Neues Projekt an der Goethe-Universität untersucht die Debatte um den Wiederaufbau nach 1945 in Wochenschauen und Dokus
FRANKFURT. Wie wurde in der Nachkriegszeit über den Wiederaufbau öffentlicher Plätze berichtet? Welche Debatten wurden darüber geführt? Diese Fragestellung steht im Zentrum eines Forschungsprojekts der Filmwissenschaften an der Goethe-Universität in Kooperation mit Kollegen in Italien, Frankreich und Tschechien, das in diesen Tagen an den Start geht. Das Projekt wird im Rahmen des europäischen HERA-Programms mit rund einer Million Euro gefördert.
Öffentliche Plätze standen im Zentrum der 6. Ausschreibung des HERA-Programms. HERA steht für Humanities in the European Research Area. Das Programm, das im Rahmen des EU-Forschungsförderprogramms Horizon 2020 gefördert wird, ist also vor allem auf geisteswissenschaftliche Forschung ausgerichtet. Die eingereichten Anträge sollten sich mit der Kultur und Integration öffentlicher Plätze in Europa befassen.
„Visual Culture of Trauma, Obliteration and Reconstruction in Post-WW II Europe“ lautet denn auch der Titel des Projekts, mit dem Prof. Vinzenz Hediger von der Goethe-Universität und seine Kollegen aus Frankreich, Italien und Tschechien reüssiert haben. Mit dem Plan, Kriegszerstörung und Wiederaufbau im nichtfiktionalen Film von 1949 bis 1953 zu untersuchen, konnten sie sich mit 21 anderen Projekten unter insgesamt 300 Bewerbern behaupten und fast die komplette Fördersumme von maximal einer Million Euro ausschöpfen. Das deutsche Teilprojekt, das auch die Koordination übernimmt, wird etwa die Hälfte dieser Summe erhalten. Diese Mittel stammen überwiegend vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Frankfurt bietet sich als zentraler Standort für diese filmwissenschaftliche Forschung geradezu an: Die Stadt am Main war stark zerstört, und um Wiederaufbau oder Neuanfang gab und gibt es hier Debatten wie in kaum einer anderen Stadt in Europa – bis heute. Das Projekt soll sich jedoch auf die ersten Nachkriegsjahre konzentrieren: Hier sei sehr viel Material vorhanden, das untersucht werden soll. Um an dieses Material zu kommen, haben die vier verantwortlichen Wissenschaftler – neben Hediger sind das Prof. Francesco Pitassio in Udine (Italien), Dr. Lucie Cesalkova in Prag und Prof. Sylvie Lindeperg in Paris – die nationalen Filmarchive als Partner mit ins Boot geholt. Mit deren Expertise und Ausstattung werde es gelingen, das Material zu digitalisieren und auch einer breiteren wissenschaftlichen Community zur Verfügung zu stellen, sagt Hediger.
Im Fokus der Forschung stehen öffentliche Plätze wie der Römer in Frankfurt, Marktplätze oder politisch relevante Plätze. Untersucht werden sollen sowohl formale als auch inhaltliche Aspekte: Wie viele Luftaufnahmen gibt es? Sind wiederkehrende Elemente festzustellen? Gibt es Symbole, die immer wieder in der Debatte auftauchen? Welche Wirkung hat die filmische Berichterstattung und Dokumentation auf die Debatte gehabt? Und wo liegen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen europäischen Ländern? „Unsere Hypothese ist, dass diese Filme nicht nur präsentierten, sondern einen massiven Beitrag geleistet haben“, sagt Hediger. Denn in der Demokratie komme den öffentlichen Räumen eine zentrale Bedeutung zu, und damit auch ihrer medialen Präsentation. An der Forschung sind neben den drei verantwortlichen Wissenschaftlern jeweils ein bis zwei Postdocs beteiligt.
Das Kick-Off-Treffen zum Start des dreijährigen Forschungsprojekts fand am 9. und 10. Mai in Frankfurt statt. Das Forschungsteam hat erfolgreich Workflows und verfeinerte Forschungswerkzeuge entwickelt, einschließlich der Erstellung einer anspruchsvollen Forschungsdatenbank und dem Entwurf des wichtigsten Ergebnisses des Projekts, die „Virtual Exhibition“, eine mehrsprachige, filmbasierte Bildungserfahrung, die dem European Film Gateway beigefügt wird (https://www.europeanfilmgateway.eu).
Informationen: Prof. Dr. Vinzenz Hediger, Professur für Filmwissenschaft, Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Fachbereich 9, Campus Westend, Telefon 069/798-32079, E-Mail hediger@tfm.uni-frankfurt.de
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Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der drei größten deutschen Universitäten. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist die Goethe-Universität Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main. www.goethe-universitaet.de
Herausgeberin: Die Präsidentin der Goethe-Universität Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Prof. Dr. Vinzenz Hediger, Professur für Filmwissenschaft, Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Fachbereich 9, Campus Westend, Telefon 069/798-32079, E-Mail hediger@tfm.uni-frankfurt.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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