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11.12.2003 11:27

Kinder, Küche, Koran oder Karriere: Narrative Interviews mit Töchtern aus zugewanderten Familien

Hedwig Görgen Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Muslimische Frauen werden oft als Beispiele für die Integrationsfähigkeit von Migranten herangezogen. Dabei herrscht sehr häufig, das Bild der verschleierten, unterdrückten Frau mit geringer Bildung vor, andere Lebensentwicklungen von Migrantinnen bleiben unbeachtet, oder werden als seltene Ausnahmefälle dargestellt. In ihrer Dissertations-Studie sprach Dr. Ulrike Ofner mit türkischen Frauen über deren Bildungsweg und ihre Berufserfahrungen, Familie und Kinder sowie kulturelle Erfahrungen als Türkinnen in Deutschland. Die ausführliche Analyse von fünf beispielhaften Werdegängen zeigt die Barrieren und Hindernisse auf, die sich den Frauen in den Weg stellten. Es wird aber auch deutlich, welche Breschen diese Frauen mit viel Mut, Elan und Einsatzbereitschaft in sie schlugen.

    Die vorliegende Studie von Dr. Ulrike Ofner weist eine enorme Bandbreite an unterschiedlichen Erfahrungen und Lebensentwicklungen der 23 Frauen türkischer Herkunft auf. Es finden sich unter ihnen Juristinnen, Ärztinnen, Journalistinnen und Künstlerinnen. Frauen, die erst das eine studierten und dann einen ganz anderen beruflichen Weg einschlugen, solche, die nach unbefriedigenden beruflichen Erfahrungen noch ein Studium aufnahmen und andere die ihre Karriere schon in der Grundschule geplant hatten. "In vielerlei Hinsicht hätten die Ergebnisse der Studie sicherlich ähnlich ausgesehen, hätte man eine vergleichbare Gruppe deutscher Akademikerinnen befragt" sagt Ulrike Ofner. Und doch gibt es auch entscheidende Unterschiede. Durch fast alle Texte zieht sich das Thema der Stigmatisierung als Migrantin. Es taucht in unterschiedlichen Zusammenhängen auf, wird mal als Hemmschuh und mal als Ansporn höchst ambivalent dargestellt. Diesem "fremd-gemacht-Werden" entziehen sich viele der Frauen, indem sie nach dem Studium Arbeit in der türkischen community suchen, wo sie aufgrund ihrer Bildung Anerkennung und bessere Berufsaussichten finden.

    Bei allen Frauen handelt es sich um die Töchter der ersten Migrantengeneration. Viele sind noch in der Türkei geboren und mussten als Kind den Kulturschock und die Anpassung an deutschen Schulen meistern. Häufig mussten sie früh Verantwortung übernehmen, auf jüngere Geschwister aufpassen und als Dolmetscher bei Behörden und Ärzten fungieren. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bildungskarriere scheint deshalb, neben Begabung und überdurchschnittlicher Leistungsbereitschaft, auch eine besondere psychische Belastbarkeit zu sein. Obwohl keine der interviewten Frauen, die islamische Religion als in ihrem Leben besonders wichtig hervorhob, sehen sich doch die meisten vor die Aufgabe gestellt, Beruf und Familie, okzidentsalische/deutsche Kultur und orientalische/türkische Werte und Vorstellungen miteinander zu vereinbaren.

    "Ulrike Ofner gelingt es, durch Analyse der Daten, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und bisherige, teilweise schwungvoll vorgebrachte Ergebnisse andere Studien zu relativieren und zu präzisieren. Die narrativen Interviews vermitteln dabei eine teilweise fast verwirrende Bandbreite an Schicksalen, die demonstrieren, wie wenig zutreffend die Vorstellungen der typischen muslimischen Frau und einer einheitlichen türkischen community sind", schreibt die Turkologin Prof. Kellner-Heinkele in ihrem Gutachten der Dissertation.
    Isabel Pasch

    Über die Autorin:
    Ulrike Ofner kam 1973 als Konsularangestellte an die Österreichische Botschaft nach Ost-Berlin. 1981 begann sie auf dem zweiten Bildungsweg das Studium der Ethnologie, Soziologie und Lateinamerikanistik. In ihrer Magisterarbeit setzte sie sich mit der Situation der ursprünglichen Bevölkerung San Pedros an der Elfenbeinküste auseinander. Nach Studienabschluss betätigte sie sich hauptsächlich journalistisch, im Rahmen von TV-Auslandsreportagen sowie in transkulturellen Bereichen. Als 1998 das Thema "Ausländerintegration" überall präsent wurde entstand die Idee zur vorliegenden Doktorarbeit.

    Literatur:
    Ulrike Selma Ofner, "Akademikerinnen türkischer Herkunft / Narrative Interviews mit Töchtern aus zugewanderten Familien". In: Weißensee Verlag, Berliner Beiträge zur Ethnolgie, Bd.3, Berlin 2003

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gerne:
    Dr. Ulrike Ofner, Tel: 030/681 8539, E-Mail: Ulof@zedat.fu-berlin.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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