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26.11.2003 13:11

Kein unbedachtes Körner-Streuen

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Winterfütterung bringt für Vögel auch Risiken

    Zweifellos sind sie niedlich anzuschauen, die körnerpickenden Meisen in Schnee und Eis. Die Geschichten von "unseren gefiederten Freunden", denen man über die frostigen Monate helfen müsse, erwärmen das Herz. Und nicht zuletzt tut der Handel alles, um den Kauf von Meisenknödeln und Futterhäuschen zum unumgänglichen Teil der Wintervorbereitung zu deklarieren. Was aber sagen Vogel-Experten zum Thema Fütterung?

    Ein klares Urteil dafür oder dagegen umgeht auch Prof. Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns, Direktorin der Klinik für Vögel und Reptilien der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig. "Natürlich ist die Fütterung einzelner Tierarten immer eine Eingriff in das natürliche Gleichgewicht. Aber heutzutage, da der Mensch die ursprüngliche Umwelt der Tiere schon weitestgehend verändert hat, kann er nicht mehr davon ausgehen, dass dieses Gleichgewicht auch ohne ihn automatisch funktioniert. Der kurzgeschnittene und im Winter schneebedeckte Rasen bietet nun mal weniger Futter, als das Gestrüpp, an dem noch Samen und Beeren zu finden sind."

    In die Überlegungen einbeziehen müsse man aber auch die Probleme, die von der Winterfütterung ausgehen wie beispielsweise die Veränderung der Gewohnheiten der Tiere und die Ansteckungsgefahr am Futter-Treffpunkt. Ein weiteres Argument, das eigentlich gegen ein Futterhäuschen spricht, ist sein "Gästekreis". Etwa 20 Vogelarten nutzen das Angebot, aber es sind darunter kaum jene, die wirklich gefährdet sind. Diese wiederum treffen im Frühling auf gut genährte Konkurrenten. Wenngleich - die Natur regelt das auf ihre Art und lässt den benachteiligten Arten einen größeren Teil der Jungvögel überleben.

    Wer sich dennoch - nicht zuletzt wegen der Freude, den man damit haben kann - dafür entscheidet, den Vögeln in seinem Garten oder auf seinem Balkon den Tisch zu decken, der sollte ein paar Regeln beachten: "Vor allem ist es wichtig, den Vögeln nur dann etwas anzubieten, wenn sie es auch wirklich nötig haben - also nur bei Dauerfrost unter minus fünf Grad und geschlossener Schneedecke", so Volker Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Krautwald-Junghanns. Ansonsten würden die Vögel sich nach und nach abgewöhnen, überall nach Nahrung zu suchen und wenig "kreativ" jederzeit die Annehmlichkeit eines gefüllten Futterhäuschens für sich beanspruchen. Herbstliches Anfüttern ist deshalb ebenso riskant wie das Aufbrauchen der Körnerreste im Frühling, denn das im Handel angebotene Futter wäre für die wärmere Jahreszeit und die Nestlinge ohnehin viel zu fettig. Außerdem besteht durch diesen unnatürlichen Service die Gefahr, dass sich unter den Zugvögeln reisefaule Populationen entwickeln, wie es Ornithologen beispielsweise bei der Mönchsgrasmücke beobachten. Andauernd harte Winter könnten den Verharrenden dann trotz bester Fütterung zum Verhängnis werden.

    Schmidt, der derzeit an seiner Promotion zur Jungtaubenkrankheit arbeitet, warnt zudem davor, dass die Fressplätze der Vögel eine Übertragungsherd von Salmonellen und Kokzidien sein können. Beide Erreger verursachen gefährliche Darmkrankheiten. "Wer zu viele Körner ausstreut, riskiert, dass sie vom Kot kranker Tiere infiziert und später von anderen aufgenommen werden. Am sinnvollsten sind hier Silos, in denen das frische Futter nachrutscht." Wenn ein toten Vogel in der Umgebung der Futterstelle entdeckt wird, sollte man sofort mit der Fütterung aufhören und sie erst nach einer gründlichen Reinigung des Futterplatzes mit heißem Wasser fortsetzen. "Aber auch diese Gefahr", so Schmidt, "ist bei Dauerfrost wesentlich geringer als bei mildem Wetter."

    Durchhalten bis zum Tauwetter muss man aber in jedem Fall. "Wer weiß, dass er irgendwann ein paar Tage zum Wintersport fährt und kein Silo mit entsprechenden Vorrat hat, der darf mit der Fütterung nicht erst beginnen. Längere Zeiträume ohne die gewohnte Nahungsquelle sind eine Gefahr für die Tiere."

    Und was sollte man auftischen? "Das hängt davon ab, welche Vögle man im Garten hat", erläutert Schmidt. "Körnerfresse wie Finken, Sperlinge und Ammern - sind mit dem handelsüblichen Körnerfuttermischungen zufrieden zu stellen. Aber auch den Weichfressern kann man - immer in so kleinen Mengen, dass sie nicht lange liegenbleiben und durchfrieren - etwas anbieten. Amsel und Rotkehlchen beispielsweise picken gerne an großen Stücken Obst oder fressen eingeweichte Haferflocken mit ein paar Tropfen Öl. Aber auch die Meisenringe, ein Talg-Körner-Gemisch, werden von Meisen angenommen"

    Wer den Vögeln über das Futter hinaus im Winter noch etwas Gutes tun möchte, der säubere die Nistkästen schon im Herbst oder hänge neue bereits auf, wenn die kalten Nächte beginnen. Als Plätzchen zum Ausruhen und Schlafen werden sie von den meisten Tieren gern genutzt.
    Marlis Heinz

    weitere Informationen:
    Volker Schmidt
    Tel.: 0341 - 97 38421
    E-Mail: vschmidt@vmf.uni-leipzig.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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