in Indien sind.", so Prof. Elsenhans, der das EUSP auf europäischer Seite koordiniert. Im Besonderen wecken Deutschland und Frankreich die Aufmerksamkeit. Für beide Staaten spricht ihr wirtschaftliches Gewicht. Deutschland rückt zudem durch seine zentrale geographische Lage in Europa und Frankreich durch seine enge politische Einbindung in das Weltsystem in das indische Blickfeld. Kurzum, es gilt, das Bild Europas mit Identität anzufüllen - jenseits der Allgegenwärtigkeit des britischen Kontextes. Das European Union Studies Programe der JNU fungiert hierbei als Knotenpunkt.

    Wie hoch die Meßlatte für die Qualität der Information und die Intensität der Vermittlung bei einem Projekt wie dem JNU EUSP liegt, zeigt das "International Seminar on Political and Social Transition in India and Europe". Nicht allein, dass indische Wissenschaftler der Nehru-Universität über ihr Land referieren und reflektieren; sie bringen ebenso ihre Sicht auf Europa ein. In dieser doppelten Perspektive hat der indische Botschafter in der Bundesrepublik, Seine Exzellenz T. C. A.Rangachari, einen Vortrag zur aktuellen Lage Indiens avisiert. Und auch Prof. Dipankar Gupta und Prof. Zoya Hasan (beide JNU) folgen mit ihren Ausführungen über Demokratie, Pluralismus und Verweltlichung dem indischen Blick auf Indien. Die umgekehrte Richtung hat Prof. Rajendra R. K. Jain (JNU) gewählt. Der indische Koordinator des Projekts beleuchtet die Migration in die Europäische Union; und Prof. B. Vivekanandan (JNU) schließt sich mit seinem Referat zu den Wohlfahrtsstaaten Europas dieser Sichtweise an. Derweil greift Prof. Hartmut Elsenhans mit den politisch-ökonomischen Fundamenten von Transitionen den "theoretischen Kern des Seminars" auf. Aus der "Nichtübertragbarkeit" des Begriffs "Transition" entfaltet sich eine Fülle von Fragen. "Langfristig", überlegt Prof. Elsenhans, "stellt sich die Frage: Wohin werden sich Gesellschaften bewegen?"

    Insgesamt wird das European Union Studies Programme an der Jawaharlal-Nehru-Universität drei Jahre laufen. Der Erfolg wird sich jedoch erst einstellen, wenn es gelingt, junge Studenten für Europa-Studien zu begeistern. Die momentane Situation sei "deutlich schlecht", so Prof. Elsenhans. Wenn es gelänge, die Europa-Studien durch Integration der Wirtschaft aufzuwerten, wäre das Ziel, europäische Identität zu vermitteln, greifbar nahe.

    Daniela Weber


    weitere Informationen:
    Katja Richter
    Institut für Politikwissenschaft
    Telefon: 0341 - 97 35 635
    E-Mail: karich@uni-leipzig.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-leipzig.de/~politik


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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