Grußwort des TU-Präsidenten zum Semesteranfang
Zum Wintersemester 1998/99 begrüße ich unsere neuen Studentinnen und Studenten im Namen aller Hochschulmitglieder - der Professoren, Mitarbeiter und Studierenden. Den 4100 Studienanfängern in München, Garching und Freising-Weihenstephan möchte die Technische Universität München nicht nur das Wissen der Zeit im gewählten Studienfach vermitteln. Vielmehr möchte sie in einem wichtigen, prägenden Lebensabschnitt auch intellektuelle Heimat auf der Suche nach Lebenszielen sein. Studium und Beruf gehören zusammen, und deshalb sind die Jahre des Universitätsstudiums Berufs- und Menschenbildung zugleich. Die Vermittlung von Lebensvertrauen hat als pädagogisches Prinzip in unserer Universität noch eine Chance, weil die meisten Studiengänge überschaubar sind. So erstrebenswert ein zügiger Studienverlauf mit einem glänzenden Examensabschluß ist, so sehr sollten Sie Ihre außerfachlichen Interessen kultivieren und die musischen, künstlerischen, literarischen, sportlichen Begabungen nicht gänzlich zurückstellen.
Das Universitätsstudium begegnet heute einem vielfachen Mißverständnis. Die Aufgabe der Universität besteht nicht darin, die Studierenden möglichst rasch mit jederzeit abrufbarem Verfügungswissen »abzufüllen«. Unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, die künftigen Ingenieure und Naturwissenschaftler, Architekten, Ärzte und Lehrer am wissenschaftlichen Gegenstand zu bilden und ihnen - möglichst an der Spitze des wissenschaftlichen Fortschritts - methodisches Wissen zu vermitteln, sie im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verantwortung von Lehre und Forschung wachsen zu lassen. Das Freiheitsprivileg von Forschung und Lehre verpflichtet alle Mitglieder der Universität, nicht nur die Professorenschaft. Die Universität ist unser gemeinsames Haus, an dem wir fortgesetzt bauen. Wissenschaft ist ihrem Wesen nach nie abgeschlossen, wie schon der große Humboldt bemerkte, und deshalb muß auch ihre Institution, die Universität, stets zum Wandel bereit sein.
Für das neue Wintersemester gilt bereits das neue Bayerische Hochschulgesetz. Es stattet uns mit einem höheren Maß an Eigengestaltung aus, das freilich an vermehrte Eigenverantwortung gebunden ist. Wir treten zum Wettbewerb zwischen und in den Universitäten an. Geschaffen sind die Voraussetzungen für eine flexible Bewirtschaftung des Haushalts, für gezielte Profil- und Schwerpunktbildung, für internationale Studienangebote. Mit der »Experimentierklausel« nach Art. 135 setzt die TU München einen weiteren Schritt voran: Statt überhöhte Befugniskonzentration an der Hochschulspitze setzen wir bei aller Bedeutung der strategischen Führung wie ein modernes Unternehmen auf dezentrale Verantwortung. Die Fächerkulturen sind es, die sich auf die Entscheidungen der Hochschulleitung abbilden müssen, deshalb wird es bei uns zur Stärkung der Hochschulleitung die »Erweiterte Hochschulleitung« geben, der die Dekane der 13 Fakultäten angehören. Der Präsident verzichtet bewußt auf Sitz und Stimme in Senat und Hochschulrat; diese beiden Gremien, welche die Innen- bzw. Außensicht der Universität widerspiegeln, verstehen wir als Aufsichts- und Kontrollinstanzen, die mit teils gleichen, teils unterschiedlichen Kompetenzen unter dem Dach des TUM-spezifischen »Verwaltungsrats« zusammengefaßt sind. Man kann davon ausgehen, daß die Hochschulleitungsaufgaben ebenso wie das Dekansamt künftig noch anstrengender als bisher werden. Anstrengender wird aber auch der nationale und internationale Wettbewerb in Forschung und Lehre, den wir zu bestehen haben. Außerdem wachsen uns neue Felder künftiger Bewährung hinzu, darunter die akademische Weiterbildung und Umschulung. Märkte sind zwar global, oft aber auch instabil geworden, und für Berufsbilder gilt dies allemal. Universität morgen wird auch lebenslanges Lernen bedeuten. Um so wichtiger ist hier der gezielte Aufbau des Alumni-Netzwerkes, womit wir begonnen haben.
Die Technische Universität München plant in die Zukunft. Eine restrukturierende Neugründung erfuhr die Fakultät für Sportwissenschaft, auf dem Weg ist ein internationaler Studiengang für Biotechnologie, weitgehend abgeschlossen ist die Planung für den Fakultätsneubau Informatik/Mathematik in Garching, im Zeitplan ist die Nationale Forschungs-Neutronenquelle FRM-II in Garching unter unserer Bauherrnschaft, entschieden ist das Bürgerbegehren zugunsten der rasch umsetzbaren U-Bahn-Anbindung des Lehr- und Forschungscampus Garching, womit dieser mit unserer Universitätsstadt Garching endlich zusammenwächst. Die Innovationsoffensive der Bayerischen Staatsregierung gibt dem Traditionsstandort Freising-Weihenstephan eine glänzende Perspektive auf dem Weg zu einem modernen Life Science-Zentrum. Aber auch unsere Medizin soll stärker in die Mitte der Universität hereinwachsen, wozu wir uns vom neugeschaffenen »Lehrstuhl für Biokompatible Materialien und Prozeß-Systeme« eine Initialwirkung erwarten.
Aber auch die Studienangebote haben wir konkret verbessert: Verdreifacht hat sich seit dem letzten Jahr der Zulauf zur Finanz- und Wirtschaftsmathematik, verdoppelt hat sich das Chemie-Ingenieurwesen, höchst erfolgreich und einmalig in Europa ist das Numerus clausus-Fach »Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft«. Der Generationswechsel im Lehrkörper schreitet mit hoher Geschwindigkeit voran, was allein die 25 erfolgreichen Lehrstuhlneuberufungen seit einem Jahr belegen.
Die Technische Universität München ist für uns, die wir schon länger hier sind, täglich ein neues Erlebnis, neue Herausforderung. Dieses Gefühl wünsche ich auch allen, die im Studienjahr neu hinzukommen. Glückauf in Ihrem neuen Lebensabschnitt!
Wolfgang A. Herrmann
Präsident
Merkmale dieser Pressemitteilung:
fachunabhängig
überregional
Organisatorisches, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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