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14.05.2019 11:27

Kölner Professorin Brunhilde Wirth mit dem NRW Innovationspreis 2019 ausgezeichnet

Gabriele Meseg-Rutzen Presse und Kommunikation
Universität zu Köln

    Prof. Dr. Brunhilde Wirth, Direktorin des Instituts für Humangenetik, hat durch ihre bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der spinalen Muskelatrophie den entscheidenden Grundstein für die Entwicklung innovativer Therapien gelegt.

    Dafür hat sie gestern Abend den Innovationspreis 2019 in der Kategorie Innovation verliehen bekommen. Der Preis ist mit 100.000 Euro dotiert.
    „Dies ist die bedeutendste Auszeichnung, die ich bisher erhalten habe. Sie rührt und ehrt mich zutiefst. Ich bin auch ein wenig stolz, sie als erste Frau entgegen nehmen zu dürfen. Meiner Ansicht nach würdigt dieser Preis die innovative Kraft der Humangenetik. Er macht den vier Millionen Menschen mit seltenen Erkrankungen in Deutschland und insbesondere denen mit spinaler Muskelatrophie Mut. Ihnen gilt unser täglicher Kampf für eine gezielte Behandlung“, sagt Prof. Wirth.
    Spinale Muskelatrophie (SMA) ist die häufigste genetische Ursache, die zum frühen Tod im Kleinkindalter führt. Jeder fünfunddreißigste ist Anlageträger und jedes sechstausendste Neugeborene leidet unter dieser Form des Muskelschwundes. Allein in Europa leben etwa 30.000 Menschen mit spinaler Muskelatrophie. Bei etwa der Hälfte der Patientinnen und Patienten ist diese Krankheit so stark ausgeprägt, dass sie innerhalb der ersten beiden Lebensjahre versterben.
    Prof. Wirth ist es gelungen, Menschen zu identifizieren, die völlig gesund sind, obwohl sie aufgrund des Verlustes des SMN1 Gens eigentlich eine SMA entwickeln sollten. Diese gesunden Personen wurden aufgedeckt, weil sie erkrankte Geschwister mit identischen SMN1/SMN2-Genen haben, denen die vor der Erkrankung schützenden Gene fehlen.

    Prof. Wirth hat herausgefunden, wie diese Menschen vor der Entwicklung einer SMA geschützt werden: Die sogenannten Modifier-Gene NCALD und CHP1 wurde zur Entwicklung von SMA-Therapien bereits patentiert. Beide können die SMA-gestörte Endozytose - ein wichtiger Prozess in der Neurotransmission vom Nerv zum Muskel - wiederherstellen.
    Der Schutz vor SMA wurde nicht nur von Prof. Wirth sondern weltweit auch von anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen in SMA-Tiermodellen (Maus, Zebrafisch, Fliege, Wurm) bestätigt, was die Tragweite und Solidität der Daten unterstreicht. Da beide Gene relevant für die Endozytose sind, hat Prof. Wirth 25 Jahre nach Aufdeckung der SMN1/SMN2-Gene nun auch die Identifizierung des zugrundeliegenden Mechanismus für die durch die Fehlfunktion der Motoneuronen ausgelösten Neuromuskulären Erkrankung ermöglicht.
    Kürzlich ist es Prof. Wirth darüber hinaus gelungen, einen weiteren SMA-schützenden Modifier aufzudecken und dessen Schutzfunktion in SMA-Zebrafischen und SMA-Mäusen nachzuweisen. Der gesellschaftliche Nutzen dieser Entdeckungen kann deshalb gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
    2017 wurde die erste SMA-Therapie von der US-amerikanischen Arzneimittelaufsicht Food & Drug Administration und der European Medicines Agency zugelassen. Sie basiert auf der von Prof. Wirth identifizierten Ursache für das fehlerhafte Herausschneiden der Introns aus der SMN2-RNA. Mit Hilfe von kurzen genspezifischen Sequenzen (Antisense-Oligonukleotiden) wird das korrekte Prozessieren der RNA zum Teil wiederhergestellt. Die Folge: Menschen, die normalerweise aufgrund ihrer Erkrankung niemals Gehen lernen würden, erlernen mit dieser Therapie Sitzen und Gehen. Bereits ein Jahr nach Zulassung befinden sich über 5000 SMA-Patienten und Patientinnen in Therapie.
    Weitere vielversprechende SMN-abhängige Therapien sind in einem sehr fortgeschrittenen Stadium. Die größten Pharmafirmen zeigen ein immenses Interesse an den Therapieansätzen und haben sie aufgrund der innovativen Möglichkeiten in ihre Programme aufgenommen. Trotz beeindruckender Fortschritte bei der Behandlung der SMA sind die behandelten Patienten nicht symptomfrei. Daher sind weitere kombinatorische Therapien dringend erforderlich. Hier werden die einzigartigen, bereits patentierten, Forschungsergebnisse von Prof. Wirth zu schützenden SMA Modifiers von außergewöhnlicher Bedeutung sein.
    Zusammengefasst hat die Forschung von Prof. Wirth nicht nur zu einer völlig neuen Art der Therapie bei einer der häufigsten genetisch bedingten Erkrankungen geführt, sondern hat auch durch die einzigartige Aufdeckung von schützenden Modifiern für SMA den zellulären Erkrankungsmechanismus aufgedeckt und den Grundstein für weitere Therapien gelegt. Es ist Ihr Verdienst, die Tragweite dieser revolutionären innovativen Forschungsergebnisse erkannt und patentiert und das Interesse von Firmen für diesen wichtigen Bereich gesichert zu haben. „Damit die Therapie allerdings effizient greift und es die SMA demnächst nicht mehr gibt, muss die SMA-Diagnostik so schnell wie möglich ins Neugeborenen-Screening aufgenommen werden“, fordert Prof. Wirth.
    Wirtschafts- und Innovationsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: „Frau Prof. Wirth ist eine überragende Wissenschaftlerin, deren hartnäckige Recherchen zu einem Durchbruch beim Verständnis und bei der neurogenetischen Behandlung der spinalen Muskelatrophie SMA geführt hat. Ihre Arbeit am Kölner Institut für Humangenetik verbindet Spitzenforschung und konkrete Anwendung in beispielhafter Weise und eröffnet damit zehntausenden Erkrankten in Europa neue Perspektiven. Ihre patentierten Erfindungen könnten dazu führen, dass SMA eines Tages der Vergangenheit angehört. Ich bin froh und ein wenig stolz, dass sie am Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen dazu einen innovativen Beitrag leisten kann.“
    „Wir freuen uns sehr, dass zum vierten Mal innerhalb von zehn Jahren der Innovationspreis NRW an die Universität zu Köln geht. Der Preis ist eine Auszeichnung für die herausragenden Forschungsleistungen von Frau Prof. Wirth auf dem Gebiet der Neurogenetik. Gleichzeitig ist er Ansporn für uns, weiterhin ein attraktives Umfeld zu bieten, das neuen Ideen und Innovationen Raum gibt", sagt Prof. Dr. Bettina Rockenbach, Prorektorin für Forschung und Innovation an der Universität zu Köln.

    Presse und Kommunikation:
    Jürgen Rees
    +49 221 470-3170
    j.rees@verw.uni-koeln.de
    Christoph Wanko
    +49 221 478-5548
    presse@uk-koeln.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

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