Goethe-Universität an den bahnbrechenden Beobachtungen des gewaltigen Schwarzen Lochs in der fernen Galaxie Messier 87 beteiligt
FRANKFURT. Forschende des Event-Horizon-Teleskop-Projekts (EHT-Projekts) haben heute auf mehreren internationalen Pressekonferenzen ein bahnbrechendes Ergebnis bekannt gegeben: Erstmals ist ihnen der direkte sichtbare Nachweis eines Schwarzen Lochs gelungen. Es befindet sich im Zentrum der benachbarten Galaxie M87 in einer Entfernung von 55 Millionen Lichtjahren. Dazu sind sechs wissenschaftliche Publikationen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal Letters” erschienen.
Das EHT-Konsortium betreibt ein weltumspannendes Netzwerk von acht bodengebundenen Radioteleskopen, die zusammengeschaltet wurden. Mit von der Partie ist das europäische Black Hole Cam (BHC)-Team unter der Leitung von Astrophysikern der Goethe-Universität, des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und der Radboud University in Nijmegen, Niederlande.
„Wir präsentieren der Menschheit den ersten Blick auf ein Schwarzes Loch – sozusagen eine Einbahnstraße zum Verlassen unseres Universums”, sagt Sheperd S. Doeleman vom Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics, der Projektdirektor des EHT. „Das ist ein Meilenstein für die Astronomie und eine große wissenschaftliche Leistung, die mehr als 200 Forscher ermöglicht haben.”
Schwarze Löcher sind kosmische Objekte, die eine unvorstellbare Gesamtmasse innerhalb eines winzigen Bereichs umfassen. Die Existenz eines solchen Objekts beeinflusst seine direkte Umgebung in extremer Weise; Sie führt zu einer starken Krümmung der Raum-Zeit sowie zur Aufheizung des umgebenden Materials, so dass es anfängt zu leuchten.
„Sobald es in eine hell leuchtende Umgebung wie eine glühende Gasscheibe eingebettet ist, erwarten wir von einem Schwarzen Loch, dass es eine dunkle Region ähnlich wie ein Schatten erzeugt – ein Effekt, der von Einsteins Relativitätstheorie vorhergesagt wurde, den wir bisher aber noch nie beobachten konnten”, sagt der Vorsitzende des EHT-Wissenschaftsrat, Heino Falcke, von der Radboud-Universität. „Dieser Schatten verrät uns eine Menge über die Natur dieser faszinierenden Objekte und ermöglicht es uns, die enorme Gesamtmasse des Schwarzen Lochs von M87 zu bestimmen.” Wie die Forscher errechnet haben, beträgt sie mehr als sechs Milliarden Sonnenmassen.
Die EHT-Beobachtungen zeigen tatsächlich eine ringförmige Struktur mit einer dunklen, zentral gelegenen Region – den Schatten des Schwarzen Lochs. Dieser Ring zeigt sich in einer Vielzahl unterschiedlicher Beobachtungen, die unabhängig voneinander ausgewertet wurden. „Sobald wir sicher waren, den Schatten des Schwarzen Lochs erfasst zu haben, verglichen wir die Beobachtungen mit einer Vielzahl von Computermodellen, die sowohl die gekrümmte Raum-Zeit als auch hocherhitzte Materie sowie kosmische Magnetfelder beinhalteten. Eine Reihe der Detailstrukturen im beobachteten Bild stimmen in hervorragender Weise mit den theoretischen Vorhersagen überein”, erläutert Luciano Rezzolla, Professor für Theoretische Astrophysik an der Goethe-Universität.
Die Gruppe von Luciano Rezzolla hat grundlegende Beiträge zur theoretischen Interpretation der Ergebnisse in allen Stadien der Beobachtung geleistet: Sie simulierte auf Supercomputern, wie Materie in einer ringförmigen Scheibe das Schwarze Loch umkreist und hineingesogen wird und wie die Lichtstrahlen durch die ungeheure Gravitation um das Schwarze Loch herum verbogen werden. Ebenso galt es, verschiedene Alternativen zu Schwarzen Löchern auszuschließen, die ebenfalls mit der Allgemeinen Relativitätstheorie vereinbar sind. „Die Konfrontation der Theorie mit den Beobachtungen ist für einen theoretischen Physiker immer ein dramatischer Moment. Wir waren sehr erleichtert und auch stolz, dass die Beobachtungen so gut mit unseren Vorhersagen übereinstimmten“, so Luciano Rezzolla.
Für das direkte Bild des Schwarzen Lochs benötigten die Astronomen ein Teleskop von bisher unerreichter Präzision und Empfindlichkeit. Die Realisierung dieses Teleskops – des Event-Horizon-Teleskops – gelang ihnen durch den Ausbau und das Zusammenschalten eines weltweiten Netzwerks von acht bereits existierenden Teleskopen an Standorten mit teilweise herausfordernden klimatischen Bedingungen: auf dem Gipfel des Mauna Kea auf Hawaii, in der Atacama-Wüste in Chile, der Antarktis, Mexiko, Arizona und der Sierra Nevada in Südspanien.
Die Teleskope arbeiten auf der Grundlage einer Beobachtungstechnik zusammen, die als Very-Long-Baseline-Interferometrie (VLBI) bezeichnet wird. Dadurch werden Einzelteleskope weltweit miteinander verbunden und unter Ausnutzung der Erdrotation ein virtuelles Riesenteleskop von der Größe der Erde selbst geschaffen. VLBI ermöglicht EHT-Beobachtungen mit einer Auflösung von 20 Mikro-Bogensekunden. Das ist so präzise, dass man damit von einem Straßencafé in Berlin aus eine Zeitung in New York lesen könnte.
