Der Arzneistoff Nimodipin könnte Nervenzellen nach Operationen am Gehirn vor dem Absterben bewahren. Pharmazeuten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben gemeinsam mit Neurochirurgen des Universitätsklinikums Halle (Saale) (UKH) ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich der Wirkstoff direkt im Gehirn und mit weniger Nebenwirkungen anwenden lässt. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „European Journal of Pharmaceutics and Biopharmaceutics“ veröffentlicht.
Wenn am Gehirn operiert wird, ist das für die Nervenzellen gefährlich. Bereits leichte Verletzungen können bei den empfindlichen Zellen dazu führen, dass sie sterben. Der Arzneistoff Nimodipin könnte helfen, das zu verhindern. Er wird bisher bei Hirnblutungen eingesetzt. Das Medikament wirkt entspannend auf Blutgefäße und kann so Verkrampfungen verhindern. Außerdem schützt es offenbar die Nervenzellen vor dem Absterben. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Karsten Mäder vom Institut für Pharmazie der MLU hat jetzt ein System entwickelt, mit dem sich der Wirkstoff direkt im Gehirn anwenden lässt. „Die Neurochirurgen haben sich eine lokale Anwendung gewünscht, um mögliche Nebenwirkungen zu reduzieren“, so Mäder.
Seine Arbeitsgruppe hat Nimodipin in bioabbaubare Polymerfasern eingearbeitet. Die Fasern sind nur ein bis zwei Mikrometer dick, werden im Körper abgebaut und das Material, aus dem sie bestehen, findet in der Medizin bereits häufig Anwendung. „Wenn man etwas direkt an die Nerven applizieren will, muss es sehr gut verträglich sein“, so Mäder. Denn Nervenzellen sind besonders empfindlich. Bisher wurden die Nimodipin-Polymer-Fasern auf Stabilität und ihre Wirkung auf verschiedene Zellkulturen im Labor getestet. Die Forscherinnen und Forscher um Mäder konnten zeigen, dass sie den Wirkstoff sehr kontinuierlich freisetzen. Das ist wichtig, um Nebenwirkungen bei einer Überdosierung auszuschließen.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Christian Scheller an der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurochirurgie des UKH testete daraufhin die Wirkung auf verschiedene Zellen des Gehirns. Die Fasern zeigten keinerlei toxische Wirkung. Unter verschiedenen Stressbedingungen, wie Hitze oder bei hoher Salzkonzentration, reduzierten sie die Zahl der Zelltode teils enorm. Vor allem Nervenzellen profitierten von der Behandlung. „In den Zellsystemen konnten wir zeigen, dass der Effekt genauso gut ist, wie wenn wir den Wirkstoff ohne die Fasern dazugeben würden, was der intravenösen Gabe entspricht“, so Scheller. Allerdings hat Letzteres verschiedene Nachteile: Der Wirkstoffe zerfällt sehr schnell und hat unerwünschte Nebeneffekte, da er nicht nur auf Blutgefäße im Gehirn, sondern im ganzen Körper entspannend wirkt, so auch auf die Herzmuskeln. So kann es zu gefährlich niedrigem Blutdruck kommen, wenn die Dosis zu hoch ist. Eine direkte Anwendung am Gehirn könnte diese Nebenwirkungen minimieren, weil so auch deutlich weniger Wirkstoff notwendig ist.
Die Fasern könnten auch außerhalb des Gehirns zum Einsatz kommen, so Scheller. Denkbar sei das bei verschiedenen Operationen, bei denen Nerven in Gefahr sind.
Prof. Dr. Karsten Mäder
Direktor des Instituts für Pharmazie
Telefon: +49 345 55-25167
E-Mail: karsten.maeder@pharmazie.uni-halle.de
Prof. Dr. Christian Scheller
Universitätsklinik und Poliklinik für Neurochirurgie
Telefon: +49 345 557-1399
E-Mail: christian.scheller@uk-halle.de
Zech et al. Electrospun Nimodipine-loaded fibers for nerve regeneration: Development and in vitro performance. European Journal of Pharmaceutics and Biopharmaceutics (2020). https://doi.org/10.1016/j.ejpb.2020.03.021
https://pressemitteilungen.pr.uni-halle.de/index.php?modus=pmanzeige&pm_id=3...
Lichtmikroskopische Aufnahme der Nimodipinfasern
Johanna Zech
MLU
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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