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16.09.2019 14:54

Das Schlaf-Neuron im Fadenwurm ist auch ein Stopp-Neuron

Jennifer Hohensteiner Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

    Schlafen oder Stoppen? Das RIS-Neuron hat beide Funktionen/ Publikation in Nature Communications

    FRANKFURT. Das Nervensystem des Fadenwurms C. elegans ist überschaubar: Es besteht aus 302 Neuronen, von denen einige jedoch mehrere Funktionen haben. So kann das als Schlafneuron bekannte „RIS“ den Wurm in einen langanhaltenden Schlaf versetzen – oder auch nur für wenige Sekunden seine Bewegung stoppen, wie Wissenschaftler unter Federführung der Goethe-Universität jetzt herausgefunden haben.

    Wagner Steuer Costa in der Arbeitsgruppe von Alexander Gottschalk, Professor für Molekulare Zellbiologie und Neurobiochemie an der Goethe-Universität, hat das Schlafneuron RIS vor einigen Jahren zufällig entdeckt – zeitgleich mit anderen Gruppen. Um die Funktion einzelner Neuronen im Nervengeflecht zu verstehen, bringen die Forscher sie durch gentechnische Veränderung dazu, lichtempfindliche Proteine herzustellen. Mit diesem „Schalter“ können die Neuronen in dem durchsichtigen Wurm durch Bestrahlung mit Licht einer bestimmten Wellenlänge aktiviert oder abschaltet werden. „Als wir gesehen haben, dass der Wurm bei Lichtstimulation dieses Neurons einfriert, waren wir sehr verblüfft. Das hat eine langjährige Studie in Gang gesetzt“, erinnert sich Gottschalk.
    Das RIS getaufte Neuron versetzt C. elegans in Schlaf, wenn es einige Minuten bis Stunden aktiv ist – beispielweise nach den Häutungen, die das Tier in seiner Entwicklung durchläuft. Es schläft aber auch zur Erholung, nachdem es zellulärem Stress ausgesetzt war. Andererseits dient das Neuron dazu, den Wurm während der Bewegung zu stoppen, etwa, wenn er die Richtung ändern will oder sich eine Gefahr auftut. Dann verlangsamt ihn das Neuron in seiner Bewegung, so dass er entscheiden kann, ob er weiter kriechen soll. In diesem Fall wird das Neuron nur für wenige Sekunden aktiv. „Solche Stop-Neurone hat man erst vor kurzem entdeckt. Im Wurm ist es das erste seiner Art“, erklärt Gottschalk.
    Noch erstaunlicher ist, dass das Axon offenbar verzweigt ist, so dass RIS nicht nur die Bewegung stoppen, sondern sie auch verlangsamen oder eine Rückwärtsbewegung einleiten kann. Das berichten Gottschalk und seine Kooperationspartner, Prof. Ernst Stelzer von der Goethe-Universität, Prof. Sabine Fischer von der Universität Würzburg, sowie Forscher der amerikanischen Vanderbilt University in Nashville und der Universität Leuven in der aktuellen Ausgabe von „Nature Communications“.
    „Wir denken, dass es in mehreren einfachen Lebewesen wie dem Wurm solche Neuronen mit einer doppelten Funktion gibt. Im Laufe der Evolution sind diese dann auf zwei verschiedene Systeme im Gehirn verteilt und weiter verfeinert worden“, meint Gottschalk. Das sei ein Motiv, das sich sicher noch mehrfach finden werde, sobald noch andere Nervenzellen des Wurms besser verstanden sind. „Das Nervensystem von C. elegans kann man als eine Art evolutionären Versuchsballon ansehen. Was dort funktioniert, wird dann in komplexeren Tieren wieder verwendet und diversifiziert.“

    Die Entdeckung der doppelten Funktion von RIS ist auch ein Beispiel dafür, wie ein fest-vernetztes Neuronetzwerk durch ein „drahtloses Netzwerk“ von Neuropeptiden und Neuromodulatoren zusätzlich verschaltet werden kann. So können mehrere funktionale Netzwerke auf einem einzelnen anatomischen Netzwerk realisiert werden, was die Funktionalität des Wurmgehirns enorm erhöht und gleichzeitig sehr ökonomisch ist. „Es sollte nicht immer gesagt werden, dass Wurm-Neuronen einfach sind. Oft können sie mehr als die Nervenzellen von Säugern“, sagt Gottschalk.

    Publikation: Wagner Steuer Costa, Petrus Van der Auwera, Caspar Glock, Jana F. Liewald, Maximilian Bach, Christina Schüler, Sebastian Wabnig, Alexandra Oranth, Florentin Masurat, Henrik Bringmann, Liliane Schoofs, Ernst H.K. Stelzer, Sabine C. Fischer, Alexander Gottschalk: A GABAergic and peptidergic sleep neuron as a
    locomotion stop neuron with compartmentalized Ca2+ dynamics https://doi.org/10.1038/s41467-019-12098-5

    Bilder zum Download finden Sie unter: http://www.uni-frankfurt.de/81911675
    Bildtexte: Der Fadenwurm C. elegans. Bild: A. Gottschalk
    Das RIS-Neuron (grün) im Rachen des Fadenwurms C. elegans. Bild: Wagner Steuer Costa
    Auf der Webseite von Nature Communications sind auch sehenswerte Videos dazu, z.B. die #7, hier: https://www.nature.com/articles/s41467-019-12098-5#Sec31

    Informationen: Prof. Dr. Alexander Gottschalk, Molekulare Zellbiology and Neurobiochemie und Institut für Biophysikalische Chemie, Fachbereich Biochemie, Chemie und Pharmazie, sowie Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798-42518 , Email: a.gottschalk@em.uni-frankfurt.de.

    Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft in GOETHE-UNI online (www.aktuelles.uni-frankfurt.de)

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    Herausgeberin: Die Präsidentin der Goethe-Universität Redaktion: Dr. Anne Hardy, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main,
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    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Alexander Gottschalk, Molekulare Zellbiology and Neurobiochemie und Institut für Biophysikalische Chemie, Fachbereich Biochemie, Chemie und Pharmazie, sowie Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798-42518 , Email: a.gottschalk@em.uni-frankfurt.de


    Originalpublikation:

    Wagner Steuer Costa, Petrus Van der Auwera, Caspar Glock, Jana F. Liewald, Maximilian Bach, Christina Schüler, Sebastian Wabnig, Alexandra Oranth, Florentin Masurat, Henrik Bringmann, Liliane Schoofs, Ernst H.K. Stelzer, Sabine C. Fischer, Alexander Gottschalk: A GABAergic and peptidergic sleep neuron as a
    locomotion stop neuron with compartmentalized Ca2+ dynamics https://doi.org/10.1038/s41467-019-12098-5


    Weitere Informationen:

    https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/das-schlaf-neuron-im-fadenwurm-ist-...


    Bilder

    Der Fadenwurm C. elegans.
    Der Fadenwurm C. elegans.
    A. Gottschalk
    None

    Das RIS-Neuron (grün) im Rachen des Fadenwurms C. elegans.
    Das RIS-Neuron (grün) im Rachen des Fadenwurms C. elegans.
    Wagner Steuer Costa
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Der Fadenwurm C. elegans.


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    Das RIS-Neuron (grün) im Rachen des Fadenwurms C. elegans.


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