„Das IRAM 30-Meter-Teleskop auf dem Pico del Veleta in der Sierra Nevada ist das empfindlichste Einzelteleskop des EHT-Verbundes“, erklärt Karl Schuster, Direktor von IRAM und Mitglied des EHT-Leitungsgremiums. „Indem wir die weltweit besten Radioteleskope auf insgesamt vier Kontinenten zusammen schalten, können wir eine nie dagewesene Empfindlichkeit und räumliche Auflösung erreichen, die es uns erlaubt, Messungen an der Grenze des physikalisch Möglichen durchzuführen.“ Seit Ende 2018 ist mit NOEMA in den französischen Alpen auch das zweite IRAM-Observatorium Teil des weltweiten Verbundes.
Der Aufbau des EHT stellt das Ergebnis jahrelanger Anstrengungen dar und ist ein Beispiel für weltumfassende Zusammenarbeit von Forschern in unterschiedlichen Ländern. Insgesamt dreizehn Partnerinstitutionen haben im Rahmen des EHT kooperiert. Eine wesentliche Förderung erfolgte über den Europäischen Forschungsrat (ERC), die amerikanische National Science Foundation (NSF), sowie Organisationen in Ostasien.
„Nachdem wir schwarze Löcher jahrzehntelang nur indirekt postulieren konnten, wenn auch mit großartiger Genauigkeit, konnten wir 2015 mit LIGO zunächst ‚hörbar‘ machen, wie sich die Verschmelzung Schwarzer Löcher auf die Raum-Zeit auswirkt", erklärt Michael Kramer, Direktor am MPIfR und einer der drei Leiter des ERC Black Hole Cam-Projekts. „Nun können wir sie endlich auch ‚sehen‘ und damit deren extreme Raum-Zeit-Krümmung auf einzigartige Weise untersuchen.“
„Diese Ergebnisse markieren einen wichtigen Meilenstein für unser Verständnis der fundamentalen Prozesse bei der Bildung und Entwicklung von Galaxien im Universum. Besonders bemerkenswert ist, dass wir es in diesem Projekt schneller als erwartet geschafft haben, astronomische Beobachtungen und theoretische Interpretation zum erhofften Erfolg zu bringen. In Zukunft werden Forscher weit über unser Arbeitsgebiet hinaus klar die Zeit vor und nach dieser Entdeckung unterscheiden”, erwartet Anton Zensus, Direktor am Max Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und Vorsitzender des EHT-Leitungsgremiums.
Publikationen: https://iopscience.iop.org/journal/2041-8205/page/Focus_on_EHT
Das Bild des Schwarzen Lochs sowie Bilder des Teams von Luciano Rezzolla zum Download finden Sie unter: http://www.uni-frankfurt.de/77255057
Bildtext: Das erste Bild des Schwarzen Lochs in der benachbarten Galaxie M87, aufgenommen vom Event Horizon Telescope-Projekt. Bildrechte: EHT
Filmmaterial zum Schwarzen Loch (Simulationen und zur Forschung an der Goethe Universität) finden Sie hier:
https://youtu.be/5qfahQv8ooc: Wie wir das Schwarze Loch sichtbar machten. Kurzfassung
https://youtu.be/Zh5p9Sr0_VU: Wie wir das Schwarze Loch sichtbar machten. Langfassung mit persönlichen Statements
https://youtu.be/wN_vzZKDpms: Simulation zum Schatten des Schwarzen Lochs
Informationen: Prof. Luciano Rezzolla, Principal Investigator des Europäischen Black Hole Cam Experiments, Institut für Theoretische Physik, Fachbereich Physik, Campus Riedberg, Telefon: (069) 798 47871:, rezzolla@th.physik.uni-frankfurt.de; https://astro.uni-frankfurt.de/rezzolla/
Anfragen für Interviews richten Sie bitte per Email an das Sekretariat, Frau Steidl: steidl@ipt.uni-frankfurt.de
Links zum Live-Streaming
EbS website: https://audiovisual.ec.europa.eu/en/ebs/2/20190410),
European Commission’s YouTube channel:https://www.youtube.com/watch?reload=9&v=Dr20f19czeE
Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft in GOETHE-UNI online (www.aktuelles.uni-frankfurt.de)
Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der drei größten deutschen Universitäten. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist die Goethe-Universität Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main. www.goethe-universitaet.de
Herausgeberin: Die Präsidentin der Goethe-Universität Redaktion: Dr. Anne Hardy, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main,
Tel: 069 798-12498, Fax: 069 798-763 12531, hardy@pvw.uni-frankfurt.de
Prof. Luciano Rezzolla, Principal Investigator des Europäischen Black Hole Cam Experiments, Institut für Theoretische Physik, Fachbereich Physik, Campus Riedberg, Telefon: (069) 798 47871:, rezzolla@th.physik.uni-frankfurt.de; https://astro.uni-frankfurt.de/rezzolla/
https://iopscience.iop.org/journal/2041-8205/page/Focus_on_EHT
Das erste Bild des Schwarzen Lochs in der benachbarten Galaxie M87, aufgenommen vom Event Horizon Te ...
EHT
None
Luciano Rezzolla
Jürgen Lecher
None
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch
Das erste Bild des Schwarzen Lochs in der benachbarten Galaxie M87, aufgenommen vom Event Horizon Te ...
EHT
None
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).