Gemeinsame Pressemitteilung des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und der Technischen Universität Berlin
Städtische Straßen fairer gestalten
Das Gerangel auf städtischen Straßen nimmt dieser Tage ungeahnte Formen an: Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg forderte jetzt Gastronomen auf, „Platzbedarfe im ruhenden Parkraum oder auch auf der Fahrbahn“ anzumelden. Die Coronakrise und der Zwang, die Tische von Cafés und Restaurants weit auseinander und am besten draußen zu platzieren, stellt plötzlich die Verkehrsplanung vergangener Jahrzehnte in Frage. Wie wird die Straße allen Interessen gerecht? Eine neue Studie beleuchtet das sehr grundsätzlich. Sie wurde erstellt vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) sowie der Technischen Universität Berlin und soeben in der renommierten Fachzeitschrift Transport Reviews veröffentlicht.
„Das Besondere an dieser Studie ist, dass wir zunächst auf Basis fundierter ethischer Überlegungen die denkbaren Fairness-Prinzipien vorstellen“, erklärt Prof. Dr. Felix Creutzig, Leiter des Fachgebiets Sustainabiliy Economics of Human Settlements an der TU Berlin sowie der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport. Das Forschungsteam entwickelte 14 unterschiedliche plausible Mechanismen für die Aufteilung der Straßen in Auto-Fahrspuren, Parkplätze, Bus- und Straßenbahntrassen, Radwege und Bürgersteige. Diese Konzepte wurden dann auf die reale Welt übertragen, und zwar am Beispiel von 18 Straßen innerhalb des S-Bahn-Rings von Berlin.
„Der Veränderungsbedarf ist in diesem Kernbereich der deutschen Hauptstadt offensichtlich“, so Felix Creutzig: „Nur jeder sechste Weg wird dort heute noch mit dem Auto zurückgelegt, mehr als jeder zweite Haushalt besitzt gar keins mehr, doch nach wie vor werden dafür 58 Prozent des öffentlichen Straßenraums reserviert.“
Die Studie zeigt die genaue Raumaufteilung auf den 18 betrachteten Beispiel-Straßen – und listet auf, was jeder einzelne Aufteilungsmechanismus an Veränderung bedeuten würde. Das Ergebnis variiert je nach dem, ob bei der Aufteilung die Transport-Effizienz, der Aspekt Umwelt/Klima oder eben auch die Rolle der Straße als Ort der Begegnung im Vordergrund steht. Dass parkende Autos weniger Platz bekommen sollten und Radfahrer*innen mehr, ist allerdings das Ergebnis sämtlicher Varianten.
In einer „vorläufigen Bewertung“ empfiehlt das Forschungsteam mit Blick auf das Wohlbefinden von Kindern und Senior*innen auch die Fußwege breiter zu machen. Das Parken entlang öffentlicher Straßen sollte stark eingeschränkt und in private Räume verlagert werden.
Dazu enthält die Studie eine markante Zahl: Die 1,2 Millionen Autos im gesamten Stadtgebiet von Berlin wären hintereinander geparkt 7200 Kilometer lang, ein Drittel länger als das Straßennetz. „Die Neugestaltung von Straßen in Städten, ausgerichtet auf die aktuellen Anforderungen, ist eine Großaufgabe“, weiß Felix Creutzig. „Die Verantwortlichen brauchen ein auf Fairness ausgerichtetes Mindset und politische Navigationsfähigkeit mit Blick für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Unsere Studie bietet dabei Entscheidungshilfe.“
Mehr Informationen:
Creutzig, F., Javaid, A., Soomauroo, Z., Lohrey, S., Milojevic-Dupont, N., Ramakrishnan, A., Sethi, M., Liu, L., Niamir, L., Bren d’Amour, C., Weddige, U., Lenzi, D., Kowarsch, M., Arndt, L., Baumann, L., Betzien, J., Fonkwa, L., Huber, B., Mendez, E., Misiou, A., Pearce, C., Radman, P., Skaloud, P., Zausch, J., 2020, Fair street space allocation: ethical principles and empirical insights, Transport Reviews
https://doi.org/10.1080/01441647.2020.1762795
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Prof. Dr. Felix Creutzig
TU Berlin
Fachgebiet Sustainabiliy Economics of Human Settlements
Tel.: 030 314-73331
E-Mail: creutzig@tu-berlin.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Bauwesen / Architektur, Gesellschaft, Umwelt / Ökologie, Verkehr / Transport
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch
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