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17.10.2003 11:15

Verkehrsauffällige Kraftfahrer bekommen zweite Chance

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Verkehrsauffällige Kraftfahrer können auch nach negativem Gutachten noch eine zweite Chance bekommen
    Mehr Einzelfallgerechtigkeit durch Obergutachter

    Jährlich müssen sich in der Bundesrepublik weit mehr als 100.000 Kraftfahrer einer medizinisch-psychologischen Begutachtung unterziehen, weil aufgrund schwerer Verstöße im Straßenverkehr Bedenken gegen ihre charakterliche Eig-nung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen. Die Begutachtung soll die Frage beantworten, ob die Betroffenen in Zukunft bereit und in der Lage sind, sich an Gesetze und Vorschriften im Straßenverkehr zu halten. Diese Gutachten werden von den amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignung er-stellt. Bei einem großen Teil der untersuchten Kraftfahrer ergibt sich aufgrund der Untersuchung eine negative Verkehrsprognose. Sie müssen in der Folge auf den Führerschein verzichten. Dies bedeutet bei Selbständigen häufig, dass ihre wirtschaftliche Existenz bedroht ist, dass Berufskraftfahrer auf Dauer arbeitslos werden. Dies ist für die Betroffenen umso härter, wenn sie den Eindruck haben, das negative Gutachten sei in ihrem Fall nicht hinreichend begründet. Deshalb ist das Bedürfnis nach einer zweiten Instanz sehr groß.

    Wegen der großen Bedeutung, die die Fahrerlaubnis für die Betroffenen hat, wurde daher vom Verkehrsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in Köln eine Obergutachterstelle eingerichtet, die für alle betroffenen Bürgerinnen und Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen zuständig ist. Hier kann in jedem Ein-zelfall geprüft werden , ob dem Gutachten der "ersten Instanz" gefolgt werden kann. Die Beauftragung der Obergutachterstelle erfolgt durch die Verwaltungs-gerichte, die Verkehrsbehörden oder die Betroffenen selbst.

    Als Leiter der Obergutachterstelle wurde - mit Inkrafttreten der neuen Fahr-erlaubnis Verordnung (FeV) am 01.01.1999 - vom Ministerium Professor Dr. Egon Stephan, Direktor des Psychologischen Instituts der Universität zu Köln, bestellt. Er hat vor kurzem in einem Bericht eine Bilanz der ersten vier Jahre un-ter seiner Leitung gezogen und dem Ministerium, den Gerichten und Verkehrs-behörden vorgelegt.

    Aus diesem Bericht ergibt sich, dass die amtlich anerkannten Begutachtungs-stellen in der Regel gute Arbeit leisten. Dies lässt sich daran erkennen, dass je-weils von hundert negativ Beurteilten nur etwa 2 % ein Obergutachten erstellen lassen, während 98 % das negative Gutachten akzeptieren.

    Andererseits zeigt sich bei den 2 Prozent, die sich letztlich an die Obergut-achterstelle wenden, dass in diesen wenigen Fällen die Erstellung eines Obergutachtens oft Sinn macht, da, trotz negativem Erstgutachten, in einem nicht unerheblichen Prozentsatz ein positives Gutachten erstellt werden kann.

    Dies ist auf eine ganze Reihe von Ursachen zurückzuführen:

    ·1 Unter den 2%, die sich an die Obergutachterstelle wenden, sind vor allem solche Bürgerinnen und Bürger vertreten, die aus besonderen Gründen - und z. T. eben auch berechtigt - davon überzeugt sind, dass es in ihrem konkreten Fall zu einer Fehlbeurteilung gekommen ist.


    ·2 Die Untersuchungen an der Obergutachterstelle profitieren von der engen Verbindung von Forschungsprojekten und angewandter Ver-kehrspsychologie und daraus entwickelter Untersuchungsmethoden, die bei den Untersuchungen zur Anwendung kommen können.

    ·3 Die bei der Obergutachterstelle länger mögliche Beschäftigung mit dem Einzelfall ist auch hilfreich, um Ängste und ungünstige Verhal-tensstrategien bei den Begutachteten besser abbauen zu können.Häufig haben die Betroffenen z. B. bei der ersten Untersuchung aus Sorge, "etwas Falsches zu sagen", völlig nichts sagende oder zum Teil sogar - ohne sich dessen bewusst zu sein - zu ihren eigenen Lasten falsche Angaben gemacht, so dass die Erstgutachter gar keine Anhaltspunkte dafür finden konnten, dass der Betreffende sich in seiner Einstellung und seinem Verhalten positiv geändert hat. Hierauf kommt es aber für das zukünftige Verhalten im Verkehr entscheidend an. Hierauf wird im Gespräch mit den Betroffenen beim Obergutachten besonders ausführlich eingegangen.

    ·4 Zum Teil ist bei den Obergutachten aber auch deshalb eine günstigere Ausgangslage gegeben, weil die Betroffenen selbst nach dem oder den vorausgegangen negativen Gutachten intensiv - zum Teil mit fachlicher Hilfe von Verkehrspsychologen und Psychotherapeuten, aber auch von Selbsthilfegruppen - an sich gearbeitet und so ihre Einstellungen und ihr Verhalten positiv in die notwendige Richtung verändert haben. Gerade diese positiv veränderten Bürgerinnen und Bürger verdienen es, dass ih-nen rasch und effektiv geholfen wird, wobei in jedem Einzelfall sorgfältig der Anspruch des Einzelnen auf den Führerschein und der Anspruch der Allgemeinheit auf Verkehrsicherheit gegeneinander abzuwägen ist.

    Um sicherzustellen, dass jeder, der es möglicherweise verdient hat, eine zweite Chance bekommen kann, wurden die Verkehrsbehörden vom zuständigen Landesministerium vor kurzem darauf hingewiesen, dass die Betroffenen durch die Verkehrsbehörden darüber informiert werden sollen, dass sie bei negativem Gutachten die Möglichkeit haben, sich an die Obergutachtenstelle zu wenden.

    In der Vergangenheit kam es vielfach vor, dass Betroffene erst nach Jahren und langen Irrwegen zur Obergutachterstelle kamen, weil sie vorher diese Möglich-keit nicht kannten oder ihre Anwälte glaubten, seit Inkrafttreten der neuen Fahr-erlaubnisverordnung 1999 gebe es keine Obergutachten mehr.

    Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias

    Für Rückfragen steht Ihnen Professor Dr. Egon Stephan unter der Telefonnummer 0221/470-5653 und 0221/470-2413, der Faxnummer 0221/470-5964 und der E-Mail-Adresse egon.stephan@uni-koeln.de zur Verfügung.
    Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web
    (http://www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/index.html).
    Für die Übersendung eines Belegexemplars wären wir Ihnen dankbar.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Psychologie, Verkehr / Transport
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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