Können große Moleküle aus Metall aromatisch sein? Ja, hat ein deutsch-französisches Team aus der Chemie festgestellt: Es erzeugte ein aromatisches Molekül, das ausschließlich aus Metallatomen besteht, aber die Eigenschaften klassischer aromatischer Verbindungen in den Schatten stellt. Die Gruppe um die Marburger Chemieprofessorin Dr. Stefanie Dehnen und Dr. Florian Weigend berichtet über ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Nature Chemistry“.
„Normalerweise kennt man das Konzept der Aromatizität aus der organischen Chemie“, erklärt Dehnens Mitarbeiter Armin Eulenstein. Der Begriff geht ursprünglich auf den Duft von Kohlenwasserstoffverbindungen zurück, die einen Ring bilden, was sie besonders stabil macht. Das bekannteste Beispiel liefert das Benzol. Aber wie passen dann Metalle ins Bild?
Der Effekt der Aromatizität beruht auf Elektronen, die sich nicht genau einem einzelnen Atom oder einer Bindung zuordnen lassen – „sie befinden sich stattdessen an allen Orten des Rings zugleich und erzeugen so einen Ringstrom“, sagt Koautor Yannick Franzke, der seine Doktorarbeit bei Florian Weigend anfertigt. „Wir zeigen, dass unser Metallcluster hier einen Rekordwert erreicht.“
Auf den ersten Blick scheine dies gar nicht so verwunderlich, führt Stefanie Dehnen aus, schließlich zeichnen sich Metalle ja durch Leitfähigkeit aus, die auch auf der Beweglichkeit von Elektronen beruht. Aber man müsse Metalle erst einmal dazu bringen, Moleküle anstelle der viel stabileren metallischen Feststoffe zu bilden. „Hierbei waren wir mit einer ausgeklügelten Synthesestrategie erfolgreich.“
Die Gruppe synthetisierte ein geladenes Molekül aus den Metallen Thorium und Bismut. Das Team beschreibt das Ergebnis als einen hochsymmetrischen Bismut-Ring mit zwölf Atomen, in den ein zentrales Thorium-Ion eingebettet ist. „Mittels quantenchemischer Methoden haben wir einen Ringstrom errechnet, der viel größer ist als in Benzol, dem bekanntesten aller aromatischen Moleküle, obwohl sich in diesem Fall nur zwei – und nicht wie in Benzol sechs – Elektronen an dem Ringstrom beteiligen“, berichtet Florian Weigend, der kürzlich vom KIT an die Philipps-Universität gewechselt ist.
„Unsere Resultate zeigen, dass es möglich ist, große Metallringe zu erzeugen, die stark aromatisch sind“, fasst Dehnen zusammen. „Nun gilt es, deren Reaktivität zu studieren und nach Möglichkeit – über die kontrollierte Aktivierung kleiner Moleküle – gezielt für die chemische Synthese zu verwenden.“
Professorin Dr. Stefanie Dehnen lehrt Anorganische Chemie an der Philipps-Universität Marburg; seit Januar 2020 gehört sie dem Vorstand der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) als Vizepräsidentin an. Privatdozent Dr. Florian Weigend leitet seit April 2020 die Abteilung für Angewandte Quantenchemie an der Philipps-Universität Marburg, zuvor arbeitete er am Institut für Nanotechnologie des Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Neben den Arbeitsgruppen von Dehnen und Weigend sowie ihres Marburger Kollegen Professor Dr. Florian Kraus beteiligte sich der französische Physikochemiker Rodolphe Clérac von der Universität Bordeaux an der Veröffentlichung.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die zugrunde liegende wissenschaftliche Arbeit durch ihr Graduiertenkolleg 1782; weitere finanzielle Unterstützung kam unter anderem von der Marburger Nachwuchsakademie MARA, vom Fonds der Chemischen Industrie sowie vom Deutschen Akademischen Austauschdienst.
Originalveröffentlichung: Armin R. Eulenstein, Yannick J. Franzke & al.: Substantial π-aromaticity in the anionic heavy-metal cluster [Th@Bi12]4−, Nature Chemistry 2020, DOI: 10.1038/s41557-020-00592-z
Weitere Informationen:
Ansprechpartner:
Professorin Dr. Stefanie Dehnen
Tel.: 06421 28-25751
E-Mail: dehnen@chemie.uni-marburg.de
Homepage: http://www.uni-marburg.de/fb15/ag-dehnen
Privatdozent Dr. Florian Weigend,
Abteilung für Angewandte Quantenchemie
Tel.: 06421 28-25500
E-Mail: florian.weigend@chemie.uni-marburg.de
Quantenchemische Berechnungen ergaben, wo sich die Elektronen in dem neuartigen Metallring mit größt ...
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Quantenchemische Berechnungen ergaben, wo sich die Elektronen in dem neuartigen Metallring mit größt ...
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