idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
22.08.2019 10:28

Experiment HADES simuliert die Kollision und das Verschmelzen von Sternen: 800 Milliarden Grad in der kosmischen Küche

Dr. Ulrich Marsch Corporate Communications Center
Technische Universität München

    Sie gehören zu den spektakulärsten Ereignissen im Universum: Kollisionen von Neutronensternen. Einem internationalen Forschungsteam mit maßgeblicher Beteiligung der Technischen Universität München (TUM) ist es erstmals gelungen, die bei einem solchen Zusammenstoß entstehende thermische elektromagnetische Strahlung im Labor zu messen – und so die Temperatur zu berechnen, die bei einer Sternenkollision herrscht.

    Wenn zwei Neutronensterne zusammenstoßen, wird Kernmaterie in extreme Zustände versetzt. Ein internationales Forschungsteam ist den Eigenschaften der durch den Aufprall komprimierten Materie nun auf die Spur gekommen. Über 110 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben seit 1994 am Langzeit-Experiment HADES kosmische Materieformen erforscht. Mit der Untersuchung der elektromagnetischen Strahlung, die bei der Kollision von Sternen entsteht, legte das Team nun den Blick auf die heiße und dichte Interaktionszone von zwei Neutronensternen frei.

    Simulation der elektromagnetischen Strahlung

    Direkt beobachten lässt sich eine Sternenkollision nicht – zumal es sich dabei um ein extrem seltenes Ereignis handelt, das Schätzungen zufolge in unserer Galaxie, der Milchstraße, noch nicht vorgekommen ist. Die Dichte und Temperatur bei Fusionsprozessen von Neutronensternen ähneln aber denen bei Schwerionenreaktionen. Damit konnte das HADES-Team im Schwerionenbeschleuniger des Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt auf mikroskopischer Ebene die Bedingungen nachahmen, die bei einer Sternenkollision herrschen.

    Wie beim Zusammenstoß von Neutronensternen entsteht beim Aufprall zweier Schwerionen, die sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, elektromagnetische Strahlung. Sie besteht unter andrem aus sogenannten virtuellen Photonen, die nach einem kurzen Moment wieder in reelle Teilchen zerfallen. Bei Experimenten mit Schwerionen entstehen solche virtuellen Photonen allerdings äußerst selten. „Wir mussten etwa drei Milliarden Kollisionen aufzeichnen und analysieren, um schließlich 20.000 messbare virtuelle Photonen zu rekonstruieren“, sagt Dr. Jürgen Friese, ehemaliger Sprecher der HADES-Kollaboration und Mitarbeiter von Laura Fabbietti, Professorin für Dichte und seltsame hadronische Materie an der TUM.

    Photonen-Kamera zeigt Kollisionszone

    Um die seltenen und kurzlebigen virtuellen Photonen aufzuspüren, haben Forscherinnen und Forscher der TUM eine spezielle eineinhalb Quadratmeter große Digitalkamera entwickelt. Sie zeichnet den sogenannten Cherenkov-Effekt auf: Bestimmte Lichtmuster, die von den Zerfallsprodukten der virtuellen Photonen erzeugt werden. „Leider ist das Licht, das von den virtuellen Photonen ausgeht, extrem schwach. Die Kunst bei unserem Experiment lag also darin, die Lichtmuster zu finden“, sagt Friese. „Mit bloßem Auge würde man sie nicht erkennen können. Deshalb haben wir ein Verfahren zur Mustererkennung entwickelt, bei dem ein Foto aus 30.000 Pixeln in wenigen Mikrosekunden mit elektronischen Masken abgerastert wird. Ergänzend nutzen wir neuronale Netze und Künstliche Intelligenz.“

    Beobachten der Materie-Eigenschaften im Labor

    Die Rekonstruktion der Wärmestrahlung von komprimierter Materie gilt als Meilenstein für das Verständnis kosmischer Materieform. Sie diente den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als Grundlage dafür, die Temperatur des bei einer Sternenkollision entstehenden neuen Systems auf 800 Milliarden Grad Celsius festlegen zu können. Damit zeigte das HADES-Team, dass die untersuchten Fusionsvorgänge tatsächlich die kosmischen Küchen für das das Verschmelzen schwerer Kerne sind.

    Mehr Informationen:

    Das HADES-Projekt macht Messungen an sogenannten Seltsamen Teilchen möglich, die Hypothesen zufolge nur im Kern von Neutronensternen vorkommen. Mit dem Studium der Seltsamkeit („strangeness“) von Teilchen schafft Prof. Fabbiettis Team eine wichtige Grundlage für die Entwicklung realistischer Modelle von Neutronensternen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Laura Fabbietti
    Technische Universität München
    Professur für Dichte und seltsame hadronische Materie
    Tel.: +49 (0) 89 289-12433
    laura.fabbietti@ph.tum.de

    Dr. Jürgen Friese
    Technische Universität München
    Professur für Dichte und seltsame hadronische Materie
    Tel.: +49 (0) 89 289-12441
    juergen.friese@ph.tum.de


    Originalpublikation:

    The HADES-Collaboration: Probing dense baryon-rich matter with virtual photons. In: Nature Physics (veröffentlicht am 29.7.2019).
    DOI: 10.1038/s41567-019-0583-8
    https://doi.org/10.1038/s41567-019-0583-8


    Weitere Informationen:

    https://www.tum.de/nc/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/details/35653/ Link zur Pressemitteilung


    Bilder

    Illustration von zwei fusionierenden Neutronensternen. Aus der Kollision breiten sich Gravitationswellen aus, wenige Sekunden später ereignet sich ein Ausbruch von Gammastrahlen.
    Illustration von zwei fusionierenden Neutronensternen. Aus der Kollision breiten sich Gravitationswe ...
    Bild: National Science Foundation/LIGO/Sonoma State University / A. Simonnet
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Illustration von zwei fusionierenden Neutronensternen. Aus der Kollision breiten sich Gravitationswellen aus, wenige Sekunden später ereignet sich ein Ausbruch von Gammastrahlen.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).