Neuer Policy Brief des Kompetenznetzes Public Health zu COVID-19 veröffentlicht
München, 27. April 2020 – Seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen in Deutschland wurden vielfach Beschäftigte im öffentlichen Dienst – unter anderem Lehrerinnen und Lehrer – ab einem Alter von 60 Jahren dazu angehalten, zuhause zu bleiben. Begründet wurde dies mit dem besonders hohen Risiko Älterer für einen schweren Krankheitsverlauf im Falle einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus. Allerdings könnte ein Fernbleiben-Müssen vom Arbeitsplatz für viele ältere Beschäftigte den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten.
Zudem kann die Einstufung von Personen über 60 als Risikopersonen die Chance älterer Arbeitsloser auf einen Arbeitsplatz erheblich beeinträchtigen.
Im Rahmen des neu gegründeten Kompetenznetzes Public Health zu COVID-19 wurden die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum altersbezogenen Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf gesichtet und in einem Policy Brief bewertet. Das Ergebnis: Ein beträchtlicher Anteil des Risikos für einen schweren Krankheitsverlauf wird oft fälschlicherweise dem Alter zugeschrieben. Denn ältere Menschen leiden häufiger an Erkrankungen, die das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf erhöhen. Werden solche Vorerkrankungen berücksichtigt, fällt das allein mit dem Alter verbundene Krankheitsrisiko deutlich niedriger aus. Professor Andreas Seidler hat die wissenschaftliche Bearbeitung dieses Themas geleitet. Er unterstreicht: „Eine pauschale Gleichsetzung von Personen über 60 Jahren mit Personen, die an teilweise schweren Vorerkrankungen leiden, wäre willkürlich und unverhältnismäßig“. Die undifferenzierte Einstufung von Beschäftigten mit einem Lebensalter über 60 als Risikogruppe könne einer Stigmatisierung Älterer Vorschub leisten sowie erhebliche biographische Einschnitte, psychische Probleme und nicht zuletzt auch ökonomische Notlagen mit sich bringen. Andreas Seidler ergänzt: „Das Alter ist eine wesentliche und unabwendbare Eigenschaft eines Menschen. Auch daher ist besondere Zurückhaltung geboten, wenn Menschen allein aufgrund ihres Alters von bestimmten Arbeitsplätzen ferngehalten werden sollen“.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Andreas Seidler, MPH
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP)
Email: gs@dgsmp.de bzw. ArbSozPH@mailbox.tu-dresden.de
Web: http://www.dgsmp.de
Das Kompetenznetz Public Health zu COVID-19: Im Kompetenznetz Public Health zu COVID-19 (https://www.public-health-covid19.de/de/) haben sich über 20 wissenschaftliche Fachgesellschaften aus dem Bereich Public Health zusammengeschlossen. Die Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) gehört zu den Gründungsmitgliedern. Das Kompetenznetz verbindet mehrere Tausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ziel ist es, schnell sowie flexibel interdisziplinäre Expertise zu COVID-19 für die aktuelle Diskussion und Entscheidungsfindung zur Verfügung zu stellen. Dafür werden wissenschaftliche Erkenntnisse zusammengestellt und aufbereitet. Der Policy Brief „Müssen ältere Beschäftigte dem Arbeitsplatz fernbleiben?“ findet sich unter: https://www.public-health-covid19.de/images/2020/Ergebnisse/2020_04_23_Fact_Shee...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Politik
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch
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