Als Folgeprojekt der 2017 veröffentlichten Studie über die Opfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze untersucht der Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität nun tödlich gescheiterte Fluchtversuche von DDR-Bürgern an den Grenzen des ehemaligen Ostblocks. Bei der Untersuchung kooperiert der Forschungsverbund mit den Universitäten Greifswald und Potsdam.
Das Forschungsteam an der Universität Greifswald recherchiert dabei die Todesfälle von DDR-Bürgern bei Fluchtversuchen über die Ostsee, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität Potsdam untersuchen die Funktion des DDR-Justizministeriums im SED-Staat bei Rechtsbeugungen insbesondere gegen Ausreisewillige und festgenommene Flüchtlinge. Die Verbundforschung der drei Universitäten wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund drei Millionen Euro gefördert.
Das BMBF hat in einem wettbewerblichen Verfahren aus über 100 Bewerbungen 14 Forschungskonsortien ausgewählt, die in den nächsten vier Jahren mit einer Fördersumme von 40 Millionen Euro mit dem Ziel unterstützt werden, eine stärkere Verankerung der DDR-Forschung in der deutschen Hochschul- und Forschungslandschaft zu garantieren.
Das von der sowjetischen Besatzungsmacht errichtete und von der DDR weiterentwickelte Grenzregime an der Grenze zur Bundesrepublik und in Berlin hinderte Millionen Menschen nicht daran, die Flucht über die innerdeutsche Grenze und über die Westgrenzen der sozialistischen Staaten Osteuropas zu wagen. Schon vor dem Mauerbau endeten Grenzüberquerungen in Berlin und an der innerdeutschen Grenze in zahlreichen Fällen tödlich, zum Teil mit schwersten Verletzungen und im Falle von Festnahmen vielfach mit langjährigen Haftstrafen. Die Zahl der in Berlin (179) und der innerdeutschen Grenze (327) ums Leben gekommenen Grenzgängern, Flüchtlingen und Grenzsoldaten ist durch drei Untersuchungen erschlossen und in Biografischen Handbüchern dokumentiert. Vergleichbare wissenschaftliche Untersuchungen zu den bei Fluchtversuchen über die Ostsee oder an den Grenzen der anderen Ostblockstaaten ums Leben gekommenen DDR-Bürger liegen bislang nicht vor. Diese Lücke soll durch das Verbundprojekt geschlossen werden. Auch zur DDR-Willkürjustiz gegen Ausreisewillige und festgenommene Flüchtlinge gibt es noch keine wissenschaftliche Studie. Unerforscht ist insbesondere die Funktion des DDR-Justizministeriums und seiner nachgeordneten juristischen Institutionen. Eine unbekannte Zahl von DDR-Bürgerinnen und DDR-Bürgern wurde wegen der Vorbereitung oder Ausführung von Fluchtversuchen auf der Grundlage von Vorgaben aus der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und dem DDR-Justizministerium zu Haftstrafen verurteilt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des gemeinsamen Forschungsvorhabens der Freien Universität Berlin, der Universität Greifswald und der Universität Potsdam wenden sich mit ihrem Verbundprojekt in den kommenden vier Jahren den Schicksalen von Menschen zu, die den gefährlichen Weg aus der SED-Diktatur in die Freiheit wagten und dafür ihr Leben oder langjährige Haftstrafen riskierten.
Im Teilprojekt der Freien Universität Berlin werden tödlich gescheiterte Fluchtversuche untersucht, die sich an den Grenzen der Tschechoslowakei (CSSR) sowie denen Ungarns, Bulgariens, Rumäniens, Jugoslawiens und Polens ereignet haben. Die Zahl der Fluchtversuche von DDR-Bürgern über Ostblockstaaten erhöhte sich nach der Schließung der Berliner Grenze durch den Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 erheblich. Vielen gelungenen Fluchten steht eine unbekannte Zahl von Festnahmen und Todesfällen bei Fluchtversuchen gegenüber, die am Eisernen Vorhang scheiterten.
Die Ergebnisse der drei Teilprojekte sollen jeweils als Buch veröffentlicht werden. Das Center für Digitale Systeme (CeDiS) in der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin wird Zeitzeugeninterviews und Forschungsergebnisse der drei Teilprojekte auf einer Webseite im Internet für die politische Bildung zur Aufklärungsarbeit über das geteilte Deutschland und die SED-Diktatur zugänglich machen. Mit mehreren Grenzlandmuseen ist dazu bereits eine Zusammenarbeit vereinbart.
Im Januar 2019 richtet der Forschungsverbund SED-Staat in Berlin eine Arbeitskonferenz aus, an der neben den drei deutschen Forschungsteams Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Grenzstaaten des ehemaligen Eisernen Vorhangs teilnehmen, um die Forschungskooperation und die Recherchen in den Archiven der jeweiligen Länder zu koordinieren. Der Forschungsverbund SED-Staat recherchiert die Todesfälle von DDR-Bürgern an den Grenzen des ehemaligen Ostblocks gemeinsam mit Wissenschaftlern und Fachleuten aus Polen, der CSSR, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, dem ehemaligen Jugoslawien, Albanien, Griechenland und Österreich. Das Forschungsteam der Universität Greifswald wird von Prof. Dr. Hubertus Buchstein geleitet, die Forschungsgruppe an der Universität Potsdam von Prof. Dr. Manfred Görtemaker, das Teilprojekt an der Freien Universität von Prof. Dr. Klaus Schroeder und Dr. Jochen Staadt.
Weitere Informationen und Interview-Wünsche
•Prof. Dr. Klaus Schroeder, Forschungsverbund SED-Staat, Telefon: 030/ 838-52091, E-Mail: k.schroeder@fu-berlin.de
•Dr. Jochen Staadt, Forschungsverbund SED-Staat, Telefon: 030 / 838-55562, E-Mail: j.staadt@fu-berlin.de
Pressemitteilung aus dem Jahr 2017 zu Ergebnissen der Studie über Opfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze
www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2017/fup_17_155-studie-opfer-des-ddr-grenzregimes/index.html
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).