Querschläger behindern den Muskelaufbau: Wenn Muskelzellen die Proteinketten umbauen, die die Verkürzung der Muskelfaser bewirken, kommt es ohne das Protein CAP2 zu missgebildeten Strukturen, wie sie auch bei Muskeldystrophien und verwandten Erkrankungen auftreten. Das schließen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um den Marburger Biologen Professor Dr. Marco Rust aus Experimenten, bei denen sie CAP2 ausschalteten. Das Team berichtet über seine Ergebnisse vorab online im Forschungsmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS)“.
Unsere Bewegungen kommen zustande, indem sich die Muskelzellen verkürzen; das geschieht, weil sich Proteinketten aus Aktin und Myosin in den Muskelzellen aktiv gegeneinander bewegen. Diese Aktin- und Myosinfilamente bilden die kontraktilen Elemente der sogenannten Myofibrillen. Bei Säugetieren bauen die Muskelzellen kurz vor und nach der Geburt ihre Aktinfilamente um, wobei sie deren Bestandteile austauschen.
Da dies im laufenden Betrieb passiert, muss die Zellmaschinerie den Austausch präzise umsetzen. „Wie das geschieht und welche Moleküle daran beteiligt sind, blieb bislang jedoch weitgehend im Dunkeln“, sagt Marco Rust, der die Forschungsarbeiten am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität leitete.
Rust und sein Team nahmen das Protein CAP2 unter die Lupe, das Aktinfilamente auf- und umbauen kann. Frühere Analysen zeigten, dass CAP2 die Gestalt von Nervenzellen sowie die Funktionsweise des Herzens beeinflusst; die Funktion in der Skelettmuskulatur war hingegen bislang noch nicht untersucht worden.
Die Forschungsgruppe studierte Mutanten, die kein funktionsfähiges CAP2-Protein produzieren. Wie das Team herausfand, führt das Fehlen des Proteins dazu, dass sich der Umbau der Aktinfilamente verzögert, so dass diese in einem unreifen Zustand verharren. „Die Verzögerung fiel mit dem Auftreten von Bewegungsdefiziten ebenso zusammen, wie mit krankhaften Veränderungen des Gewebes“, berichtet Rusts Doktorandin Lara-Jane Kepser, die den Entwicklungsdefekt entdeckte und dessen Ursache maßgeblich aufzuklären half.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass die Störungen ausreichen, um die Bildung von Ringbinden zu veranlassen – darunter verstehen die Fachleute Muskelzellen mit Myofibrillen, die quer zur üblichen Orientierung verlaufen und häufig bei Muskelerkrankungen vorkommen, zum Beispiel bei Muskeldystrophien. Wie die quer liegenden Myofibrillen entstehen, blieb bislang jedoch weitgehend unverstanden.
„In unseren Mutanten ist der Umbau der Aktinfilamente derart verlangsamt, dass die Jungtiere anfangen, sich zu bewegen, bevor die Myofibrillen vollständig entwickelt sind“, führt Rust aus. „In der Folge reißen einzelne Myofibrillen, wodurch Ringbinden entstehen.“
Da die Reifung der Skelettmuskulatur beim Menschen ähnlich verlaufe wie bei Mäusen, sei anzunehmen, dass CAP2 auch hier eine Schlüsselstellung einnehme, betont der Leiter der Marburger Neuropathologie Professor Dr. Axel Pagenstecher, der ebenfalls an den Untersuchungen mitwirkte. „Tatsächlich zeigen unsere genetisch veränderten Mäuse Fehlbildungen der Muskeln, die an Krankheiten beim Menschen erinnern.“
Professor Dr. Marco Rust leitet die Arbeitsgruppe Molekulare Neurobiologie am Institut für Physiologische Chemie des Marburger Fachbereichs Medizin. Neben seiner Arbeitsgruppe und dem Neuropathologen Professor Dr. Axel Pagenstecher beteiligten sich Forscherinnen und Forscher aus Warschau und Genf an den Untersuchungen, die der Veröffentlichung zugrunde liegen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Universitätsklinikum Gießen und Marburg, die Fondazione Cariplo sowie die nationale Wissenschaftsförderorganisation Polens unterstützten die Forschungsarbeiten finanziell.
Originalveröffentlichung: Lara-Jane Kepser & al.: CAP2 deficiency delays myofibril actin cytoskeleton differentiation and disturbs skeletal muscle, PNAS 2019
Bildunterschrift: (Foto: Dr. Sharof Khudayberdiev; die Bilder dürfen nur für die Berichterstattung über die hier angezeigte wissenschaftliche Veröffentlichung verwendet werden.)
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Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Marco Rust,
Biochemisch-Pharmakologisches Centrum
Tel: 06421 28-65020
E-Mail: marco.rust@staff.uni-marburg.de
AG Molekulare Neurobiologie im Internet: http://www.uni-marburg.de/fb20/bpc/researchlabs/rust
Professor Dr. Axel Pagenstecher (links), Lara-Jane Kepser und Professor Dr. Marco Rust untersuchten ...
(Foto: Dr. Sharof Khudayberdiev; die Bilder dürfen nur für die Berichterstattung über die hier angezeigte wissenschaftliche Veröffentlichung verwendet werden.)
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